European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00049.17D.0425.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der angebliche Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Nichteinholung eines weiteren neurologisch‑psychiatrischen Gutachtens, der darin begründet sein soll, dass die Sachverständige die Stressbelastung der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt habe, wurde vom Berufungsgericht nicht als solcher anerkannt und kann daher in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043086).
2.1 In § 255 Abs 3 ASVG und § 273 Abs 2 ASVG wird auf die „Lohnhälfte“ abgestellt, also darauf, ob ein Versicherter in der Lage ist, zumindest die Hälfte des Durchschnittsverdiensts zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter in der Normalarbeitszeit regelmäßig zu erzielen pflegt („Durchschnittsverdienst“).
2.2 Auch die Verweisung eines vollzeitig beschäftigt gewesenen Versicherten auf eine Teilzeitarbeit setzt demnach voraus, dass er wenigstens die Hälfte des Entgelts eines gesunden Vollzeitbeschäftigten erzielen kann (RIS-Justiz RS0084587).
2.3 Primär ist also nicht auf das zeitliche Ausmaß der noch möglichen Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf die Einkommensverhältnisse bei Ganztagsarbeit in den in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten (10 ObS 22/03p, SSV-NF 17/30 mwN). Demnach wurden früher entsprechende Feststellungen zur Frage des üblichen Verdienstes eines vollzeitig Beschäftigten und eines nur noch Teilzeitbeschäftigten verlangt (vgl 10 ObS 56/93, SSV‑NF 7/126).
3. Bei einer Verweisung auf eine Teilzeittätigkeit ist für die Erreichbarkeit der Lohnhälfte aber vor allem von entscheidender Bedeutung, in welchem zeitlichen Ausmaß der Versicherte die jeweilige Verweisungstätigkeit noch verrichten kann (etwa zwei oder sechs Stunden). In diesem Sinn hat sich die Rechtsprechung dahingehend entwickelt, dass bei einer möglichen Arbeitszeit von 4 Stunden täglich (oder 20 Stunden wöchentlich) davon auszugehen ist, dass die gesetzliche Lohnhälfte erzielt werden kann (10 ObS 89/07x; 10 ObS 22/03p, SSV-NF 17/30; Födermayr in SV-Komm [139. Lfg] § 255 ASVG Rz 48), zumal in den entsprechenden Kollektivverträgen oftmals auf Stundenlöhne abgestellt wird und überdies verschiedene nationale und unionsrechtliche Bestimmungen im Arbeitsrecht die Teilzeitbeschäftigten vor einer unzulässigen Benachteiligung gegenüber Vollzeitbeschäftigten schützen (10 ObS 48/14b, SSV‑NF 28/27).
4. Im vorliegenden Fall steht fest, dass für die Klägerin die Tagesarbeitszeit in den ihr möglichen Verweisungsberufen (leichte Tischarbeiten wie Verpackungs‑, Einschlicht- und Kuvertiertätigkeiten) mit 4 Stunden zu begrenzen ist. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin mit dieser ihr noch möglichen Arbeitsleistung imstande ist, 50 % jenes Lohns zu verdienen, den eine gesunde Versicherte im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung in diesen Verweisungsberufen üblicherweise erzielen kann, weicht von der oben dargelegten Rechtsprechung nicht ab. Die Bezugnahme auf den Durchschnittsverdienst bedeutet nur, dass in der Regel nicht von dem Entgelt ausgegangen wird, das unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten (Überstunden, Akkord etc) in Einzelfällen erzielt werden kann, sondern dass regelmäßig auf die Normalarbeitszeit abzustellen ist (10 ObS 78/95, SSV‑NF 9/46).
Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin demnach als unzulässig zurückzuweisen.
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