European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00074.16P.1129.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Edgar F***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112) schuldig erkannt.
Danach hat er von 20. September 2004 bis 23. Juni 2010 in H***** die ihm als Geschäftsführer der Stiftung B***** GmbH (im Folgenden kurz S***** GmbH) durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, wobei er gegen die Grundsätze einer redlichen und verantwortungsbewussten Geschäftsführung verstoßen hat, indem er die zur Gänze von der S***** GmbH entlohnte Angestellte des Unternehmens, Michaela H*****, etwa zwölf Stunden pro Woche für betriebsfremde Tätigkeiten, nämlich zur Erstellung von Abrechnungen und sonstigen Arbeiten für das Hilfswerk H***** (Essen auf Rädern), einsetzte, wodurch die genannte Gesellschaft einen Vermögensschaden in Höhe von 28.175 Euro erlitt.
Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant, wurde der Angeklagte von den weiteren Vorwürfen, er habe
(A) die ihm als Verwalter der Stiftung B***** sowie (zu 1 auch) als Heimleiter des St***** (Pensionisten‑ und Pflegeheim der Stiftung B*****) durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, wobei er gegen die Grundsätze einer redlichen und verantwortungsbewussten Geschäftsführung verstoßen habe, indem er
1. von 2005 bis 2009 die Tagesverpflegung für die Bewohner des St***** zu weit überhöhten Preisen von der S***** GmbH bezog und hiefür Beträge bezahlte, die den marktüblichen Preis für derartige Leistungen letztlich sogar um mehr als das Doppelte überstiegen (zuletzt 28,60 Euro pro Tag und Person, anstatt der in anderen Heimen üblichen Sätze von 10 bis 12 Euro pro Tag und Person), wodurch die Stiftung B***** einen Vermögensschaden in Höhe von 813.500 Euro erlitt;
…
(B) von 2005 bis 2009 bei Gesellschafterversammlungen in Berichten und Darstellungen betreffend die S***** GmbH, die an deren (Allein-)Gesellschafterin, die Stiftung B*****, gerichtet waren, den Umstand, dass Forderungen im Ausmaß von mehreren hunderttausend Euro für Lieferungen und sonstige Leistungen gegen die Stiftung B*****, sohin ein verbundenes Unternehmen, bestehen, sowie dass diese in wirtschaftlich vertretbarer Zeit nicht einbringlich sind, sohin Verhältnisse der Gesellschaft und erhebliche Umstände, verschwiegen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft die dargestellten Freisprüche mit ihrer aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde. Beiden Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Die gegen die Abweisung eines angeblich „prozessordnungsgemäß gestellten“ Antrags auf „Ablehnung des Sachverständigen“ Mag. Karl He***** zufolge dessen Befangenheit gerichtete Verfahrensrüge (Z 4) entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie trotz umfangreichen Aktenmaterials eine entsprechende konkrete
Fundstelle von Antragstellung und Beschlussfassung in den Akten nicht nennt (RIS‑Justiz RS0124172).
Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Passage im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor und die Feststellung, nach denen der durch die Untreuehandlungen des Beschwerdeführers bewirkte Vermögensnachteil unmittelbar bei der von ihm vertretenen S***** GmbH eintrat (US 3, 15), keineswegs im Widerspruch zu den – im Rahmen der Begründung des Privatbeteiligtenzuspruchs angestellten – Erwägungen, nach denen die Stiftung B***** als Alleingesellschafterin des Unternehmens mittelbar geschädigt wurde (US 34; vgl im Übrigen Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 37).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus vom Erstgericht ohnehin umfassend berücksichtigten Verfahrensergebnissen (der Verantwortung des Angeklagten sowie den Aussagen der Zeugen Michaela H***** und Stefan L*****, US 23 ff) und Details aus den Angaben der Zeugin Renate K***** zu ihrer Tätigkeit als Vorgängerin der Erstgenannten auf Basis eigener Beweiswerterwägungen zum Schluss kommt, Michaela H***** habe bloß zwei bis drei Stunden pro Woche betriebsfremde Aufgaben erledigt, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674).
Mit der unsubstantiierten These, die Tätigkeiten für „Essen auf Rädern“ seien als „reine, einem Naturalrabatt gleichzusetzende Kundenunterstützung“ für den größten Kunden der S***** GmbH, das Hilfswerk H*****, zu qualifizieren, und darauf aufbauenden Spekulationen zu einer dadurch bewirkten „Umsatzausweitung“ und Gewinnsteigerung, lässt sie den unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erforderlichen
Aktenbezug vermissen (RIS‑Justiz RS0117446).
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt die Ausrichtung am Gesetz, indem sie auf Basis der eben dargestellten aktenfremden Prämisse der Tatsachenrüge und jener der Mängelrüge die Tatbestandsmäßigkeit des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens (im Sinn des § 153 StGB) bestreitet und dabei die (widerspruchsfreien) Feststellungen zum Schadenseintritt bei der S***** GmbH und zu fehlenden Gegenleistungen des Hilfswerks H***** oder der ARGE der Pensionisten‑ und Pflegeheime (US 15, 26) übergeht.
Dass es für die
Subsumtion als Vergehen der Untreue – über die vom Erstgericht getroffenen (US 14 f) hinaus – noch
weiterer Konstatierungen (zur Höhe der aus der Geschäftsverbindung mit dem Hilfswerks H***** erzielten Umsätze, sowie dazu, „ob es sich beim Hilfswerk um den Hauptkunden der S***** GmbH … gehandelt hat“, wie die „Servicierung“ durch Michaela H***** die Umsatzentwicklung beeinflusste, ob deren Tätigkeit „im Zusammenhang mit den Kunden in der Kalkulation der S***** GmbH … Deckung gefunden hat“, ob „dem Hilfswerk für die erbrachten Leistungen Rabatte oder sonstige Nachlässe gewährt wurden“, „wie mit der Forderung der S***** GmbH gegenüber der Stiftung B***** umgegangen wurde“ und „warum die Stiftung den Schaden der S***** GmbH wirtschaftlich tragen musste“) bedurft haben soll, wird ohne Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (vgl zum Ganzen auch RIS‑Justiz RS0094836, RS0094565; Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 37, 39).
Unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels ist das Vorbringen schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beschwerde jegliche Bezugnahme auf (die reklamierten Urteilsannahmen indizierende) Verfahrensergebnisse unterlässt (RIS‑Justiz RS0118580).
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Kriterien verfehlt die Beschwerde, indem sie unsubstantiiert behauptet, die nach Ansicht der Tatrichter fehlende Verantwortungsübernahme durch den Angeklagten (US 34) spreche nicht gegen ein diversionelles Vorgehen, ohne sich mit dem (solcherart in tatsächlicher Hinsicht bejahten) spezialpräventiven Diversionshindernis (§ 198 Abs 1 StPO) argumentativ auseinanderzusetzen (vgl RIS‑Justiz RS0126734; Schroll, WK‑StPO § 198 Rz 36/1 ff), und zudem die Feststellungen zum mehrere Jahre umfassenden Tatzeitraum (US 14 f) übergeht (vgl RIS‑Justiz RS0116021).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Der den Freispruch zu A/1 betreffende Einwand offenbar unzureichender Begründung der Negativ-feststellungen „zur subjektiven Tatseite“ (US 14; Z 5 vierter Fall), nimmt nicht Maß an der
Gesamtheit der
Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Ausgehend von der Notwendigkeit der Einhaltung hoher Qualitätsstandards bei der Verpflegung der Heimbewohner stützten sich die Tatrichter – von der Beschwerde übergangen – primär auf die glaubwürdige, mit den Aussagen des Zeugen Stefan L***** im Einklang stehende Verantwortung des Angeklagten, wonach die Kalkulation der diesbezüglichen Kosten ausschließlich von diesem Zeugen vorgenommen wurde, jene mangels zugrunde liegender Kostenrechnung nicht überprüfbar war und der Angeklagte auf die Angemessenheit der auf dieser Basis errechneten Tagessätze vertraute. Zudem verwiesen sie auf die fehlende Einbindung des Angeklagten in die „Abwicklung“ der Buchhaltung und die Präsentation der Jahresabschlüsse gegenüber dem Kuratorium der Stiftung sowie seine – bei der Befragung durch den Sachverständigen offenbarten –unzureichenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse (betreffend Kalkulation, deren Überprüfungsmöglichkeiten und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verrechnung der festgelegten Tagessätze auf die Stiftung). Weiters vertraten sie die Ansicht, das Beweisverfahren habe keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, der Angeklagte hätte auf eine „Überwälzung der Aufwendungen der S***** GmbH auf die Stiftung“ hingewirkt und hoben in diesem Zusammenhang eine erst am Ende des Tatzeitraums an ihn ergangene Information des Steuerberaters über die angespannte finanzielle Situation der Stiftung hervor (US 20 f, 22 f).
Dass das Erstgericht auch Kenntnis des Angeklagten von den „üblicherweise verrechneten Tagessätzen“ für nicht erweislich hielt (US 14), war demnach – dem Beschwerdestandpunkt zuwider – gar nicht Grundlage (geschweige denn einziges Argument) für die Negativfeststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs. Mit dagegen gerichteten Einwänden spricht die Mängelrüge demnach keine entscheidende Tatsache oder eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer solchen an (RIS‑Justiz RS0099507).
Die weiteren Vorwürfe von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) beziehen sich auf zwei isoliert betrachtete Aspekte der vorstehend angeführten Erwägungen der Tatrichter, die erst in ihrer
Zusammenschau die Basis für die kritisierten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bilden und je für sich gleichfalls keine notwendige Bedingung dafür darstellen. Einzelne dieser Annahmen sind einer Kritik aus Z 5 entzogen ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 410; RIS‑Justiz RS0116737).
Soweit die Beschwerde aus – um urteilsfremde und spekulative eigene Thesen erweiterten – Urteilsfeststellungen zur objektiven Tatseite andere, für ihren Prozessstandpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, bekämpft sie bloß die
Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Die unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) in Betreff des Freispruchs zu B ins Treffen geführte Verantwortung des Angeklagten, nach der „das Kuratorium stets über die finanzielle Lage und damit auch über die steigenden Schulden der Stiftung gegenüber der S***** GmbH informiert gewesen“ sei, wurde im Urteil erörtert und als nicht nachvollziehbar erachtet (US 23).
Gleichfalls als übergangen reklamierte Ausführungen des Sachverständigen Mag. Karl He***** sind den angegebenen Fundstellen (ON 40 S 14 und 19) in dieser Form nicht zu entnehmen. Die tatsächlich (bloß) den kontinuierlichen Anstieg der gegenüber der Stiftung bestehenden Forderungen (vgl dazu auch US 11) sowie deren unterbliebene Meldung an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung darlegenden Passagen des Gutachtens stehen den auch insoweit getroffenen Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten (US 11 f; vgl auch US 19 f) nicht entgegen und bedurften demgemäß keiner gesonderten Erörterung (RIS‑Justiz RS0098646).
Auch das Vorbringen zum Freispruch B reduziert sich im Ergebnis auf den unzulässigen Versuch, die den Urteilsannahmen zum Informationsstand des Angeklagten und zur Nichterweislichkeit bedingten Vorsatzes zugrunde liegende Beweiswürdigung der Tatrichter (US 19 f) zu bekämpfen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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