European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00202.16H.1220.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin, deren Verbrauchereigenschaft im Verfahren nicht bestritten wurde, hatte die Beklagte 2007 mit der Neueindeckung eines Daches beauftragt. Nach ihren AGB gewährleistete die Beklagte
„eine dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Fehlerfreiheit des Werkes in Werkstoff und Verarbeitung, jedoch jeweils nur im Rahmen der von den Herstellern (…) angegebenen Produkteigenschaften bzw im Rahmen jener Eigenschaften, die bei sachgerechter und zweckbedingter Anwendung an die Produkte gestellt werden, während der Dauer der gesetzlichen Fristen.“
Weiters sahen die AGB vor, dass Erklärungen von Mitarbeitern der Beklagten nur bei schriftlicher Bestätigung durch die Beklagte verbindlich seien.
Die Beklagte errichtete das Dach im Oktober 2007. Die Dachziegel bezog sie von der Erstnebenintervenientin, diese bezog sie von der Zweitnebenintervenientin. Im Herbst 2013 fielen der Klägerin Verfärbungen der Dachziegel auf. Diese weisen zahlreiche Risse auf, durch die Wasser eintreten kann; dadurch ist die Substanz des Dachstuhls gefährdet. Die Risse sind entweder auf einen Produktionsfehler oder auf die fehlende Eignung des Materials für die klimatischen Verhältnisse am Ort des Einbaus zurückzuführen. Die Mangelhaftigkeit war beim Einbau nicht erkennbar.
Die Klägerin begehrt die Verbesserung durch Neueindeckung des Daches und Zahlung von 500 EUR als pauschale Unkosten. Es liege ein Mangel im Sinn des Gewährleistungsrechts vor. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe ihr zugesichert, dass das Dach jahrzehntelang halten würde, daher beginne die Gewährleistungsfrist erst mit Erkennbarkeit des Mangels zu laufen. Das Begehren werde auch auf Schadenersatz gestützt.
Die Beklagte bestritt die Zusicherung einer jahrzehntelangen Haltbarkeit. Zudem sähen ihre AGB vor, dass Erklärungen von Mitarbeitern nur bei schriftlicher Bestätigung durch die Beklagte verbindlich seien. Daher habe die Gewährleistungsfrist mit der Erfüllung des Vertrags zu laufen begonnen. Die mehr als drei Jahre danach eingebrachte Klage sei verfristet. Die Beklagte habe die allfällige Mangelhaftigkeit der Dachziegel nicht erkennen können, weswegen sie kein Verschulden treffe. Eine allfällige Verbesserung dürfe nicht zu einer Bereicherung der Klägerin führen (Einwand „neu für alt“).
Die Nebenintervenienten schlossen sich diesem Vorbringen im Wesentlichen an.
Das Erstgericht gab dem Begehren auf Verbesserung statt und wies das Zahlungsbegehren ab. Da ein verdeckter Mangel vorgelegen sei, beginne die Gewährleistungsfrist auch dann erst mit dessen Erkennbarkeit zu laufen, wenn der Unternehmer keine bestimmte Eigenschaft zugesichert habe. Der Einwand „neu für alt“ greife im Gewährleistungsrecht nicht. Feststellungen zum Vorbringen der Klägerin, dass ein Mitarbeiter der Beklagten eine bestimmte Haltbarkeit zugesichert habe, traf das Erstgericht nicht.
Die Beklagte erhob gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils Berufung, die Abweisung des Zahlungsbegehrens wurde rechtskräftig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu.
Anders als das Erstgericht folgte es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Gewährleistungsfrist nur bei ausdrücklicher Zusicherung bestimmter Eigenschaften erst mit Erkennbarkeit des Mangels beginne, während bei gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften die Ablieferung iSv § 933 Abs 1 ABGB maßgebend sei. Allerdings sei der eingangs zitierten Formulierung der AGB die ausdrückliche Zusicherung zu entnehmen, dass das verwendete Material zumindest jene Eigenschaften habe, die bei sachgerechter und zweckbedingter Anwendung davon erwartet werden könnten. Das sei bei Dachziegeln eine zumindest 20jährige Haltbarkeit. Die Revision sei zulässig, weil die Auslegung der AGB eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.
In ihrer Revision macht die Beklagte geltend, dass die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht verfehlt sei, weil die Gewährleistung danach ausdrücklich auf die „gesetzlichen Fristen“ beschränkt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die strittige Klausel wäre überflüssig, wenn man ihr den von der Beklagten vertretenen Inhalt unterstellte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Es ist daran festzuhalten, dass die Frist des § 933 Abs 1 ABGB auch bei verdeckten Mängeln in der Regel schon mit der Ablieferung beginnt.
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Erkennbarkeit des Mangels keine Voraussetzung für den Beginn des auf den Zeitpunkt der Übergabe abstellenden Fristenlaufs (RIS-Justiz RS0018937, RS0018982), außer es wurden besondere Sacheigenschaften zugesichert (RIS-Justiz RS0018982 [T10, T11], RS0018909). An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof trotz Kritik im Schrifttum (insb P. Bydlinski , Zum Beginn des Fristenlaufs im Gewährleistungsrecht, RdW 1986, 235, 239; ders in KBB 4 § 933 ABGB Rz 12; Böhler , Grundwertungen zur Mängelrüge [2000] 53; Reischauer in Rummel 3 § 933 ABGB Rz 3a) auch für sich typischerweise erst nach mehreren Jahren zeigende Materialfehler festgehalten (2 Ob 535/90 SZ 63/171 [Korrosion eines Boilers aufgrund eines Materialfehlers]; 7 Ob 2129/96f [Deckenelemente]; 3 Ob 150/04m [Abblättern von Farbe]; 6 Ob 94/09f [mangelnde Imprägnierung]).
1.2. Das auch in der jüngeren Lehre (vgl zuletzt ausführlich Koziol , Obsoleszenzen im österreichischen Recht [2016] Rz 126 ff) geforderte generelle Hinausschieben des Fristbeginns bei verdeckten Mängeln widerspräche dem klaren Gesetzeswortlaut, der zwischen Sachmängeln (Ablieferung) und Rechtsmängeln (Erkennen) differenziert. Aus den Materialien zur Gewährleistungsreform (RV 422 BlgNR XXI. GP 20) ergibt sich, dass sich der Gesetzgeber auch bei verborgenen Sachmängeln bewusst gegen ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit entschieden hat: Die „darin in manchen Fällen für den Übernehmer gelegene Härte“ werde durch die deutliche Verlängerung der Frist für bewegliche Sachen spürbar gemildert. Zwar sollte die Rechtsprechung zur Fristverlängerung bei Zusage einer bestimmten Eigenschaft, die nicht schon bei Übergabe feststellbar ist, weiter gelten (422 BlgNR XXI. GP 20), eine entsprechende Regelung für sonstige verdeckte Mängel wurde aber gerade nicht getroffen. Diese Differenzierung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unproblematisch, weil es dem Gesetzgeber freisteht, insofern eine typisierende Betrachtung anzustellen (VfGH G 418/2015).
2. Bei ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften beginnt die Gewährleistungsfrist zwar unter Umständen erst mit Erkennbarkeit des Mangels (1 Ob 122/99v, 3 Ob 150/04m 5 Ob 53/12y). Ein solcher Fall liegt hier aber nach den sicher getroffenen Feststellungen nicht vor.
2.1. Die Rechtsprechung gründet sich auf die Überlegung, dass dann, wenn das Fehlen einer ausdrücklich zugesicherten Eigenschaft während des Laufes der gesetzlichen Gewährleistungsfrist gar nicht hervorkommen kann, in der Zusicherung dieser Eigenschaft typischerweise eine stillschweigende Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist enthalten ist, weil die Zusicherung sonst für den Vertragspartner weitgehend wertlos wäre (2 Ob 528/53, SZ 26/282; 8 Ob 365/65; SZ 39/7; 7 Ob 604/82, SZ 55/151). Der Oberste Gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass eine solche stillschweigende Verlängerung nicht in Betracht kommt, wenn (trotzdem) eine bestimmte Gewährleistungsfrist ausdrücklich vereinbart wurde (7 Ob 604/82, SZ 55/151).
2.2. Ein solcher Fall liegt hier vor. Zwar könnte der Hinweis auf den „Stand der Technik“ in den AGB der Beklagten unter Umständen als Zusicherung einer Eigenschaft verstanden werden. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht jedoch die Regelung, wonach die Gewährleistungspflicht der Beklagten auch in diesem Fall auf die „Dauer der gesetzlichen Fristen“ beschränkt ist. Damit konnte die AGB‑Klausel in ihrer Gesamtheit nicht im Sinn eines Hinausschiebens des Beginns der Gewährleistungsfrist verstanden werden. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt die stattgebende Entscheidung daher nicht.
3. Somit kommt es aber entscheidend darauf an, ob der Mitarbeiter der Beklagten der Klägerin tatsächlich eine jahrzehntelange Haltbarkeit zugesagt hat. Die Wirksamkeit einer solchen Erklärung wäre durch den gegen § 10 Abs 3 KSchG verstoßenden Formvorbehalt in den AGB der Beklagten nicht berührt (7 Ob 131/06z, SZ 2007/2; RIS-Justiz RS0121954, RS0121435 [T3]). Die Zusage wäre als stillschweigende Verlängerung der Gewährleistungsfrist zu verstehen gewesen, weil sonst deren Nichteinhaltung sanktionslos bliebe. Dabei kann offen bleiben, welche konkrete Fristverlängerung ein redlicher Besteller aus einer pauschal auf jahrzehntelange Haltbarkeit gerichteten Erklärung ableiten könnte: Wird das Dach – wie hier – nach nur fünf Jahren undicht, ist die Frist jedenfalls noch offen.
4. Aus diesen Gründen sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, soweit nicht in Bezug auf die Abweisung des Zahlungsbegehrens Rechtskraft eingetreten ist, und die Rechtssache ist zur neuerlichen Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen. Es ist eine Feststellung (gegebenenfalls auch Negativfeststellung) zu treffen, ob der Mitarbeiter der Beklagten die behauptete Haltbarkeitszusicherung gemacht hat. Wenn ja, besteht der Verbesserungsanspruch zu Recht; ein Vorteilsausgleich (längere Haltbarkeit des verbesserten Dachs) findet im Gewährleistungsrecht nicht statt (RIS-Justiz RS0018699; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 932 Rz 73 mwN). Ein außergewöhnlicher Vorteil, der allenfalls eine andere Beurteilung nahelegen könnte (vgl Zöchling-Jud aaO, 6 Ob 134/08m), liegt bei der mangelbedingten Neuherstellung eines Dachs jedenfalls dann nicht vor, wenn diese schon im ersten Viertel der üblichen Lebensdauer notwendig wird. Gelingt hingegen der Klägerin der Beweis ihrer Behauptung nicht, wäre die Klage abzuweisen. Ob die bereits vorliegenden Beweisergebnisse für die Entscheidung ausreichen oder auch das Verfahren zu ergänzen ist, haben die Vorinstanzen zu beurteilen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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