OGH 7Ob169/16b

OGH7Ob169/16b13.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** H***** und 2. S***** S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J***** S*****, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Juni 2016, GZ 1 R 104/16z‑19, womit aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. Jänner 2016, GZ 51 C 31/15t‑15, und das vorangegangene Verfahren ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben und die Rechtssache in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00169.16B.1013.000

 

Spruch:

1. Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts richtet, zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 460,40 EUR (darin enthalten 76,73 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in A*****. Die klagenden Eigentümerpartner haben ihre Anteile mit Kaufvertrag vom 31. 1. 2003 erworben.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass ihnen das ausschließliche Nutzungsrecht an zwei Autoabstellplätzen an einer näher bezeichneten allgemeinen Parkfläche auf der Liegenschaft zukomme. Das Nutzungsrecht stützen sie auf eine schriftliche Benützungsvereinbarung zwischen den damaligen Mit‑ und Wohnungseigentümern, darunter die Rechtsvorgängerin der Kläger, das mit Kaufvertrag vom 31. 1. 2003 auf sie übergegangen sei.

Die Beklagte erhob neben materiellen Einwendungen gegen das Klagebegehren auch die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn, weil für das Begehren nicht die Gerichte, sondern die Baubehörde zuständig sei.

Das Erstgericht verwarf mit Beschluss die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und entschied in der Hauptsache.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil des Erstgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren ab Klagszustellung als nichtig auf und überwies die Rechtssache in das außerstreitige Verfahren. Für die Entscheidung über das ausschließliche Nutzungsrecht sei die Baubehörde nicht zuständig und der Rechtsweg im engeren Sinn daher zulässig. Aufgrund der zulässigen Rechtsrüge sei aber von Amts wegen wahrzunehmen, dass nach § 838a ABGB der streitige Rechtsweg nicht zulässig sei. Das Feststellungsbegehren werde ausschließlich auf das Miteigentumsrecht und keinen weiteren Rechtsgrund gestützt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der von den Klägern beantwortete Rekurs der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts richtet, jedenfalls unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:

1. Der Ausschluss eines (Revisions‑)Rekurses gegen Kostenentscheidungen der zweiten Instanz (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) erstreckt sich auf alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird (RIS‑Justiz RS0110033 ua). Das Rechtsmittel ist daher in dem Umfang, in dem darin die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts angefochten wird, jedenfalls unzulässig.

2.1. Im Hinblick auf die nach herrschender Ansicht vorzunehmende Unterscheidung innerhalb der Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs nach drei völlig verschiedenen Entscheidungsbereichen (Gerichte/ Verwaltungsbehörden, Gerichte/Sondergerichte und innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit) ist es gerechtfertigt, von jeweils eigenständigen Prozessvoraussetzungen auszugehen. Diese sind daher im Zusammenhang mit der Anfechtbarkeit und amtswegigen Aufgreifbarkeit selbständig zu beurteilen (vgl 7 Ob 110/08i = RIS‑Justiz RS0124348).

2.2. Hat sich das Erstgericht – wie hier – mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt, ist der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Ersturteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auch ohne Zulassungsausspruch mit Vollrekurs an den Obersten Gerichtshof anfechtbar (4 Ob 91/16k mwN). Dies ist auch dann der Fall, wenn durch den Wechsel der Verfahrensart keine Veränderung in der materiellen Anspruchsgrundlage eintritt (4 Ob 91/16k = RIS‑Justiz RS0043890 [T2]).

II. Zur Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn:

Das Erstgericht verwarf mit Beschluss die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn. Das Berufungsgericht billigte diese Ansicht in seiner Begründung. Es liegt daher eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN über die Zulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn vor (RIS‑Justiz RS0039799 ua). Jene Ausführungen des Rekurses, die neuerlich versuchen, die Verfolgung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs aufzuzeigen, bedürfen daher keiner inhaltlichen Erwiderung.

III. Zur Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs:

1. Bei der Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, ist nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Parteienvorbringen abzustellen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen der das Verfahren einleitenden Partei (RIS‑Justiz RS0005861, RS0005896, RS0013639). Ohne Einfluss für diese Frage ist, was der Gegner einwendet, oder ob der behauptete Anspruch begründet ist (RIS‑Justiz RS0005861, RS0005896 [T12, T23], RS0013639). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RIS‑Justiz RS0012214). § 40a JN über die Überweisung ins außerstreitige Verfahren ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Verfahrens erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS‑Justiz RS0046245).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass mit dem Inkrafttreten des § 838a ABGB mit dem FamErbRÄG 2004 zu den ins außerstreitige Verfahren verwiesenen Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache und unmittelbar damit zusammenhängende Rechte und Pflichten auch Auseinandersetzungen gehören, denen eine Vereinbarung zwischen den Miteigentümern zugrunde liegt (RIS‑Justiz RS0013563 [T15]). Zudem wurde schon ausgesprochen, dass auch Feststellungsbegehren davon erfasst sind (vgl RIS‑Justiz RS0013563 [T16]). In der Entscheidung 9 Ob 7/12p wurde in einem Verfahren zwischen Miteigentümern ua die Feststellung eines Alleinnutzungsrechts aufgrund einer Benützungsvereinbarung der Miteigentümer dem außerstreitigen Verfahren zugewiesen. Bereits zuvor hatte der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 233/10y in einem Verfahren zwischen Hälfteeigentümern ausgesprochen, dass über die Feststellung eines Alleinnutzungsrechts infolge einer (behaupteten) zwischen ihnen begründeten obligatorischen Dienstbarkeit im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist. Damit steht die Verweisung auf den streitigen Rechtsweg in der Entscheidung 5 Ob 46/14x nicht in Widerspruch, brachte doch dort der Antragsteller, der damals nicht Eigentümer war, vor, vom früheren Eigentümer ein Benützungsrecht im Rahmen eines Bestandverhältnisses eingeräumt erhalten zu haben.

3. Im vorliegenden Verfahren zwischen Mit- und Wohnungseigentümern behaupten die Kläger ein auf sie übergegangenes Alleinnutzungsrecht aufgrund einer zwischen den damaligen Mit‑ und Wohnungseigentümern abgeschlossenen Benützungsvereinbarung. Dieses Begehren hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der vorangeführten Judikatur zutreffend dem außerstreitigen Verfahren zugewiesen.

4. Für den geltend gemachten Anspruch ist ein Schlichtungsstellenverfahren nicht vorgesehen.

IV. Ergebnis und Kosten:

1. Der Rekurs war daher im Umfang der Bekämpfung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts zurückzuweisen. Im Übrigen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

2. Die Kostenentscheidung, die sich im Zwischenverfahren nach § 40a JN nach jener Verfahrensart richtet, die in dem das Verfahren einleitenden Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet wurde (RIS‑Justiz RS0046245), gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO. Durch Rekurs und Rekursbeantwortung ist ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs entstanden, in dem die Kläger obsiegt haben. Diese haben auch auf die Unzulässigkeit der Bekämpfung der Kostenentscheidung hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte