European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00062.16I.1125.000
Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.265,20 EUR (darin 544,20 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Im Revisionsverfahren ist allein die Frage zu beurteilen, in welcher Frist (drei oder dreißig Jahre) die Leistungskondiktion des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Rückzahlung von zu Unrecht in Anspruch genommenen Beträgen aus einer Bankgarantie verjährt.
Die beklagte Partei als Werkbestellerin („Auftraggeberin“) schloss mit einer Bau-ARGE als Generalunternehmerin („Auftragnehmerin“) einen Generalunternehmervertrag, mit dem sich die ARGE, an der die klagende Partei beteiligt war, zur schlüsselfertigen, betriebsbereiten und uneingeschränkten Errichtung eines Hotels auf einer Liegenschaft in F***** verpflichtete.
Zur Besicherung der Gewährleistungsansprüche der beklagten Partei wurde in § 17 des Generalunternehmervertrags ein Haftrücklass in Höhe von 5 % der gesamten Auftragssumme vereinbart:
„§ 17 Sicherheiten
Zur Besicherung der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers ist dieser berechtigt, für die Dauer der Gewährleistungsfrist einen Haftrücklass von 5 % (4 % für Gebäude und 1 % für Dach) der Gesamtauftragssumme einzubehalten. Der Haftrücklass kann vom Auftragnehmer gegen eine auf erste Anforderung zahlbare, unwiderrufliche, unter Verzicht auf jegliche Einwendungen aus dem Grundverhältnis zahlbare Bankgarantie, mit einer Laufzeit, die nicht früher als einen Monat nach Ablauf der Gewährleistungsfrist enden darf, ausgelöst werden. Der Haftrücklass dient der Abdeckung aller Verpflichtungen des Auftragnehmers aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung und/oder Schadenersatz. Im Fall des Vorliegens von Mängeln oder Schäden ist die Zurückbehaltung jedoch nicht auf den Haftrücklass beschränkt.“
Der Haftrücklass wurde durch eine abstrakte Bankgarantie einer Bank vom 19. April 2010 abgelöst, mit der die Bank gegenüber der beklagten Partei für einen Gesamtbetrag von 500.000 EUR garantierte. Im Haftungskreditvertrag gegenüber der Bau-ARGE verpflichtete sich die Bank, die entsprechende Bankgarantie an die beklagte Partei auszustellen. Die Bau‑ARGE verpflichtete sich, die von der Bank ausgezahlten Beträge an diese rückzuerstatten. Alle sich aus einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Bankgarantie ergebenden Ansprüche der Bau-ARGE wurden an die Bank abgetreten.
Zur Besicherung aller Ansprüche der Bank gegen die Bau-ARGE übernahm der Geschäftsführer der klagenden Partei (im Folgenden: Geschäftsführer) die Haftung als Bürge und Zahler bis zu einem Höchstbetrag von 555.000 EUR.
Von 23. Dezember 2010 bis 2. Februar 2012 nahm die beklagte Partei die Bank aus der Bankgarantie vom 19. April 2010 in mehreren Tranchen im Umfang von insgesamt 500.000 EUR in Anspruch. Sämtliche Zahlungen der Bank erfolgten mehr als drei Jahre vor Einbringung der gegenständlichen Klage am 1. April 2015.
Aufgrund der Inanspruchnahmen der Bankgarantie durch die beklagte Partei nahm die Bank den Geschäftsführer der klagenden Partei sukzessive mit einem Gesamtbetrag von 400.000 EUR aus der Bürgschaft und die klagende Partei mit einem Gesamtbetrag von 100.000 EUR in Anspruch. Der Geschäftsführer regressierte sich im Umfang von 400.000 EUR erfolgreich bei der klagenden Partei.
Mit Schreiben vom 11. März 2014 nahm die Bank die Rückzession sämtlicher Ansprüche gegenüber der beklagten Partei an die klagende Partei vor.
Mit der am 1. April 2015 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei 500.000 EUR sA. Die Inanspruchnahmen der Bankgarantie durch die beklagte Partei im Zeitraum von 23. Dezember 2010 bis 2. Februar 2012 seien zu Unrecht erfolgt; die Bank habe die Auszahlungen aufgrund der Bankgarantie unberechtigt und rechtswidrig vorgenommen.
Zum Verjährungseinwand der beklagten Partei führte die klagende Partei im Wesentlichen aus, Rückforderungsansprüche wegen unberechtigter Inanspruchnahme einer Garantie verjährten binnen 30 Jahren. Im vorliegenden Fall liege aufgrund der zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie – einem Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags – eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vor, die nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten in Form der Leistungskondiktion rückabzuwickeln sei. § 1431 ABGB sei hierauf analog anzuwenden. Zudem mache sie keine Rückabwicklungsansprüche aus dem Werkvertrag, sondern Ansprüche aus einer gesondert vereinbarten Sicherstellung für künftige Gewährleistungsansprüche geltend. Da die klagegegenständlichen Rückforderungsansprüche in 30 Jahren verjährten, sei die Klage rechtzeitig erhoben worden.
Die beklagte Partei wandte ein, die Bankgarantie weder unberechtigt noch rechtswidrig in Anspruch genommen zu haben. Die Klageforderung sei verjährt, weil die Klage mehr als drei Jahre nach der letzten (Teil‑)Inanspruchnahme der Bankgarantie bei Gericht eingebracht worden sei. Da die Bankgarantie als Haftrücklassgarantie nach dem Willen der Parteien den Haftrücklass ersetzen sollte, sei die unberechtigt in Anspruch genommene Haftrücklassgarantie innerhalb der für den Werklohnanspruch geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren einzufordern, weil sonst der Werkunternehmer ohne sachlichen Grund besser gestellt würde als bei einem Haftrücklass. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit der letzten Garantieinanspruchnahme am 2. Februar 2012 zu laufen begonnen; die am 1. April 2015 gerichtlich geltend gemachte Klageforderung sei daher – sofern sie überhaupt jemals zu Recht bestanden habe – verjährt.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die vom Unternehmer gestellte Haftrücklassgarantie gebe dem Besteller die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Werklohns zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand herzustellen; soweit der Besteller von dieser Möglichkeit unberechtigt Gebrauch mache, lebe der Werklohnanspruch daher gleichsam wieder auf. Nach dem Abruf der Garantie seien die Parteien so gestellt, als hätte der Werkbesteller diesen Teil des Werklohns noch nicht bezahlt und der Werkunternehmer diesen Betrag (noch) nicht erhalten. Daher sei auch im Fall eines Bereicherungsanspruchs aufgrund einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Haftrücklassgarantie die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB anzuwenden. Bei Bereicherungsansprüchen beginne die Verjährungsfrist mit Eintritt der Bereicherung, hier mit der letzten (Teil‑)Inanspruchnahme der Bankgarantie am 2. Februar 2012. Die Klage sei erst am 1. April 2015 und damit nach Ende der dreijährigen Verjährungsfrist bei Gericht eingebracht worden.
Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Verjährung und ergänzte: Der Anspruch auf Zahlung des „Rücklassbetrages“ sei nichts anderes als der Anspruch des Werkunternehmers auf den– infolge der Abrede erst nach Ablauf der Haftfrist fällig gewordenen – restlichen Werklohn. Werklohnansprüche eines Gewerbetreibenden unterlägen aber gemäß § 1486 Z 1 ABGB der kurzen Verjährungsfrist. Gehe man davon aus, dass die Wahrnehmung der dem Werkunternehmer eingeräumten Befugnis, den Haftrücklass durch eine Bankgarantie „abzulösen“, für den Besteller grundsätzlich neutral bleiben müsse, dh ihm gegenüber der Grundvariante jedenfalls keine rechtlichen Nachteile bringen dürfe, erscheine eine sinngemäße Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB auf den Anspruch des Unternehmers auf „Ersatz“ des (unberechtigt) in Anspruch genommenen Garantiebetrags nur als sachgerechte und logische Konsequenz. In der Dreipersonalität der Rechtsbeziehungen könne kein ausreichender Grund für eine Verschiedenbehandlung zwischen der Einforderung des Werklohns und der Rückforderung des Erlöses aus einer zu Unrecht abgerufenen Haftrücklassgarantie erblickt werden. Der Werkunternehmer (Garantieauftraggeber), der vom Werkbesteller (Garantiebegünstigten) auf bereicherungsrechtlicher Grundlage die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung begehre, mache damit im Ergebnis nichts anderes geltend als den (restlichen) Werklohn, weshalb der Bereicherungsanspruch– ausnahmsweise – mit dem Werklohn verjähren müsse. Die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist entspreche auch deren primärem Zweck, Streitigkeiten über den Zustand der Sache einer möglichst raschen Klärung zuzuführen, um spätere Streitigkeiten darüber abzuschneiden.
Als weiteres Argument für dieses Ergebnis könne die in den letzten Jahren in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu erkennende Tendenz zur Einschränkung der Anwendung der langen Verjährungsfrist ins Treffen geführt werden. Auch Bereicherungsansprüche, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder an deren Stelle treten, verjähren in der gleichen kurzen Frist. Schließlich sei der vom Obersten Gerichtshof gezogene Vergleich des auf einer analogen Anwendung von § 1431 ABGB beruhenden Anspruchs zum Irrtumsrecht ein Indiz für die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist, bestehe doch für Ansprüche wegen Irrtumsanfechtung (abgesehen vom hier nicht relevanten Fall der Arglist) gemäß § 1487 ABGB ebenfalls eine Verjährungsfrist von drei Jahren.
Die Abtretung ändere gemäß § 1394 ABGB an der Rechtsnatur der Forderung nichts. Selbst eine bereits – etwa infolge eingetretener Fälligkeit – laufende Verjährungszeit werde durch die Abtretung nicht berührt.
Die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, welche Verjährungsfrist auf den auf eine analoge Anwendung des § 1431 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch wegen materiell unberechtigter Inanspruchnahme einer (Haftrücklass-)Garantie anzuwenden sei, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, diese grundlegende Rechtsfrage aber vom Obersten Gerichtshof bei genauer Betrachtung auch noch nicht abschließend entschieden worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
In ihrer Revision stellt die klagende Partei in den Vordergrund, dass zwischen der Einforderung des Werklohns und der Rückforderung einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie ein derart erheblicher Unterschied bestehe, dass es – ausgehend vom Schutzzweck der Normen – gerechtfertigt erscheine, auf den Rückforderungsanspruch die lange allgemeine Verjährungszeit anzuwenden. So könne der den Garantiebetrag zurückfordernde Werkunternehmer seine Rechtsposition weniger leicht definieren als wenn er aufgrund des Werkvertrags aus dem Titel der Gewährleistung in Anspruch genommen würde.
Dazu wurde erwogen:
1. Zum Zweck der Haftrücklassgarantie
Nach der Entscheidung 8 Ob 19/15z besteht der Zweck einer Bankgarantie, die an Stelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses gegeben wird, nicht nur darin, dem Begünstigen eine Sicherheit zu geben. Vielmehr soll der Begünstigte so gestellt werden, als ob er (im gegebenen Zusammenhang) die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte (RIS‑Justiz RS0017002; 6 Ob 35/15p).
Mit der Haftrücklassabrede wird lediglich die Fälligkeit des entsprechenden Teils des vom Werkbesteller geschuldeten Werklohnanspruchs hinausgeschoben. Auch die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie hat darauf keinen Einfluss, denn der Werkunternehmer, der als Garantieauftraggeber vom Werkbesteller (Garantiebegünstigten) die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistungen begehrt, macht damit im Ergebnis nichts anderes als den restlichen Werklohn geltend (M. Bydlinski, Unberechtigte Inanspruchnahme einer Haftrücklassgarantie und Analogie im Verjährungsrecht, in FS F. Bydlinski [2002] 1 [13]). Der Parteiwille ist regelmäßig allein darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzt, während sonst keine Veränderung der Rechtsposition herbeigeführt werden soll (Madl, Anmerkung zu 5 Ob 103/11z, ÖBA 2011, 823 [825]). Die vom Unternehmer bestellte Haftrücklassgarantie gibt dem Besteller also die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Werklohns zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand herzustellen; soweit der Besteller von dieser Möglichkeit unberechtigt Gebrauch macht, lebe der Werklohnanspruch daher gleichsam wieder auf (M. Bydlinski in FS F. Bydlinski 17). Nach dem Abruf der Garantie sind die Parteien so gestellt, als hätte die Werkbestellerin den entsprechenden Teil des Kaufpreises (oder Werklohns) noch nicht bezahlt und die Werkunternehmerin diesen Betrag noch nicht erhalten.
2. Zu den Folgen eines unberechtigten Abrufs einer Bankgarantie
2.1. Nach herrschender Ansicht (1 Ob 182/98s; 5 Ob 103/11z; RIS‑Justiz RS0106545; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 880a Rz 21; Koziol in Apathy/Koziol/Iro, BVR V2 Rz 3/168) steht dem Garantieauftraggeber (in casu der Bau‑ARGE) eine Rückforderung analog § 1431 ABGB gegen den Begünstigten (hier: die beklagte Partei) zu, wenn der Begünstigte nach dem Valutaverhältnis zum Abruf der Bankgarantie nicht berechtigt war. Eine analoge Anwendung des § 1431 ABGB ist mit der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0106545 [T1]) deshalb angezeigt, „weil die Lage des Auftraggebers, der zwar erkennt, dass die Garantie zu Unrecht abgerufen wird, aber wegen der abstrakten Ausgestaltung der von ihm in Auftrag gegebenen Bankgarantie die Leistung nicht mehr zu verhindern vermag, derjenigen des Irrenden rechtsähnlich ist“.
2.2. Im vorliegenden Fall hat die Bau-ARGE ihre „aus einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Bankgarantie ergebenden Ansprüche“ zwar vorerst an die Garantin (die Bank) abgetreten, jedoch kam es in weiterer Folge (nämlich nachdem die Bau‑ARGE bzw der Bürge von der Bank erfolgreich in Anspruch genommen worden waren) zu einer Rückzession, weshalb die Bau-ARGE ihre Aktivlegitimation wiedererlangt hat.
3. Zur Verjährung von Leistungskondiktions-ansprüchen
Gemäß §§ 1478 f ABGB verjähren Leistungskondiktionen (daher auch Rückforderungen analog § 1431 ABGB) nach 30 Jahren (RIS‑Justiz RS0020167; Dehn in KBB4 § 1478 ABGB Rz 1; Vollmaier in Klang3 § 1478 ABGB Rz 20, jeweils mwN).
Allerdings unterliegt dieser Grundsatz mittlerweile zahlreichen Ausnahmen. Diese ergeben sich zum einen aus verjährungsrechtlichen Sonderbestimmungen wie etwa § 27 Abs 3 MRG. Zum anderen zeigt sich in Rechtsprechung und Literatur die Tendenz, dass Leistungskondiktionen, die sich aus Rechtsverhältnissen ergeben, die der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist unterfallen (beispielsweise gemäß § 1486 ABGB), ebenfalls innerhalb dieses Zeitraums verjähren sollen (siehe die Darstellung bei Lurger in ABGB-ON1.03 Vor § 1431 Rz 18; Vollmaier in Klang3 § 1478 ABGB Rz 20 ff).
4. Zur Verjährung der Kondiktion des Garantie-auftraggebers gegen den Begünstigten in der Rechtsprechung
4.1. Nach der älteren Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0111226) verjährt „der Anspruch auf Rückforderung des Betrages aus einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie, die vom Werkunternehmer an Stelle eines Haftungsrücklasses zur Verfügung gestellt wurde, … in 30 Jahren“.
4.2. In der Entscheidung 1 Ob 182/98s (ecolex 1999/125, 319 [zustimmend Wilhelm]), der ein Sachverhalt zugrunde lag, der dem hier zu entscheidenden Fall sehr ähnelt, gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass „zwischen der gemäß § 1486 Z 1 ABGB binnen drei Jahren vorzunehmenden Einforderung des Werklohns und der Rückforderung einer zur Ablösung des Haftungsrücklasses erstellten, zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie ein derart erheblicher Unterschied [bestehe], dass es auch, ausgehend vom Schutzzweck der Normen gerechtfertigt erscheint, auf den Rückforderungsanspruch die lange allgemeine Verjährungszeit anzuwenden“. Diese Ansicht untermauerte der Oberste Gerichtshof mit dem Argument, dass sowohl der Vereinbarung eines Haftungsrücklasses als auch der an seine Stelle tretenden Haftrücklassgarantie eine über die Natur der Werklohnforderung hinausgehende Sicherungsfunktion zukomme, die den gleichen Stellenwert wie der Erlag einer– konkursfesten – Barkaution habe; die Übernahme der Garantiehaftung erfolge daher stets (auch) sicherungshalber. Insgesamt würden keine Rückabwicklungsansprüche aus dem Werkvertrag geltend gemacht, sondern solche aus einer gesondert vereinbarten Sicherstellung für künftige Gewährleistungsansprüche.
4.3. Dieser Ansicht ist M. Bydlinski (in FS F. Bydlinski 1) entgegengetreten. Ausgehend vom Zweck der Haftrücklassabrede (siehe oben 1.) weist er darauf hin, dass die Zahlung des „Rücklassbetrages“ nichts anderes als der Anspruch des Werkunternehmers auf den – infolge der Haftrücklassabrede erst nach Ablauf der Haftfrist fällig gewordenen – restlichen Werklohn sei. Werklohnansprüche eines Gewerbetreibenden unterlägen grundsätzlich der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 1486 Z 1 ABGB, die jeweils mit Fälligkeit der einzelnen Teilbeträge zu laufen beginne. An der Anwendbarkeit der kurzen Verjährungsfrist ändere der Umstand, dass der Haftrücklassabrede auch eine Sicherungsfunktion zukomme, nichts; § 1486 Z 1 ABGB unterwerfe nämlich sämtliche Forderungen für Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb der kurzen Verjährungsfrist.
4.4. In der Literatur wird dieser von M. Bydlinski an der Entscheidung 1 Ob 182/98s vorgetragenen Kritik überwiegend zugestimmt (Koziol in Apathy/Koziol/Iro, BVR V2 Rz 3/169; Madl, Anmerkung zu 5 Ob 103/11z, ÖBA 2011, 823; Vollmaier in Klang3 § 1478 Rz 20 FN 99, § 1486 Rz 18; dagegen der Ansicht des OGH zustimmend Wilhelm, Anmerkung zu 1 Ob 182/98s, ecolex 1999, 319 [320]; vgl auch Werderitsch, Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen – Über kurz oder lang? Zak 2008, 263).
5. Rechtsprechung zur analogen Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist auf bereicherungsrechtliche Ansprüche
In der jüngeren Rechtsprechung besteht eine Tendenz, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich vertraglicher Erfüllungsansprüche hinaus auch auf (Bereicherungs-)Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten. Dies gilt für § 1486 Z 1 ABGB (1 Ob 32/08z, SZ 2008/40; 7 Ob 269/08x, SZ 2009/40; 8 ObA 5/13p; 4 Ob 181/13s, ecolex 2014/351, 860 [Wilhelm] [wenn auch hier Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist]), § 1486 Z 5 ABGB (9 ObA 157/97x, DRdA 1998/38, 345 [Mader]; 9 ObA 39/00a, DRdA 2001/21, 257 [Eypeltauer]; 9 ObA 87/13d; RIS‑Justiz RS0021868) und § 1486 Z 6 ABGB (10 Ob 148/05w, SZ 2006/4). Auch der Bereicherungsanspruch im Zusammenhang mit irrtümlich zu viel gezahlten Zinsen verjährt in analoger Anwendung des § 1480 ABGB innerhalb von drei Jahren (4 Ob 73/03v, SZ 2003/73 = ecolex 2003, 664 [Graf 648, Beclin 653]; RIS‑Justiz RS0117773). In Analogie zu § 27 Abs 3 MRG geht der Oberste Gerichtshof in zwei jüngeren Entscheidungen (8 Ob 12/13t, immolex 2013/65, 208 [Prader] = ZRB 2013, 150 [Seeber]; 5 Ob 25/15k, immolex 2016/14, 51 [Prader]) davon aus, dass Rückforderungsansprüche hinsichtlich des zu viel bezahlten Mietzinses auch außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG innerhalb von drei Jahren verjähren.
6. Ergebnis
6.1. Die Ablösung des Haftrücklasses durch die Haftrücklassgarantie soll nach dem Parteiwillen zu keiner Verschlechterung der Rechtsposition des Werkbestellers führen (explizit in diesem Sinn 8 Ob 19/15z). Da der bei einem Haftrücklass zurückbehaltene Werklohn grundsätzlich nach § 1486 Z 1 ABGB verjährt, hat Entsprechendes auch für die Rückforderung der zu Unrecht in Anspruch genommenen Garantiebeträge zu gelten; andernfalls wäre der Werkunternehmer bei der Haftrücklassgarantie ohne sachlichen Grund besser gestellt als beim Haftrücklass (M. Bydlinski in FS F. Bydlinski 11 ff; ihm folgend Koziol in Apathy/Koziol/Iro,BVR V2 Rz 3/169; Madl, Anmerkung zu 5 Ob 103/11z, ÖBA 2011, 823 [825] und Madl in ABGB‑ON1.03 § 1478 Rz 10).
6.2. Gemessen an der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung haben die in 1 Ob 182/98s vorgebrachten Argumente an Überzeugungskraft verloren.
6.2.1. Von der Ansicht, dass zwischen der Einforderung des Werklohns und der Rückforderung des zu Unrecht in Anspruch genommenen Garantiebetrags ein erheblicher Unterschied bestehe, weswegen es ausgehend vom Schutzzweck der Normen gerechtfertigt erscheine, auf den Rückforderungsanspruch die lange Verjährungszeit anzuwenden, ist der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 8 Ob 19/15z abgegangen. Darin führt er aus, dass die Parteien nach Abruf der Garantie so gestellt seien, als hätte der Werkbesteller diesen Teil des Kaufpreises (oder Werklohns) noch nicht bezahlt und der Werkunternehmer diesen Betrag noch nicht erhalten; insofern liegt kein „erheblicher Unterschied“ der Rechtslage vor.
6.2.2. Auch das weitere in 1 Ob 182/98s verwendete Argument, wonach Leistungskondiktionen nur ganz ausnahmsweise der kurzen Verjährungsfrist unterliegen, ist durch die zwischenzeitig ergangene Rechtsprechung überholt. Der Oberste Gerichtshof ist mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen zum Ergebnis gelangt, dass die kurze Verjährungsfrist des der Leistungskondiktion zugrunde liegenden Anspruchs auf diese durchschlägt; insbesondere gibt es für die dem § 1486 Z 1 ABGB unterfallenden Geschäfte eine reichhaltige Rechtsprechung.
6.2.3. Des Weiteren steht auch die Entscheidung 5 Ob 103/11z der vom Erst- und Berufungsgericht vertretenen Ansicht, im vorliegenden Fall sei die „kurze“ Verjährungsfrist anzuwenden, nicht entgegen. In dieser Entscheidung wurde die Frage des „Durchschlagens“ letztlich offengelassen, weil bereits die Anwendbarkeit der kurzen Verjährungsfrist auf den zugrunde liegenden Anspruch verneint wurde.
6.3. Bedenken gegen die Heranziehung der kurzen Verjährungsfrist könnten insoweit bestehen, als der Bereicherungsgläubiger seine Rechtsposition – im Gegensatz zu vertraglichen Ansprüchen – weniger leicht oder gar nicht definieren kann: Der Werkunternehmer (= Garantieauftraggeber) weiß nämlich unter Umständen nicht, ob bzw zu welchem Zeitpunkt der Begünstigte die Garantie (zu Unrecht) in Anspruch nimmt. Regelmäßig wird allerdings der Garantieauftraggeber im Zeitpunkt der Auszahlung des Garantiebetrags in Kenntnis sein oder er kann diesen Zeitpunkt beim Garanten, mit dem er vertraglich verbunden ist, erfragen. Somit liegt auch in der „Undefinierbarkeit“ der Rechtsposition des Werkunternehmers kein zwingendes Argument für die Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist.
6.4. Im gegenständlichen Fall sprechen daher die besseren Gründe dafür, die für die Verjährung des Werklohnanspruchs (§ 1486 Z 1 ABGB) geltende dreijährige Verjährungsfrist auf die Leistungskondiktion (§ 1431 ABGB analog) der Bau‑ARGE gegen die beklagte Werkbestellerin durchschlagen zu lassen. Die in 1 Ob 182/98s vertretene Rechtsansicht wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.
7. Der Revision der klagenden Partei kommt daher keine Berechtigung zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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