OGH 3Ob14/17f

OGH3Ob14/17f29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowiedie Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt, Wels, Eisenhowerstraße 40, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des M*, vertreten durch die Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei L* KG, *, vertreten durch die Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, wegen Widerspruchs gegen die Zuweisung von 42.358,07 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. November 2016, GZ 1 R 173/16s‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. September 2016, GZ 1 Cg 19/16p‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E117784

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.214 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 369 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

M* (in Hinkunft: Schuldner) verpflichtete sich mit gerichtlichem Vergleich vom 12. April 2012 zur Zahlung von 137.070,83 EUR sA an die Beklagte. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde der Beklagten mit Beschluss vom 10. Juli 2012 die zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob einer dem Schuldner gehörenden Liegenschaft bewilligt. Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 3. April 2013 das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Masseverwalter. Die Beklagte meldete ihre Forderung im Konkursverfahren an und diese wurde vom Kläger anerkannt. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2015 genehmigte das Erstgericht die freiwillige Veräußerung der Liegenschaft des Schuldners, welche um 581.900 EUR erfolgte. Bei der diese Sondermasse betreffenden Verteilungstagsatzung vom 19. April 2016 beantragte die Beklagte die Zuweisung von 42.358,07 EUR sA zur teilweisen Berichtigung ihres Pfandrechts. Der Kläger erhob gegen die Zuweisung dieses Betrags an die Beklagte Widerspruch mit der Begründung, der Erwerb des zwangsweisen Pfandrechts stelle eine inkongruente Gläubigerdeckung dar und sei den anderen Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Der noch zur Verteilung stehende Betrag sei der allgemeinen Masse zuzuweisen. Mit Verteilungsbeschluss vom 19. April 2015 wies das Erstgericht der Beklagten 42.358,07 EUR sA zu. Den Widerspruch des Klägers verwies es auf den Rechtsweg.

Mit der am 13. Mai 2016 eingebrachten Widerspruchsklage begehrt der Kläger, dem Widerspruch Folge zu geben, gegenüber der Beklagten festzustellen, dass die im Verteilungsbeschluss an diese erfolgte Zuweisung nicht zu Recht bestehe, und dessen Abänderung durch Zuweisung von 42.358,07 EUR sA an ihn zur Vereinnahmung in die allgemeine Masse. Die Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO gelte für die vorliegenden Defensivhandlungen des Masseverwalters nicht.

Die Beklagte wendete ua ein, die Frist zur Anfechtung des Zwangspfandrechts nach § 43 Abs 2 IO sei längst abgelaufen.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Anfechtungsanspruch des Klägers präkludiert sei. Mit der Widerspruchsklage mache er angriffsweise einen selbständigen Anspruch auf Entscheidung über den Anfechtungssachverhalt geltend.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision zu. Dem Begriff „Klage“ in § 43 Abs 1 IO unterfalle auch der Anfechtungswiderspruch im Exekutionsverfahren. Entgegen der in der Literatur vertretenen Meinung, es handle sich dabei um eine abwehrende Einrede, schließe sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichts an, das von einer angriffsweisen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs ausgegangen sei. Der Kläger gehe als Masseverwalter aktiv mit Widerspruchsklage gegen die Beklagte vor, mit der er eine Entscheidung über die Anfechtung des zwangsweise begründeten und einverleibten Pfandrechts begehre. Auch wenn sich der Veräußerungserlös(‑rest) auf einem Treuhandkonto des Klägers befinde, sei seine Widerspruchsklage nicht bloß eine Maßnahme der Abwehr. Er wolle damit erreichen, dass der restliche Erlös entgegen der vom Gericht vorgenommenen Zuweisung an die Beklagte, die er als Masseverwalter zu vollziehen hätte, der Insolvenzmasse zufalle. Unter diesen Umständen könne von einer Verfügungsmacht des Klägers über den auf das strittige Pfandrecht entfallenden Betrag nicht ausgegangen werden. Andernfalls würde die Beklagte mehr als drei Jahre nach Konkurseröffnung einer Anfechtung ausgesetzt sein, obwohl eine Anfechtungsklage längst möglich gewesen wäre. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob es sich bei der Widerspruchsklage um eine Anfechtung durch Klage handelt, die gemäß § 43 Abs 2 IO binnen eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden müsse.

Mit seiner Revision strebt der Kläger die Abänderung im Sinn der Stattgebung der Klage an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Widerspruch sei schon einredeweise in der Meistbotsverteilungstagsatzung erklärt worden. Er befinde sich nach wie vor im Besitz des strittigen Meistbotsanteils, weil es auf seinem Treuhandkonto liege; damit sei dieser Bestandteil der Masse, der in der Verfügungsmacht des Masseverwalters stehe. Da die Widerspruchsklage somit eine verteidigende Klage gegen die Herausgabeverpflichtung laut Meistbotsverteilungsbeschluss sei, könne er auch nach Ablauf der Jahresfrist die Herausgabe des Meistbots verweigern. Sie sei keine Anfechtungsklage, sondern eine Klage des Exekutionsrechts, die den Streit über die Rechtmäßigkeit einer Zuweisung eines Teils des Meistbots zum Gegenstand habe. Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen hinge die Durchsetzung des einredeweise erhobenen Anfechtungsanspruchs davon ab, ob eine Verweisung des Widerspruchs auf den Rechtsweg erforderlich sei; wäre das nicht der Fall, stelle sich die Frage nach der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO gar nicht.

In ihrer Revisionsbeantwortung bestreitet die Beklagte sowohl die Zulässigkeit als auch die inhaltliche Berechtigung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Abs 1 und 2 des § 43 IO lauten:

„(1) Die Anfechtung kann durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden.

(2) Die Anfechtung durch Klage muss bei sonstigem Erlöschen des Anspruches binnen Jahresfrist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. [...]“

Die Frist des § 43 Abs 2 IO ist eine materiell‑rechtliche Ausschlussfrist (Präklusivfrist), deren Ablauf von Amts wegen zu beachten ist (RIS‑Justiz RS0064658; RS0064691).

2. Während § 10 AnfO – als Ausnahme von der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzung der Vollstreckbarkeit der Forderung des Anfechtenden (§ 8 AnfO) – ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, die Anfechtung im Verfahren zur Verteilung eines im Wege der Zwangsvollstreckung erzielten Erlöses vorzunehmen (s RIS‑Justiz RS0003315; 3 Ob 82/74; Neumayr/Nunner‑Krautgasser Exekutionsrecht³ [2011] 324), findet sich in der IO keine Bestimmung dieses Inhalts. Dennoch wird der sogenannte Anfechtungswiderspruch als selbständige Form der Ausübung des Anfechtungsrechts auch nach der IO (KO) angesehen (SZ 8/214; 3 Ob 564/78; König Anfechtung5 [2014] Rz 17/50; Holzhammer Österreichisches Insolvenzrecht5 [1996] 98; Petschek/Reimer/Schiemer Das österreichische Insolvenzrecht [1973] 418), der auch im Verteilungsverfahren nach der freihändigen Verwertung zulässig ist (Riel in Konecny/Schubert InsolvenzG [2001] § 120 KO Rz 42; Rebernig in Konecny/Schubert InsolvenzG [2006] § 43 KO Rz 12).

3. Die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Klage“ und „Einrede“ in § 43 Abs 1 IO ist wesentlich, weil die Anfechtung durch Einrede an die einjährige Frist des § 43 Abs 2 IO nicht gebunden ist (RIS‑Justiz RS0064680).

3.1. Der Ausgangspunkt für diese Befristung gemäß § 43 Abs 2 IO liegt im Sicherungsbedürfnis des Rechtsverkehrs (8 Ob 668/86; König Rz 17/62). Wer von dem Schuldner etwas erworben hat, soll sich darauf verlassen können, dass er später als ein Jahr nach Konkurseröffnung der Anfechtungsklage nicht mehr ausgesetzt ist. Anders sollte es sein, wenn eine infolge Ablaufs der Anfechtungsfrist an sich verlustig gegangene Rechtsstellung durch Gewährung einer Einrede dann gewahrt wird, wenn noch nicht geleistet ist und der Anfechtungsgegner von dem Anfechtungsberechtigten Erfüllung der anfechtbaren Verbindlichkeit fordert. Es kommt also im Grunde darauf an, ob es sich um eine angriffsweise Rechtswahrung handelt, die innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 KO zu erfolgen hat, oder um eine solche defensiver Art, für die die Jahresfrist nicht gilt (8 Ob 668/86; 8 Ob 621/89; 2 Ob 114/99z; RIS‑Justiz RS0064680 [T1 und T2]).

3.2. Der Begriff „Klage“ steht in § 43 Abs 1 IO stellvertretend für alle Angriffsmittel, die einen selbständigen Anspruch auf Entscheidung über den Anfechtungssachverhalt hervorrufen (König Rz 17/15). Unter dem ebenso weit zu verstehenden Begriff „Einrede“ sind sämtliche Maßnahmen der Abwehr eines gegnerischen Anspruchs mit Hilfe der Anfechtungstatbestände zu verstehen (König Rz 17/45; Rebernig InsolvenzG § 43 KO Rz 12), nicht also die Einwendung allgemeiner Rechtsgründe (4 Ob 548/88), sondern der Gebrauch eines Einrederechts am Prozessgegenstand selbst (8 Ob 6/91 = RIS‑Justiz RS0064661). Wird die Anfechtung durch Einrede geltend gemacht, so gilt die Jahresfrist nur dann nicht, wenn die einredeweise Geltendmachung nicht angriffsweise erfolgt (8 Ob 621/89; 2 Ob 114/99z). Im gegebenen Zusammenhang bedeutet dies somit, dass eine angriffsweise Rechtswahrung die Erhebung einer Klage nicht zwingend voraussetzt.

3.3. In der Entscheidung 5 Ob 9/62 (ÖBA 1965, 167) wurde wie folgt unterschieden: Während die Anfechtungsklage nur dann in Betracht komme, wenn der Gegner etwas in die Masse zu leisten habe, komme die Anfechtung durch Einrede nur dann in Frage, wenn der Gegner eine Leistung aus der Konkursmasse verlange; in diesen Fällen sei der Masseverwalter nicht an die Frist gebunden (RIS‑Justiz RS0064680). Der Oberste Gerichtshof gelangte zum Ergebnis, der Anfechtungseinrede des Masseverwalters stehe der Ablauf der Frist des § 43 Abs 2 KO nicht entgegen, weil der Masseverwalter von der klagenden Partei keine Leistung in die Masse zu fordern gehabt hätte und eine Anfechtungsklage daher nicht in Betracht gekommen wäre.

Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung handelt es sich bei der Anfechtungsklage allerdings um eine Rechtsgestaltungsklage (vgl RIS‑Justiz RS0064580 [T1 bis T3]; 6 Ob 2341/96z); ein Rechtsgestaltungsbegehren ist aber nur notwendig, wenn der Anfechtungsgegner zu einer Leistung nicht verpflichtet ist und daher nur eine vom Schuldner vorgenommene Rechtshandlung für unwirksam erklärt werden soll, also kein Leistungsbegehren gestellt werden kann (RIS‑Justiz RS0064373 [insb T3]). Da die Entscheidung 5 Ob 9/62 somit auf der überholten Rechtsansicht beruht, die Anfechtungsklage sei nur dann möglich, wenn der Gegner etwas in die Masse zu leisten habe, ist sie nicht mehr einschlägig.

4. Zum Anfechtungswiderspruch nach § 10 AnfO besteht bereits Rechtsprechung. So stellte die Entscheidung 3 Ob 82/74 klar, dass sich die Form der Geltendmachung dieser Anfechtung im Meistbotsverteilungsverfahren nach den Regeln des Exekutionsrechts richtet und daher mittels Widerspruchs bei der Verteilungstagsatzung geltend zu machen ist (RIS‑Justiz RS0003117); ist der eine Anfechtung geltend machende Widerspruchswerber auf den Rechtsweg zu verweisen, so ist gleichviel die Anfechtung bereits mit der Erhebung des Widerspruchs geltend gemacht, wenn der Widerspruch in die Anfechtungsfrist fiel (RIS‑Justiz RS0003338). Die Entscheidung 3 Ob 145/99s (= RIS‑Justiz RS0003315 [T2]) hielt (obiter) fest, dass die zweijährige Frist des § 2 Z 2 AnfO durch Erhebung des Widerspruchs bei der Meistbotsverteilung gewahrt ist.

Neumayr/Nunner‑Krautgasser (Exekutionsrecht³ 324) weisen darauf hin, dass der Anfechtungsgläubiger– anders als beim exekutionsrechtlichen Widerspruch nach § 213 EO – die Nachfolge in die bestrittene Forderung anstrebe, weshalb er auch nicht Ausfallsbeteiligter sei (aA Lecher in Burgstaller/Deixler‑Hübner Exekutionsordnung [2001] §§ 212–214 Rz 25).

5. Hier stellt sich jedoch die – in der Judikatur noch nicht beantwortete – Frage, ob der Widerspruch wegen Anfechtungsgründen nach der IO und/oder eine im Anschluss daran (§ 231 EO) notwendig gewordene Widerspruchsklage als Angriff oder als Abwehr im soeben dargestellten Sinn zu behandeln und deshalb innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss.

6. In der Lehre werden zum Anfechtungswiderspruch nach der IO (KO) folgende Standpunkte vertreten:

6.1.  Petschek/Reimer/Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht 417 ff) führen aus, eine „Einrede“ sei dort gegeben, wo nicht die Konkursmasse die Beseitigung der ihr aus einem abgeschlossenen Vorgang erwachsenen Benachteiligung anstrebe, sondern vielmehr ihrer Vollendung entgegentrete. Da die Konkursmasse den Zeitpunkt des Exekutionsangriffs nicht festzusetzen vermöge, wäre es unangemessen, für ihre Klage die Befristung nach § 43 Abs 2 KO aufzustellen. Die Ausübung des Anfechtungsrechts in einem Verteilungsverfahren geschehe schon durch den Widerspruch selbst, sodass schon er die Frist des § 43 Abs 2 KO wahre. Es schade dann nicht, wenn die anschließende Klage zur Ausführung des Widerspruchs binnen der Monatsfrist nach § 231 Abs 2 EO nach Ablauf der Jahresfrist des § 43 Abs 2 KO eingebracht werde. Werde die Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO versäumt, hindere dies die Überreichung der Anfechtungsklage innerhalb der Jahresfrist nicht. Der Anfechtungswiderspruch borge zwar die exekutionsrechtlichen Formen, sei aber in Natur und Ziel vom exekutionsrechtlichen Widerspruch verschieden. Er strebe nicht – wie dieser – nur die Abwehr des fremden Vollstreckungsteilnahmeanspruchs (und als Widerspruchs-klage die negative Feststellung des fremden materiellen Rechts) an, sondern die Sukzession der Konkursmasse in jenen Teilnahmeanspruch und die Ausführungsklage überdies eine Rechtsgestaltung.

6.2.  Hoyer (Zu den Anfechtungstatbeständen des § 31 Abs 1 Z 2 KO, ÖJZ 1982, 376 [386]) vertritt die Auffassung, dass nur die Anspruchserhebung durch Klage, nicht aber durch Einrede an die Frist des § 43 Abs 2 KO gebunden sei. Letzteres gelte aber nicht für das Geltendmachen des Anfechtungsanspruchs durch Widerspruch (§ 231 EO); dort werde die Frist des § 43 Abs 2 KO durch den Widerspruch jedoch gewahrt, sofern der Widerspruch nicht mit Klage innert der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO ausgeführt werden müsse; die Einhaltung dieser Frist wahre auch die des § 43 Abs 2 KO; dies wegen der (exekutions‑)verfahrensrechtlichen Einheit von Widerspruch und Ausführungsklage. Werde die Frist des § 231 Abs 2 EO bei strittigem Widerspruch versäumt, so müsse die Klage innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 KO erhoben werden.

6.3.  Holzhammer (Österreichisches Insolvenz-recht5 98) lehrt, der Anfechtungswiderspruch richte sich zwar nach den exekutionsrechtlichen Formvorschriften, unterscheide sich aber vom exekutionsrechtlichen Widerspruch dadurch, dass der Masseverwalter kein nachrückender Ausfallsbeteiligter sei, sondern unmittelbar in die bestrittene Post des Anfechtungsgegners einrücke; scheitere der Masseverwalter, könne er innerhalb der Jahresfrist noch die Anfechtungsklage einbringen.

6.4. Nach Koziol/Bollenberger (in Bartsch/Buchegger/Pollak 4 § 43 KO Rz 8 ff) liege eine Geltendmachung durch nicht fristgebundene Einrede dann vor, wenn nicht die Beseitigung einer abgeschlossenen Benachteiligung, sondern deren Vollendung entgegengetreten werde. Zur angriffsweisen Geltendmachung zähle auch die Konkursanfechtung durch Widerspruch bei der Meistbotsverteilung; dieser Anfechtungswiderspruch wahre die Frist des § 43 Abs 2 KO.

6.5. Auch Riel (InsolvenzG § 120 KO Rz 42) geht davon aus, dass der Widerspruch die Frist des § 43 Abs 2 KO wahrt.

6.6.  Rebernig (InsolvenzG § 43 KO Rz 23) vertritt, die einjährige Präklusivfrist gelte dort, wo der Masseverwalter alleine keine Verfügungsmacht über den Leistungsgegenstand habe, er also den Leistungsanspruch nach § 39 Abs 1 KO benötige, um eine Verwertung zugunsten der Masse herbeiführen zu können. Habe der Masseverwalter hingegen die Möglichkeit zur Verwertung der Sache, etwa weil er sich (wieder) im Besitz des vom Gemeinschuldner anfechtbar übertragenen Gegenstands befinde, bedürfe es keiner Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs binnen Jahresfrist. Der Masseverwalter könne die Herausgabe der Sache oder die Erfüllung sonstiger Leistungspflichten (Wertersatz) unter Hinweis auf die haftungsrechtliche Unwirksamkeit der früheren Übertragung verweigern; diese Einrede sei nicht fristgebunden (Rz 26). Der vom Masseverwalter auf die Anfechtungsbestimmungen der KO gestützte Widerspruch bei der Verteilungstagsatzung (auch nach einem Freihandverkauf vor dem Konkursgericht) sei als Einrede anzusehen; denn auch hier wende sich der Masseverwalter unter Berufung auf den anfechtbaren Rechtserwerb gegen eine Zuweisung aus dem Verwertungserlös an den Gläubiger; sein Widerspruch diene der Abwehr der angemeldeten Forderung (Rz 12).

6.7. Nach Clavora/Kapp (Zur einredeweisen Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen gemäß § 43 IO im Widerspruch in der Meistbotsverteilung [§ 213 EO] ZIK 2012, 131 [133]) handle es sich bei der im Widerspruch erhobenen Einrede iSd § 43 Abs 2 IO aufgrund eines Anfechtungstatbestands (zumindest) in Ansehung der Bestellung eines Pfandrechts zur Besicherung einer bestehenden Forderung unabhängig davon, ob eine Widerspruchsklage erhoben werden müsse oder nicht, um eine solche verteidigungsweiser, defensiver Art; sie diene der Rechtswahrung, weil sich die Liegenschaft und mithin der daraus erzielte Verwertungserlös jedenfalls in der Sphäre der Insolvenzmasse befinde.

6.8. Demgegenüber zählt König (Anfechtung5) zu den Angriffsmitteln, für die die Frist des § 43 Abs 2 IO maßgebend ist, neben der Klage ua ausdrücklich auch den Anfechtungswiderspruch im Exekutionsverfahren (Rz 17/15). Dieser sei zu einer selbstständigen Form der Ausübung des Anfechtungsrechts geworden, weil der Widerspruch, mit dem der Anfechtungsanspruch geltend gemacht werde, im exekutiven Verteilungsverfahren nicht nur eine Ankündigung einer Anfechtungsabsicht darstelle, sondern selbst schon eine Entscheidungspflicht des Exekutionsgerichts auslösen könne. Formell benütze diese Anfechtungsart zwar ein bestehendes exekutionsrechtliches Instrument, inhaltlich richte er sich aber nicht – wie sonst – allein auf Abwehr des vollstreckungsrechtlichen Teilnahmeanspruchs, sondern begehre überhaupt die Sukzession der Konkursmasse in den Teilnahmeanspruch; dies bedeute, dass der auf die Hypothek entfallende Erlös der Insolvenzmasse zufalle (Rz 17/50 f). Die Erhebung des Anfechtungswiderspruchs im Vollstreckungsverfahren wahre die Frist des § 43 Abs 2 IO. Werde bei Verweisung auf den streitigen Rechtsweg die Monatsfrist versäumt, sei der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, wenn die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen sei (Rz 17/84).

7. Der erkennende Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Lehrmeinung an, wonach der Anfechtungswiderspruch im Exekutions‑/Verteilungsverfahren eine angriffsweise Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs darstellt, innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss und diese Frist wahrt:

7.1. Die Verteilung des Erlöses aus der freihändigen Verwertung obliegt dem Insolvenzgericht, das die Vorschriften der Exekutionsordnung anzuwenden hat; der Erlös ist in einer amtswegig durchzuführenden Verteilungstagsatzung unter Berücksichtigung der Verteilungsvorschriften der Exekutionsordnung im vom Insolvenzgericht zu fassenden Verteilungsbeschluss zu verteilen (RIS‑Justiz RS0003046 [T2]; RS0003381 [T1]; 8 Ob 271/00m = SZ 74/104; jüngst 3 Ob 167/16d).

7.2. Dementsprechend kann die Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs nach der IO – ebenso wie nach der AnfO (s oben Punkt 4.) – gegen die Zuweisung an einen Absonderungsberechtigten durch Erhebung eines Widerspruchs erfolgen (Angst in Angst/Oberhammer³ § 213 EO Rz 1), da eine Entscheidung darüber nach § 231 Abs 1 EO bereits in der Verteilungstagsatzung möglich ist, es also nicht stets zur Erhebung der Widerspruchsklage kommen muss.

7.3. Im Meistbotsverteilungsverfahren wird nur über Teilnahmeansprüche (also über den verfahrensrechtlichen Anspruch auf Zuweisung aus dem Meistbot), nicht aber über den materiell‑rechtlichen Anspruch des einzelnen Gläubigers entschieden (RIS‑Justiz RS0050034 [T1]; RS0112647; Angst § 231 Rz 17). Somit dient der Widerspruch nach § 213 Abs 1 EO nur der Abwehr des vollstreckungsrechtlichen Teilnahmeanspruchs (König, Anfechtung5 Rz 17/51). Daher ist die Klage zur Ausführung des Widerspruchs nach § 231 EO auf die Feststellung gerichtet, dass ein oder mehrere fremde Teilnahmeansprüche nach Rang, Grund oder Höhe nicht zu Recht bestehen; es handelt sich also um eine negative Feststellungsklage betreffend die Teilnahmeansprüche des beklagten Gläubigers (RIS‑Justiz RS0003324 [insb T1 und T2]). Darüber, ob der Kläger einen Teilnahmeanspruch hat, ist hingegen nicht zu entscheiden. Ein über die Feststellung des Nichtzurechtbestehens der Zuweisung im Verteilungs-beschluss hinausgehendes Begehren auf Änderung des Verteilungsbeschlusses ist mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut des § 233 Abs 1 EO, der ein darauf gerichtetes Begehren entbehrlich macht, nicht erforderlich (Angst § 231 EO Rz 7). Gemäß § 232 Abs 2 EO ist das Urteil, das über eine Widerspruchsklage ergeht, für und gegen sämtliche beteiligte Gläubiger und Berechtigte sowie den Verpflichteten wirksam. Der durch die Stattgebung der Klage frei gewordene Betrag aus der Verteilungsmasse ist den nachfolgenden Berechtigten nach ihrer Priorität zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, ob sie geklagt haben oder nicht (RIS‑Justiz RS0003372; 3 Ob 167/16d = RS0131159).

7.4. Davon unterscheidet sich der Anfechtungsanspruch nach der IO mehrfach.

Die Anfechtung beseitigt nur gegenüber den Insolvenzgläubigern die Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung; allen anderen Rechtsgenossen gegenüber behält die für unwirksam erklärte Rechtshandlung ihre Wirkungen (König Rz 2/11 mwN), weshalb die erweiterte Rechtskraftwirkung des § 232 Abs 2 EO nicht Platz greift (Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 419).

Wenn daher der Insolvenzverwalter eine dingliche Belastung (vertragsmäßiges oder richterliches Pfandrecht) anficht, kann das Ergebnis nie eine Löschung der Hypothek und damit ein Nachrücken der folgenden Pfandgläubiger sein (RIS‑Justiz RS0064594; König Rz 2/12). Das bedeutet, dass der auf die Hypothek entfallende Erlös der Insolvenzmasse zufällt (König Rz 17/51). Mit dem auf einen Anfechtungstatbestand (hier § 30 IO) gestützten Widerspruch wird daher – anders als sonst – nicht bloß die Abwehr eines vollstreckungsrechtlichen Teilnahmeanspruchs eines Gläubigers an der Sondermasse und die Erreichung dessen (teilweisen) Ausfalls und die nachfolgende Neuverteilung des freigewordenen Teils der Sondermasse nach der bücherlichen Rangordnung angestrebt, sondern unabhängig davon die Zuweisung des auf das angefochtene Absonderungsrecht entfallenden Anteils am Veräußerungserlös an die Insolvenzmasse (Petschek/Reimer/Schiemer, 419; Holzhammer Österreichisches Insolvenzrecht5 98; König Rz 17/51).

Dementsprechend begehrt der Kläger in seiner Widerspruchsklage nicht nur ein negatives Feststellungsurteil, sondern auch die Abänderung des Verteilungsbeschlusses im Sinne einer Zuweisung des strittigen Betrags an die „allgemeine Masse im Konkurs [des Schuldners]“, was der Erhebung eines Leistungsbegehrens zugunsten der Insolvenzmasse entspricht.

7.5. Daher kann beim Anfechtungswiderspruch nicht mehr von einem bloß ein Absonderungsrecht abwehrenden Vorgehen gesprochen werden; dieses ist vielmehr auf eine Entscheidung über den behaupteten Anfechtungssachverhalt (sei es schon im Meistbotsverteilungsbeschluss, sei es erst im Urteil über eine notwendig gewordene Widerspruchsklage [§ 231 Abs 1 EO]) gerichtet und strebt eine Leistung an die allgemeine Insolvenzmasse an. Das gewünschte Ergebnis entspricht daher jenem einer Anfechtungsklage, also einer angriffsweisen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs.

7.6. Somit muss der Insolvenzverwalter auch bei der Erhebung des Anfechtungswiderspruchs die Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO einhalten, widrigenfalls sein Anfechtungsanspruch erloschen ist.

Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg bleibt es bei der Fristwahrung durch einen rechtzeitigen Anfechtungswiderspruch nur dann, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde, und zwar – wegen der Einheit von Widerspruch und Ausführungsklage – selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen sein sollte. Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, wenn die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist (Petschek/Reimer/Schiemer, 418; Hoyer ÖJZ 1982, 386; König Rz 17/84).

8. Die Vorinstanzen sind somit zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Kläger mit seinem Widerspruch vom 19. April 2016 geltend gemachte Anfechtungsanspruch nach § 30 IO angesichts der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits mit Beschluss vom 3. April 2013 längst präkludiert und die Widerspruchsklage deshalb – als in der Sache nicht berechtigt – abzuweisen war (König Rz 17/63; vgl 1 Ob 546/85 = RIS‑Justiz RS0041558).

9. Den Einwänden des Klägers in der Revision, in der er (zu Recht) nicht ins Treffen führt, es wäre ihm eine rechtzeitige Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs nicht möglich gewesen, ist noch Folgendes zu erwidern:

9.1. Die Rechtsansicht des Klägers, ihm komme als Masseverwalter die Verfügungsbefugnis über den auf einem Treuhandkonto erliegenden Verteilungserlöses zu, ist unzutreffend. Die Verteilung des Erlöses aus der freihändigen Verwertung – wie bereits erwähnt – ist Sache des Insolvenzgerichts; der Kläger hatte den gerichtlichen Verteilungsbeschluss betreffend die Sondermasse nur zu vollziehen und dies dem Insolvenzgericht nachzuweisen (Riel, InsolvenzG § 120 KO Rz 48).

9.2. Da die Ausübung des Anfechtungsrechts bereits durch den Widerspruch iSd § 213 EO erfolgt, kommt es nicht darauf an, ob der Insolvenzverwalter auf den Rechtsweg verwiesen wird oder nicht.

9.3. Auchdie Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses, mit dem der Kläger auf den Rechtsweg verwiesen wurde (obwohl die rechtliche Beurteilung des Erlöschens des Anfechtungsanspruchs nach § 43 Abs 2 IO bereits in der Verteilungstagsatzung möglich war), steht der Wahrnehmung der Präklusion im Prozess über die Widerspruchsklage nicht entgegen. Damit war für das Gericht im Verfahren über die Widerspruchsklage nämlich nur die Widerspruchsbefugnis des Klägers bindend geklärt, nicht jedoch die Frage, ob die Klage auch materiell berechtigt ist (3 Ob 167/16d; RIS‑Justiz RS0003198).

10. Zusammenfassend ist daher folgender Rechtssatz zu formulieren:

Der sogenannte Anfechtungswiderspruch ist eine selbständige Form der Ausübung des Anfechtungsrechts auch nach der IO. Dessen Geltendmachung durch Erhebung eines solchen Widerspruchs iSd § 213 Abs 1 EO steht dem Insolvenzverwalter sowohl in der Meistbotsverteilungs-tagsatzung als auch in der Tagsatzung zur Verteilung nach der freihändigen Verwertung nach § 120 IO offen. Es handelt sich dabei um eine angriffsweise Rechtswahrung, weshalb der Widerspruch innerhalb der Präklusivfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss. Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg nach § 231 Abs 1 EO hat die Fristwahrung nur dann Bestand, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde. Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, solange die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte