European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00119.16H.1213.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Mitangeklagten Bedri Ra***** und Bashkim S***** enthält, wurden Ahmed R***** und Gazmend B***** jeweils der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./1./ und 2./) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (C./), R***** darüber hinaus auch des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (D./) schuldig erkannt.
Danach haben in I***** und andernorts – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –
A./ Ahmed R*****, Gazmend B***** und ein Unbekannter in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, indem sie
1./ am 6. Mai 2014 die in den Kellerräumlichkeiten des Wettlokals „K*****“ anwesenden Personen unter Vorhalt von Pistolen verbunden mit der Äußerung „Geld her!“ zur Herausgabe von Bargeld aufforderten und vom Lokalgast Mesrur K***** einen Bargeldbetrag in der Höhe von ca 50 bis 60 Euro erbeuteten;
2./ am 30. Juni 2014 in einem Restaurant die dort anwesende Reinigungskraft Delo M***** aufforderten, sich ruhig zu verhalten, weil „er sonst tot sein würde“, wobei einer der Täter die Ernsthaftigkeit dieser Androhung dadurch unterstrich, dass er M***** mittels eines Elektroschockgeräts am rechten Unterarm leicht verletzte, M***** sodann von einem der Täter so lange am Boden fixiert wurde, bis einer der anderen beiden Täter mit einem mitgebrachten Tresorschlüssel den Standtresor geöffnet und sich den darin verwahrten, im Eigentum von Gewahrsamsträgern der M***** B***** GmbH stehenden Bargeldbetrag von 22.061,19 Euro angeeignet hatte, und M***** sodann von den Tätern zur Gewährleistung einer ungehinderten Sicherung der Beute bzw ihrer Flucht mit einem Nylonsack gefesselt am Tatort zurückgelassen wurde;
C./ Ahmed R*****, Gazmend B***** und ein Unbekannter am 6. Mai 2014 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter unmittelbar vor der zu Punkt A./1./ angeführten Tathandlung die im Erdgeschoss des Wettlokals „K*****“ aufhältige Kellnerin Marina W***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem einer von ihnen ihr seine Pistole in den Rücken drückte und ihr zu verstehen gab, dass sie über die Stiege in den Keller gehen soll, zu einer Handlung, nämlich zum Vorangehen in den Keller des Wettlokals genötigt;
D./ …
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte R***** wendet sich gegen die Schuldsprüche A./2./ und C./ aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO, der Angeklagte B***** bekämpft die Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde.
1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:
Die zu C./ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a, dSn Z 10 – vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 652) wendet sich gegen die gesonderte Zurechnung der gegen Marina W***** gerichteten Drohung als das (neben dem schweren Raub nach §§ 142, 143 StGB [A./1./] begangene) Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB mit der Behauptung, es handle sich im konkreten Fall um eine „typische Begleittat“ des zum Nachteil „sämtlicher im Lokal befindlicher Personen geplanten Raubüberfalles“. Damit orientiert sich die Beschwerde aber nicht an den getroffenen Urteilsfeststellungen (US 9 ff), wonach es den Angeklagten darauf ankam, die Lokalgäste und das Inhaberehepaar Sa***** durch Vorhalten von Pistolen mit dem Tod zu bedrohen, um sie zur Herausgabe von Bargeld zu nötigen, während es ihnen – zeitlich vorgelagert – bei der im Erdgeschoss befindlichen Marina W***** darauf angekommen war, die Genannte durch Vorhalt einer Pistole gefährlich zu bedrohen und sie dadurch zum Vorangehen über die Stiege in den Keller zu nötigen (US 10). Diese – mit der Sachwegnahme nicht in Zusammenhang stehende – Nötigung der W***** war somit gegen eine andere Person und ein anderes Ziel als die letztlich beraubten Opfer gerichtet (RIS‑Justiz RS0093485 [T6], RS0113271; SSt 45/12; Ratz in WK² StGB Vorbem §§ 28–31 Rz 66; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 96).
Der Einwand der – eine rechtliche Beurteilung nach „§§ 105, 127 iVm § 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 2 StGB“ oder nach § 131 StGB anstrebenden – Subsumtionsrüge (Z 10), der Angestellte M***** sei als „außenstehender Dritter“ zu betrachten, welcher als Reinigungskraft keine Verbindung zu dem im Tresor befindlichen Geld hatte, weshalb die Täter, die den Eingangs- und Tresorschlüssel bereits zur Tatbegehung mitgebracht hatten, dem Genannten diesen Geldbetrag weder abgenötigt noch weggenommen haben, geht nicht von den getroffenen Urteilsfeststellungen (US 11 f; RIS‑Justiz RS0099810) aus: Danach kam es den Angeklagten beim Einsatz von Gewalt gegen den (auch aus Tätersicht verteidigungsbereiten) Angestellten darauf an, Gewahrsamsträgern der M***** B***** GmbH Bargeld wegzunehmen und sich selbst die ungehinderte Flucht mit der Beute zu ermöglichen (US 11). Zur Erfüllung des Tatbestands notwendige Identität des Nötigungs‑ oder Gewaltzieles mit dem Gewahrsamsträger ist dem Gesetz im Übrigen nicht zu entnehmen („eine Person“, „einem anderen“).
Inwiefern die bloße Innehabung fremde Geschäftsräumlichkeiten und einen fremden Tresor sperrender Schlüssel bereits den Gewahrsam (RIS‑Justiz RS0096666, RS0093830, RS0093841, RS0093788) der Angeklagten an dem im Tresor des Restaurants befindlichen Bargeld bewirkt haben sollte (vgl dem entgegen bloß den Anwendungsbereich der §§ 127 ff StGB), bevor sie Gewalt gegen den im Geschäftslokal anwesenden Angestellten einsetzten, während einer der Täter den im Nebenraum befindlichen Tresor öffnete (US 11), erklärt die Beschwerde – trotz des Hinweises auf Kommentarstellen – nicht juristisch nachvollziehbar (RIS‑Justiz RS0116565). Den vom Nichtigkeitswerber zur Untermauerung seiner Darlegungen angeführten Entscheidungen SSt 55/8 und SSt 55/37 lagen im Übrigen andere Sachverhaltskonstellationen zu Grunde; in diesen Fällen wurde die den Raub begründende Gewalt zwecks der, der intendierten Sachwegnahme unmittelbar vorangehenden Erlangung von Schlüsseln gegenüber einem Filialleiter (SSt 55/8) bzw einem Wachorgan (SSt 55/37) eingesetzt.
Weshalb der Einsatz räuberischer Mittel bei einem Raub nicht spontan vor Gewahrsamsbruch erfolgen dürfe, sondern jedenfalls bereits von Anfang an vom Tatplan umfasst gewesen sein müsste, um den Tatbestand nach § 142 StGB zu erfüllen, lässt das Vorbringen des Erstangeklagten, der die erstgerichtlichen Konstatierungen (US 11) erneut übergeht, nicht erkennen (Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 129 Rz 102 und § 131 Rz 8; 12 Os 150/12v).
Der Antrag, das Urteil zur Gänze aufzuheben, bleibt schon aufgrund der die Nichtigkeitsbeschwerde einleitenden Einschränkung auf eine Bekämpfung der Schuldspruchpunkte A./2./ und C./ ebenso unverständlich wie bei gegebenem Verfahrensverlauf jener, nach „§ 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten“.
2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****:
Entgegen dem zu A./1./ und C./ erhobenen Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Täterschaft des Nichtigkeitswerbers aufgrund „willkürlicher und unstatthafter Vermutung zu dessen Lasten“ (Z 5 vierter Fall) ist das Gericht bei der Lösung von Tatfragen (§ 258 Abs 2 StPO) durchaus berechtigt, nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, welche – wenn sie logisch, somit vertretbar sind – als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung mittels Mängelrüge unanfechtbar sind (RIS‑Justiz RS0099455; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 449 ff). Vorliegend gelangten die Tatrichter anhand konkret dargestellter Verfahrensergebnisse – nämlich des engen zeitlichen Zusammenhangs der beiden (zu A./ inkriminierten) Raubüberfälle, der zunächst bloß geringfügigen Beute sowie aufgrund der als erwiesen angenommenen Beteiligung des Nichtigkeitswerbers an der (mit R***** verübten) Tat im Restaurant (A./2./) – zur Überzeugung, dass B***** auch Komplize beim Geschehen im Wettlokal (A./1./) war, weil ihnen unter diesen Prämissen ein Wechsel der Komplizenschaft nicht lebensnah erschien (US 28). Dass diese Einschätzung dem Nichtigkeitswerber nicht ausreichend überzeugend erscheint und aus den Verfahrensresultaten auch andere, für ihn günstigere Schlussfolgerungen denkbar gewesen wären, ist einer Geltendmachung mit Mängelrüge nicht zugänglich (RIS‑Justiz RS0098471). Die gegen die Wortwahl der Beweiswürdigung („lebensnah“, „davon auszugehen“) gerichtete Kritik geht daher ins Leere.
Der (zu A./2./) behauptete Widerspruch zwischen den Urteilserwägungen, wonach bei einem Handschuh, der sich in der (bei R***** aufgefundenen) Tasche befand, biologische Spuren des Angeklagten B***** festgestellt wurden (US 22), „eine Fremdantragung der DNA an der Innenseite der Handschuhe auszuschließen ist“ (US 25) und „B***** keine vernünftige Erklärung dafür abgeben konnte, wie seine DNA-Spur in die Handschuhe gelangt wäre“ (US 25), spricht Nichtigkeit im Sinn der Z 5 dritter Fall, welche nur vorliegt, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die einander ausschließen oder wenn die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können, gar nicht an (RIS‑Justiz RS0119089; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 437), sondern zieht nur die Würdigung der Beweisergebnisse selbst anhand ihrer Formulierung in Zweifel.
Die unter dem Gesichtspunkt der „Unvollständigkeit“ vorgetragene Kritik, weshalb das Gericht trotz des Umstands, dass „nur in einem Handschuh DNA des Nichtigkeitswerbers aufgefunden wurde“, davon ausgeht, dass der Genannte bei der Tatbegehung im Restaurant (A./2./) beteiligt gewesen sei, übergeht die weitere Erwägung, wonach das Gericht die Annahme der Täterschaft des Beschwerdeführers vorrangig auf den Auffindungsort dieser biologischen Spur – nämlich auf einem in einer Tasche verstauten Handschuh – gründete, in der auch aus dem Überfall stammende Geldsäcke aufbewahrt wurden (US 22 ff, 25).
Der Einwand unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der bestehenden Verteidigungsbereitschaft der im Restaurant beschäftigten Reinigungskraft Delo M***** (US 11 f) übersieht, dass die Konstatierungen zum Tathergang auf die darauf bezogenen Schilderungen dieses Opfers und auf die über das Geschehen vorliegenden Aufnahmen einer Überwachungskamera gestützt wurden (US 19).
Da die hier bejahte „Verteidigungsbereitschaft“ auch dritte Personen, die keinen (Mit-)Gewahrsam am Raubobjekt innehaben, zu geeigneten Adressaten der beim Raub eingesetzten Gewalt macht (zum Ganzen: Leukauf/Steininger Komm³ § 142 RN 7; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 142 Rz 33; Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 27), betrifft die überdies angesprochene Frage, ob M***** als Angestellter der M***** B***** GmbH eine Zugriffsmöglichkeit auf die im Tresor befindlichen Güter seines Arbeitgebers (und solcherart Gewahrsam am darin befindlichen Bargeld [vgl wieder RIS‑Justiz RS0096666, RS0093830, RS0093841, RS0093788]) hatte, keinen entscheidenden Aspekt mehr.
Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) dieses Angeklagten strebt eine rechtliche Beurteilung des zu A./2./ inkriminierten Geschehens als „§§ 105, 127 iVm § 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 2 StGB“ bzw als räuberischer Diebstahl nach § 131 StGB an, orientiert sich aber mit dem Einwand, M***** sei – mangels Gewahrsams am Tatobjekt – bloß als „außenstehender Dritter“ zu betrachten, prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen, bereits bei Erledigung der Subsumtionsrüge des Erstangeklagten erwähnten Urteilskonstatierungen (US 11; neuerlich RIS‑Justiz RS0099810).
Zur Behauptung eines bereits vor der Gewaltanwendung bestehenden (Mit-)Gewahrsams der Angeklagten an der Beute aufgrund der von ihnen mitgeführten Schlüssel sowie zu dem Vorbringen, die Angeklagten hätten Gewaltanwendung zur Gewahrsamserlangung nicht einkalkuliert, wird ebenso auf das zur Subsumtionsrüge des Erstangeklagten Ausgeführte verwiesen.
Auf in der Beschwerdeschrift behauptete Einträge im Reisepass des Nichtigkeitswerbers ist mit Blick auf das im Nichtigkeitsverfahren bestehende Neuerungsverbot nicht einzugehen (RIS‑Justiz RS0098978).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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