European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0280OS00004.16X.0518.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Taten als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt aufgehoben und der Disziplinarbeschuldigte für die ihn weiterhin zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.
Im Übrigen wird der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld nicht Folge gegeben.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Disziplinarbeschuldigte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 16. November 2015, AZ D 8/15, wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er in Vertretung von Astrid N***** im Zusammenhang mit der Beendigung eines Untermietvertrags und einer Kooperationsvereinbarung hinsichtlich des Betriebs eines Kosmetiksalons zur Durchsetzung von Ansprüchen seiner Mandantin unzulässig Druck auf Margarethe K***** ausübte, indem er
1. am 21. Oktober 2013 in einem an sie gerichteten Schreiben sinngemäß zum Ausdruck brachte, er werde eine Sachverhaltsdarstellung wegen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs und eines im Jahr 2010 erfolgten physischen Angriffs auf seine Mandantin an den österreichischen Gewerbeverein und an die Wirtschaftskammer zur disziplinären Überprüfung ihres Verhaltens übermitteln;
2. am 27. Jänner 2014 in einem an ihren Rechtsvertreter gerichteten Schreiben sinngemäß zum Ausdruck brachte, er werde eine Sachverhaltsdarstellung wegen § 153 StGB an die Staatsanwaltschaft übermitteln, sollte sie nicht eine als Kaution erlegte, als eigenmächtig abgerufen erachtete Bankgarantie in Höhe von 6.000 Euro zurückzahlen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe des Disziplinarbeschuldigten.
Entgegen der eine Undeutlichkeit behauptenden Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) ergibt sich bei objektiver Betrachtung der Gesamtheit der getroffenen Konstatierungen klar die Absicht des Berufungswerbers, dass er durch die von ihm in Aussicht gestellte Verständigung der Wirtschaftskammer und des Gewerbevereins bzw durch die Ankündigung einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft unzulässig (nämlich durch die Androhung inadäquater, weil damit nicht in unmittelbarem Konnex stehender Maßnahmen) Druck auf Margarethe K***** auszuüben intendierte, um zivilrechtliche Ansprüche seiner Mandantin durchzusetzen, nämlich die Übernahme des Untermietobjekts sowie die Rückzahlung einer in diesem Zusammenhang in Form einer Bankgarantie gegebenen, nunmehr als Barbetrag verwahrten Kaution.
Die Ableitung dieser Konstatierungen aus dem äußeren Geschehnisablauf, nämlich aus den schriftlichen Äußerungen des ***** im Zusammenhang mit dem Unterbleiben der angekündigten Vorgehensweisen, ist dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) nicht zu beanstanden. Dazu hat der erkennende Disziplinarrat insbesondere dargelegt, weshalb er der Verantwortung des Berufungswerbers nicht folgte, wobei – dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) entsprechend – der Disziplinarrat nicht gehalten war, diese als Schutzbehauptung verworfenen Angaben in all ihren Details gesondert zu erörtern.
Weshalb die Erzählung der vom Disziplinarbeschuldigten beim Bezirksgericht Döbling eingebrachten Klage auf vorzeitige Auflösung des Mietvertrags und Leistung von 50.000 Euro in einem erörterungspflichtigen Widerspruch zu den Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) stehen sollte, lässt sich aus dem weiteren Vorbringen nicht entnehmen. Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang aus seinem im Erkenntnis auszugsweise wiedergegebenen Schreiben vom 27. Jänner 2014 und der darauf erfolgten Antwort des Gegenvertreters für sich günstigere Schlussfolgerungen abzuleiten versucht, bringt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund jedenfalls nicht gesetzmäßig zur Darstellung.
Die – in der Sache zunächst zu behandelnde (vgl Ratz, WK‑StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen Schuld vermag mit den Hinweisen auf den Wortlaut der inkriminierten Schreiben und die Angaben des Gegenvertreters keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb daraus eine sachliche Rechtfertigung für die angekündigten Druckmittel abzuleiten gewesen wäre.
Indem ***** den Annahmen des Disziplinarrats lediglich seine Verantwortung wiederholenden Erwägungen gegenüberstellt und daraus für sich günstigere Folgerungen zieht, zeigt er keine im Rahmen der Schuldberufung aufzugreifende Mängel der erstinstanzlichen Beweiswürdigung auf.
Soweit die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) auf die Frage der fehlenden Absicht des Disziplinarbeschuldigten, Margarethe K***** „im Lichte des § 107 StGB“ in Furcht und Unruhe zu versetzen, abstellt, bleibt sie ohne erkennbaren Bezug zu den Schuldsprüchen. Aus welchen Gründen derartige Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen gewesen wären, leitet der Berufungswerber eben nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0120395; vgl auch RS0056913; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 855).
Das weitere Vorbringen („analog § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO“), ***** habe sich bloß einer „scharfen“, unter Bedachtnahme auf § 9 RAO noch vertretbaren „Argumentationslinie“ gegenüber der Gegnerin seiner Mandantin bedient, orientiert sich nicht an der Gesamtheit der vom Disziplinarrat getroffenen Konstatierungen und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt. Im Übrigen macht der Berufungswerber auch nicht deutlich, weshalb in der Androhung inadäquater Maßnahmen zur Durchsetzung von Ansprüchen des Mandanten keine Verletzung der in § 9 Abs 1 RAO, § 2 RL‑BA 1977 normierten Berufspflichten zu sehen wäre ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 49 ff; RIS‑Justiz RS0055886, RS0056346; vgl auch RS0056073, RS0056158, RS0056214; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 15; § 2 RL‑BA Rz 2 und § 1 DSt, 877).
Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war insoweit keine Folge zu geben.
Im Ergebnis zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) allerdings auf, dass die Unterstellung der Taten auch unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt unzutreffend ist, weil die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis keine tragfähige Grundlage für die vom Disziplinarrat neben der rechtlichen Beurteilung als Berufspflichtenverletzung getroffene rechtliche Annahme einer Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes bieten. Eine solche setzt nämlich – dem Erkenntnis nicht zu entnehmende und nach dem Akteninhalt auch nicht indizierte – Konstatierung dazu voraus, dass das Fehlverhalten hinreichende Publizitätswirkung entfaltet hat (vgl RIS‑Justiz RS0054876, RS0055086, RS0055093; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 859; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 12 ff). Ehre und Ansehen des Standes sind daher durch die im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Taten nicht betroffen.
Daher war das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Berufung in der Subsumtion der Taten als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben.
Im Rahmen der Strafneubemessung für das dem Disziplinarbeschuldigten weiterhin zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt war als mildernd das Tatsachengeständnis und die überlange Verfahrensdauer bei der Erledigung der Berufung hingegen als erschwerend die Tatmehrheit zu werten.
Weshalb ***** diese Taten aus achtenswerten Beweggründen (§ 34 Abs 1 Z 3 StGB), begangen hat, die Taten unter Umständen gesetzt wurden, die einem Schuldausschließungs‑ oder Rechtfertigungsgrund nahekommen (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), kein Schaden herbeigeführt wurde oder es bloß beim Versuch geblieben sei (§ 34 Abs 1 Z 13) und die Taten schon vor längerer Zeit begangen wurden und sich der Disziplinarbeschuldigte seither wohl verhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB), wird im Berufungsvorbringen, welches sich lediglich auf die ziffernmäßige Darstellung der genannten Milderungsgründe beschränkt, nicht weiter ausgeführt.
Dem Unrechtsgehalt dieser Taten und der Schuld des ***** entspricht somit eine Geldbuße von 500 Euro.
Einem im Berufungsvorbringen reklamierten Vorgehen nach § 39 DSt steht das in den Konstatierungen zum Ausdruck gebrachte Verschulden des Berufungswerbers entgegen, das allein schon wegen der Tatwiederholung als nicht bloß geringfügig eingestuft werden kann.
Die in der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe begehrte „bedingte Verurteilung“ findet nur bei der Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft einen Anwendungsbereich (§ 16 Abs 2 DSt).
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Disziplinarbeschuldigte im Übrigen auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
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