European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00021.17W.0523.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Beschwerde werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Johann K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Danach hat er am 28. März 2016 in B***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung, an dem im Eigentum der Bernadette M***** stehenden Wohnhaus in B***** eine Feuersbrunst verursacht, indem er im Wohnbereich der von ihm gemieteten Wohnung sowie in der Garage Brandbeschleuniger verschüttete und entzündete, „wodurch ein ausgedehntes Schadensfeuer entstand“, und dadurch das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB begangen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 2) hat der Beschwerdeführer die Protokolle über seine Vernehmung im Ermittlungsverfahren (ON 5 S 13 ff und 39 ff) und die förmliche Belehrung (§ 50 StPO) über seine Stellung und seine Rechte (ON 5 S 15 f und 41 f) am Ende jeder Seite unterfertigt und lagen – mit Blick auf seine Antworten und das Fehlen einer dem § 155 Abs 1 Z 4 StPO vergleichbaren Situation – keine Anhaltspunkte für den die Vernehmung leitenden Organwalter vor, dass die Belehrungen von vornherein ins Leere gegangen wären. Ein Protokoll über eine nichtige Erkundigung im Ermittlungsverfahren (§ 152 Abs 1 StPO) aufgrund Unterbleibens der förmlichen Belehrung des (damals) Beschuldigten (s auch § 48 Abs 2 StPO) über seine Stellung und seine Rechte steht damit nicht in Rede ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 38 f, 187; 15 Os 112/15g).
Bleibt mit Blick auf das weitere Vorbringen zur Klarstellung anzumerken, dass die Verlesung des in der Beschwerde genannten Vernehmungsprotokolls vom 31. März 2016 (ON 5 S 39 ff) in der Hauptverhandlung am 9. November 2016 (zulässig) gemäß § 245 Abs 1 StPO (iVm § 429 Abs 1 StPO) erfolgte, weil der Betroffene von seinen früheren Aussagen abwich (ON 75a S 5; vgl Kirchbacher , WK‑StPO § 245 Rz 58 f), und dass die (bloße) Änderung der Verantwortung des Betroffenen in der Hauptverhandlung den Kriterien einer ausdrücklichen und unmissverständlichen Verwahrung gegen die Verlesung sämtlicher Protokolle über die Vernehmung des (damals) Beschuldigten iSd § 281 Abs 1 Z 2 StPO jedenfalls nicht entspricht (RIS‑Justiz RS0099326; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 191).
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde aus diesem Vorbringen auch Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO ableitet, wird ein dem Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO unterliegendes, in der Hauptverhandlung gleichwohl verlesenes Beweismittel nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.
Dass durch die Erstattung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens (ON 84 S 13 ff iVm ON 40) ein in dessen Befund enthaltenes „undatierte(s) Gutachten Dris. R*****“ und Teile des (Vernehmungen von Zeugen enthaltenden) Protokolls der Scheidungsverhandlung vom 23. Juli 2013 in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, bewirkt schon deshalb keinen aus Z 3 relevanten Verstoß gegen § 252 Abs 1 und 4 StPO, weil „mit Zustimmung der Beteiligten des Verfahrens“ der „Inhalt der Aktenstücke“ vom Vorsitzenden des Schöffengerichts zusammenfassend vorgetragen wurde (§
252 Abs 2a StPO) und der Betroffene auch „mit der Vorlesung der in § 252 Abs 1 StPO genannten Protokolle, Amtsvermerke, amtliche(n) Schriftstücke und Gutachten einverstanden“ war (ON 84 S 37).
Der Einwand, das psychiatrische Gutachten sei „von unvollständigen Prämissen ausgegangen“, nimmt nicht auf die Verletzung oder Missachtung einer Vorschrift Bezug, deren Beobachtung § 281 Abs 1 Z 3 StPO ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (RIS‑Justiz RS0099128).
Der Verfahrensrüge (nominell Z 3 und Z 4, der Sache nach nur Z 4 [vgl zur taxativen Aufzählung in § 281 Abs 1 Z 3 StPO RIS‑Justiz RS0099118]) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Leo W*****, Christine We*****, Selina We*****, Gertraud K***** und Susanne K*****, sowie auf „Ausforschung und Ladung des Zulassungsbesitzers des PKW mit dem Kennzeichen *****“, jeweils zum Beweis, „dass der Betroffene die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat“ (ON 84 S 3 iVm ON 81), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. In Bezug auf die beiden zuletzt genannten Zeugen und die Ausforschung eines unbekannten Fahrers ließ der Antrag nicht erkennen, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erbringen sollte, womit er auf eine unzulässige
Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 327 f und 330 f). Die übrigen Zeugen hätten nach dem Antragsvorbringen über „zahlreiche Probleme“ mit Bernadette M***** und deren Geldschulden zum Tatzeitpunkt (Zeuge Leo W*****) sowie über „Streit mit dem Betroffenen“ und „diesbezüglichen Kontakt“ mit Bernadette M***** (Zeuginnen Christine We*****, Selina We*****) Auskunft geben können, womit die Eignung der Beweismittel, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, nicht erkennbar war (RIS‑Justiz RS0116987). Auf das zur Fundierung der Anträge erstattete Rechtsmittelvorbringen
war nicht einzugehen, weil bei Prüfung der Berechtigung derselben von der Verfahrenslage im Zeitpunkt ihrer Stellung und den dort vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS‑Justiz RS0099618).
Der Antrag auf „Auswertung der Email-Adresse und des PC der Frau Bernadette M*****“ zum Beweis, dass die Genannte „im Kontakt zu Dritten stand, die den Betroffenen immer wieder schlecht machen“ (ON 84 S 13 iVm ON 81), konnte unterbleiben, weil das Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung war (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine „zahlreichen selbst verfassten Eingaben“ pauschal „die Abweisung sämtlicher seiner gestellten Beweisanträge“ rügt, nimmt er nicht auf konkrete, in der Hauptverhandlung deutlich und bestimmt formulierte Anträge Bezug (RIS‑Justiz RS0099250). Dasselbe gilt für die Behauptungen, er habe in seinen Eingaben mehrfach auf die von ihm unentgeltlich erbrachten Arbeiten für Bernadette M***** und ihre Berücksichtigung in seinem Testament sowie „seiner Versicherungspolizze“ hingewiesen, es sei „eine Sicherstellung der Unterlagen (…) nicht erfolgt“, und er habe „zumindest“ mit seiner (handschriftlichen) Eingabe vom 8. November 2016 (ON 75) die psychiatrische Sachverständige „mit dem Hinweis auf unrichtige Angaben“ abgelehnt.
Bezugspunkt der
Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über
entscheidende Tatsachen, also vorliegend über für die Begehung und Subsumtion der Anlasstat sowie den in § 21 Abs 1 StGB beschriebenen Zustand relevante Tatsachen, weshalb die Kritik an den Feststellungen zum Verhalten des Betroffenen einen Tag vor der Tat (US 3 f) sowie am Nachmittag des 28. März 2016 (US 4), zu dem am 28. März 2016 im Wohnhaus befindlichen Besucher (US 4) und zu den Zeitpunkten der Entdeckung des Brandes, der Heimkehr der Bernadette M***** sowie der Alarmierung der Feuerwehr (US 5) von vornherein ins Leere geht.
Soweit die Beschwerde die Konstatierungen zum Tathergang wiedergibt und als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) und aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) kritisiert, weil für diese keine Beweisergebnisse vorliegen würden, keine Spuren eines Brandbeschleunigers an der Kleidung des Betroffenen gefunden wurden und „die örtliche Situierung der Wohnung sowie der Schließmechanismus der Türen und Fenster“ gegen die Tatbegehung durch den Betroffenen sprechen würden, bekämpft er die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im Schöffenverfahren unzulässigen – Schuldberufung.
Indem der Nichtigkeitswerber mehrere, in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehende Konstatierungen (insbesondere zur subjektiven Tatseite und zu seiner Diskretions- sowie Dispositionsfähigkeit) referiert und eigene Beweiserwägungen anstellt, werden weder ein innerer Widerspruch (RIS‑Justiz
RS0119089) noch Aktenwidrigkeit (RIS‑Justiz RS0099547) deutlich und bestimmt zur Darstellung gebracht (§ 285a Z 2 StPO). Im Übrigen setzt die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (Anlasstat) voraus, die (nur) vorliegt, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0119623, RS0090295; Ratz in WK² StGB § 21 Rz 14) und schließt Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) vorsätzliches Handeln nicht aus (RIS‑Justiz RS0088967).
Die Kritik an der festgestellten Höhe des am Haus entstandenen Schadens (US 5) betrifft mit Blick auf die konstatierte abstrakte Gefährdung für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl von Menschen (US 4, 10) keine entscheidende Tatsache.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung – durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen – verhindern (RIS‑Justiz RS0118780). Indem die Beschwerde die bereits zur Mängelrüge zitierten Feststellungen (überwiegend zu nicht entscheidenden Tatsachen) wiedergibt, das dort erstattete Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und mit eigenen Beweisüberlegungen „als lebensfremd und nicht nachvollziehbar“ rügt, wird der Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0117446, RS0117961).
Dasselbe gilt für die gegen die Konstatierungen zur Erkrankung des Betroffenen und zur Gefährlichkeitsprognose (US 5 ff) gerichteten Behauptungen, dem Betroffenen könne „die angelastete Tat nicht unterstellt werden“, die Sachverständige sei von „falschen Prämissen des Scheidungsverfahrens“ ausgegangen und sein Vorleben sei nicht berücksichtigt worden.
Unter Bezugnahme auf die Feststellungen, wonach die „beiden Brandstellen in Bereichen lagen, welche als Unterbrandabschnitte ausgeführt waren“, wodurch „eine unmittelbare Brandausbreitungsgefahr auf weitere Bereiche des Wohnobjekts nicht gegeben“ war (US 5), behauptet die Beschwerde (Z 9 lit a, nominell auch Z 10), es liege „aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Brandunterabschnitte)“ ein absolut untauglicher Versuch der Brandstiftung vor und es sei „von einer Sachbeschädigung (…) auszugehen“. Damit hält sie einerseits nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe fest (RIS‑Justiz RS0099810), wonach der Betroffene in der Garage des (drei eigenständige Wohnbereiche aufweisenden) Hauses Benzin in eine Hackschnitzelbox schüttete sowie Putzlappen mit Benzin tränkte, in der von ihm gemieteten Wohnung im Bereich der Bettbank Benzin vergoss sowie einen halbvollen Benzinkanister durch das offene Badezimmerfenster auf einen an der Außenmauer aufgeschichteten Holzstoß stellte und danach jeweils ein Feuer entzündete (US 4), und leitet andererseits nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb im konkreten Fall die Verursachung einer Feuersbrunst auf die vom Betroffenen vorgesehene
Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters geradezu denkunmöglich sei (RIS‑Justiz RS0115363, RS0102826).
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Feststellungen zur räumlichen Ausdehnung des Schadensfeuers (US 5) die Annahme einer verwirklichten Feuersbrunst – und damit einer vollendeten Brandstiftung – nicht tragen (vgl RIS-Justiz RS0105885, RS0094927; Murschetz in WK2 StGB § 169 Rz 4), dieser Fehler jedoch mit Blick auf die nach den Konstatierungen gegebene versuchte Brandstiftung (§§ 15, 169 Abs 1 StGB) weder für die Subsumtion (RIS‑Justiz RS0122138), noch im gegenständlichen Fall – weil § 34 Abs 1 Z 13 StGB bei einem Ausspruch nach § 21 Abs 1 StGB nicht zum Tragen kommen kann – für die Sanktion (RIS‑Justiz RS0122137) nichtigkeitsrelevant ist.
Die vermissten Feststellungen zum Vorsatz des Betroffenen, eine „potenzielle“ Gefahr für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl (vgl dazu RIS‑Justiz RS0130775; Murschetz in WK2 StGB § 169 Rz 6) von Menschen herbeizuführen, befinden sich – von der Rüge prozessordnungswidrig übergangen – auf US 4, wonach dem Betroffenen „die potentielle Gefährdung allenfalls anwesender Personen sowie der in weiterer Folge einschreitenden Rettungskräfte bewusst war“ (zum die Willenskomponente inkludierenden Wissen vgl RIS‑Justiz RS0088835 [T4]; Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 31).
Indem die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) vermeint, „bei rechtlicher Qualifikation der Anlasstat als Sachbeschädigung“ mangle es an einer einweisungsrelevanten Tat, geht sie nicht vom Ausspruch des Urteils über die Begehung und Subsumtion der (Anlass‑)Tat aus und zeigt eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis des Schöffengerichts nicht auf.
Durch bloßes Negieren der Urteilsannahmen zum auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustand des Betroffenen und dessen Einfluss auf die Anlasstat (US 5 ff), wird die Anordnung der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB nicht verfahrenskonform (aus Z 11 erster Fall) bekämpft ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 9).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die gegen das Urteil angemeldete Beschwerde (ON 86) war als unzulässig zurückzuweisen, weil gegen Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte nur die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offenstehen (§ 280 StPO). Einen gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem angefochtenen Urteil zu verkündenden und auszufertigenden Beschluss hat das Erstgericht nicht gefasst (ON 84 S 39; ON 85).
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