OGH 3Ob45/17i

OGH3Ob45/17i29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Janovsky Stecher Rechtsanwälte GbR in Schwaz, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M*, 2. B*, beide vertreten durch Dr. Christian J. Winder, Dr. Klemens Stefan Zelger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2016, GZ 2 R 143/16w‑19, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. August 2016, GZ 15 Cg 117/15f‑15, und das vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die in einen außerstreitigen Antrag umzudeutende Klage an das örtlich und sachlich zuständige Bezirksgericht Schwaz überwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117902

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.244,28 EUR (darin enthalten 374,05 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage grundbücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft, bestehend aus den Grundstücken 95/1, 95/2, 96/1, 96/8 und 96/10. Die Beklagten sind grundbücherliche Eigentümer je zur Hälfte einer Liegenschaft bestehend aus dem Grundstück 96/3.

Die Streitteile waren zum Zeitpunkt der Klageeinbringung gemeinsam Eigentümer der in einer näher bezeichneten EZ liegenden Wegparzelle 96/7, und zwar die Klägerin zur Hälfte und die Beklagten jeweils zu einem Viertel.

Das Weggrundstück 96/7 im Flächenausmaß von 147 m² verläuft von der öffentlichen Straße kommend in südöstlicher Richtung entlang dem Grundstück 96/3 bis zum Grundstück 96/1.

Die Klägerin begehrt gegenüber den Beklagten als Hälfteeigentümer des Grundstücks 96/7 die Feststellung, dass ihr als weiterer Hälfteeigentümerin auf diesem Grundstück das unbeschränkte Gehen und Fahren mit Fahrzeugen welcher Art immer zu den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken gestattet ist. Mit ihrem Eventualbegehren strebt die Klägerin eine Verpflichtung der Beklagten auf Duldung des unbeschränkten Begehens und Befahrens mit Fahrzeugen welcher Art immer des Grundstücks 96/7 durch die Klägerin als Hälfteeigentümerin dieses Grundstücks zu den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken 95/1, 95/2, 96/1, 96/8 und 96/10 an.

Die Klägerin stützt sich auf eine zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile im Jahr 1970 getroffene, auf die Streitteile übergegangene Vereinbarung, wonach beiden Miteigentümern des Grundstücks 96/7 das unbeschränkte Begehen und Befahren mit Fahrzeugen welcher Art immer gestattet worden sei. Jede bauliche oder sonstige Maßnahme eines Miteigentümers, die geeignet sei, dieses unbeschränkte Recht zu hindern oder einzuschränken, sei den Miteigentümern des Grundstücks 96/7 sowie ihren Rechtsnachfolgern untersagt worden. Die Beklagten stünden auf dem Standpunkt, die Klägerin könne den Weg nur im bisherigen Umfang, also lediglich zu landwirtschaftlichen Zwecken, mitbenützen.

Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ergebe sich daraus, dass die Klägerin sowohl die in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft als auch die in ihrem Hälfteeigentum stehende Liegenschaft mit der Wegparzelle  96/7 an einen näher bezeichneten Dritten verkauft habe. In einer zwischen der Klägerin und diesem Dritten am 15. April 2015 geschlossenen Zusatzvereinbarung sei festgehalten worden, dass sich die Klägerin als grundbücherliche Eigentümerin und Verkäuferin gegenüber dem Dritten als Käufer verpflichte, die Klärung des unbeschränkten Rechts des Gehens und Fahrens durch eine bis 31. Mai 2015 einzubringende Klage im Gerichtsweg herbeizuführen.

Die Beklagten erhoben neben materiellen Einwendungen auch den Einwand der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs: Fragen des Miteigentums und seiner Nutzung seien im Außerstreitverfahren zu klären.

Das Erstgericht gab dem Haupt-feststellungsbegehren statt. Es bejahte in seiner Begründung die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, in welcher sie den Einwand der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs aufrecht erhielten, (erkennbar) Folge, hob das bisher geführte Verfahren ab Zustellung der Klage einschließlich des Urteils des Erstgerichts als nichtig auf, sprach aus, dass die Rechtssache im Außerstreitverfahren zu behandeln und zu entscheiden sei, und überwies die Rechtssache zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die in einen außerstreitigen Antrag umzudeutende Klage an das örtlich und sachlich zuständige Bezirksgerichts Schwaz.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten seien auch dann im Außerstreitverfahren zu entscheiden, wenn der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zugrunde liege. Auch Feststellungsbegehren könnten im Außerstreitverfahren erhoben werden. Die Klägerin begehre die Feststellung über den Umfang der ihr im Zusammenhang mit der Benützung der gemeinsamen Sache zustehenden Rechte und stützte sich dabei auf eine Vereinbarung der Rechtsvorgänger der Streitteile im Jahr 1970. Daraus leite sie eine dem Umfang nach unbeschränkbare Nutzung der Wegparzelle zum Gehen und Befahren mit Fahrzeugen welcher Art immer ab. Sie mache daher Ansprüche aus der Benützung der gemeinschaftlichen Sache geltend, die seit Inkrafttreten des § 838a ABGB im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden seien.

Die Klägerin begehrt in ihrem Rekurs die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts und diesem die Entscheidung über die Berufung der Beklagten aufzutragen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rekurs ist zulässig.

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind Beschlüsse des Berufungsgerichts, womit das Urteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wird, auch ohne Ausspruch des Berufungsgerichts, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, anfechtbar (RIS‑Justiz RS0043890).

1.2 Dabei ist ein solcher Beschluss auch dann selbständig mit Vollrekurs anfechtbar, wenn durch den Wechsel der Verfahrensart keine Veränderung in der materiellen Anspruchsgrundlage eintritt (4 Ob 91/16k; RIS‑Justiz RS0043890 [T2]).

1.3 Die in der Entscheidung 4 Ob 91/16k angestellten Überlegungen über die Zulässigkeit eines Vollrekurses gelten auch dann, wenn sich das Erstgericht in seiner Sachentscheidung mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs auseinandergesetzt hat: Auch in diesem Fall ist mit einer Entscheidung des Berufungsgerichts, die das erstinstanzliche Sachurteil als nichtig aufhebt und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überweist, zwingend eine Vernichtung von Verfahrensaufwand verbunden. Darin liegt der Unterschied zur Bestätigung eines Überweisungsbeschlusses, dessen Anfechtbarkeit sich – anders als ein berufungsgerichtlicher Beschluss, mit dem das Verfahren für nichtig erklärt wird – nach § 528 ZPO richtet. In der Regel ist nämlich bei Bestätigung eines Überweisungsbeschlusses noch kein Verfahren in der Hauptsache geführt worden. Dieser Unterschied rechtfertigt die umfassende Anfechtbarkeit eines vom Berufungsgericht gefassten Überweisungsbeschlusses nicht nur dann, wenn damit kein „Wechsel der Anspruchsgrundlagen“ verbunden ist, sondern auch in dem hier vorliegenden Fall, dass sich das Erstgericht in einer Sachentscheidung mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs ausdrücklich auseinandersetzte und diese bejahte.

2. Der somit zulässige Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

2.1 Ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozessweg zu entscheiden ist, ist nach dem Inhalt des Begehrens, nicht aber danach zu beurteilen, ob das Begehren begründet ist oder welche Einwendungen erhoben wurden (RIS‑Justiz RS0013639; RS0005896; 3 Ob 168/15z).

2.2 Nach § 838a ABGB sind Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten in das Verfahren Außerstreitsachen verwiesen. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  33) fallen in das Außerstreitverfahren die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber, somit die richterlichen Aufgaben nach den §§ 833 bis 838 ABGB, die Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, die Rechnungslegung und Verteilung des Erlöses (§ 830 Abs 1 ABGB), die Verteilung des Nutzens und Aufwands (§ 839 ABGB), die Auseinandersetzung über Bestellung, Wechsel und Enthebung des Verwalters (§ 836 ABGB) und Ansprüche der Teilhaber untereinander aus von ihnen beschlossenen Handlungen des Verwalters. Demgegenüber sind nach den Gesetzesmaterialien Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt werden, wie etwa Besitzstörung, Schadenersatz und Bereicherung oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern, weiterhin im Streitverfahren geltend zu machen.

2.3 Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten auch dann im Außerstreitverfahren zu entscheiden, wenn der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zugrunde liegt (4 Ob 76/07s; 6 Ob 233/10y; 7 Ob 169/16b; RIS‑Justiz RS0013563 [T15]). Auch Feststellungsbegehren sind, soweit eine iSd § 838a ABGB erfasste Angelegenheit betroffen ist, von der Verweisung in das Außerstreitverfahren erfasst (7 Ob 169/16b; RIS‑Justiz RS0013563 [T16]).

2.4 Nach den maßgeblichen Klagebehauptungen stützt die Klägerin sowohl ihr Haupt- als auch ihr Eventualbegehren auf eine auf die Streitteile übergegangene Benützungsvereinbarung zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile, die diese ebenfalls als Miteigentümer der Wegparzelle getroffen haben. Diese Begehren sind aus den dargelegten Gründen von der Verweisungsnorm des § 838a ABGB umfasst.

2.5 Die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs will die Klägerin damit begründen, dass sie sich mit ihrem Begehren nicht nur auf die Benützungsvereinbarung gestützt habe, sondern auch auf den von ihr mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag samt Zusatzvereinbarung.

Nun trifft es zu, dass nur dann, wenn das Miteigentumsverhältnis den „Kern des Begehrens“ bildet, also etwa eine getroffene Benützungsvereinbarung den Anspruchsgrund bildet, die Verweisung in das Außerstreitverfahren stattfindet: Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auch auf weitere Rechtsgrundlagen (5 Ob 46/14x mwN; RIS‑Justiz RS0013622 [T9]). Allerdings hat die Klägerin hier als anspruchsbegründenden Sachverhalt ausschließlich die Benützungsvereinbarung geltend gemacht. Der von ihr mit dem Dritten geschlossene Kaufvertrag samt Zusatzvereinbarung bildet keinen selbständigen Anspruchsgrund, der das Feststellungsbegehren oder das Eventualbegehren auf Duldung materiell rechtfertigen könnte. Vielmehr hat die Klägerin diese mit dem Dritten geschlossenen Vereinbarungen nur zur Begründung ihres rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung herangezogen und dazu ausgeführt, dass sie aufgrund dieser Vereinbarungen verpflichtet sei, die Klage einzubringen. Das ändert aber nichts daran, dass zwischen den Streitteilen ausschließlich die Frage zu klären ist, ob die getroffene Benützungsvereinbarung das von der Klägerin in Anspruch genommene unbeschränkte Geh‑ und Fahrrecht rechtfertigt.

3. Dass im Zuge des Verfahrens der zwischen der Klägerin und dem Dritten geschlossene Kaufvertrag verbüchert wurde, ändert schon im Hinblick auf § 234 ZPO nichts daran, dass Anspruchsgrundlage weiterhin ausschließlich die Benützungsvereinbarung ist.

4. Dem unberechtigten Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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