OGH 9ObA39/00a

OGH9ObA39/00a17.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Hans Lahner und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kurzentrum B***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Michael Pressl und andere, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Erich Tsch*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 2,878.761 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 1999, GZ 12 Ra 133/99m-37, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Juli 1998, GZ 17 Cga 93/96y-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.797,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 4.329,42 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage der Verjährung der ausgedehnten Klagebeträge zutreffend verneint und die Bindungswirkung des Zwischenurteiles hinsichtlich der vom Beklagten geltend gemachten Einwendungen zu Recht bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Ein auf § 1431 ABGB gestützter Anspruch auf Rückzahlung von irrtümlich zuviel gezahlten Arbeitsentgelt verjährt in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 ABGB nach drei Jahren (Arb 11.673 = DRdA 1998/38 [Mader]). Im vorliegenden Fall ist aber davon auszugehen, dass der Beklagte die Unrichtigkeit seiner Berechnungsweise kannte, ihn Bereicherungsvorsatz traf und er rechtswidrig und schuldhaft handelte. Es liegt daher eine listige, rechts- und vertragswidrige Irreführung vor, wodurch der Schaden im Ausmaß der Entgeltdifferenzen entstanden ist. Die getroffenen Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht durch Wiedergabe anderslautender Zeugenaussagen widerlegt werden. Soweit das Berufungsgericht Feststellungen, mögen sie auch in die Beweiswürdigung eingeflossen sein, berücksichtigt hat, liegt Aktenwidrigkeit nicht vor.

Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gilt dann, wenn der Ersatzanspruch der Klägerin aus einer gerichtlich strafbaren Handlung stammt, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Voraussetzungen hiefür sind vom Geschädigten zu beweisen (7 Ob 2385/96b), wobei es keiner strafgerichtlichen Verurteilung bedarf (SZ 70/183). Durch das Vorbringen eines auf Bereicherungsvorsatz gegründeten Schadenersazanspruches und die Kenntnis des Beklagten von seiner unrichtigen Berechnungsweise sowie der Höhe des Schadensbetrages sind zumindest sinngemäß die Voraussetzungen der längeren Verjährungsfrist dargetan worden. Die Täuschungshandlung des Beklagten bestand darin, dass er eine vertragswidrige Abrechnung bewusst, weil er die Unrichtigkeit kannte, vorlegte und damit die Klägerin und ihre im Rahmen des "Vieraugenprinzips" kontrollberechtigte Lohnverrechnerin in Irrtum führte, was zur Auszahlung des unberechtigten Gehaltsteiles und zum Schaden führte. Die objektive Tatseite ist damit erfüllt. Der der subjektiven Tatseite zuzurechnende Täuschungsvorsatz liegt im Bewusstsein, dass seine ausgeklügelte Abrechnung vom Normverständnis der Lohnentwicklungsklausel zu seinen finanziellen Gunsten abweicht und er wusste, wie die in den Tabellen enthaltenen Zahlen und ihre Entwicklung richtig einzuordnen waren, er in Kenntnis des Umstandes, dass dem Dienstgeber eine inhaltliche Überprüfung nicht möglich war, den Dienstgeber, der ihm vertraute, nicht aufklärte. Es mag dahingestellt sein, ob der Beklagte damit den Tatbestand der Untreue oder des Betruges verwirklichte (SSt 60/19). Unter Berücksichtigung des Schadensbetrages von über 500.000 S liegt jedenfalls eine gerichtlich strafbare Handlung vor, die nach § 153 Abs 2 oder § 147 Abs 3 StGB mit einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren bedroht ist.

Dem als leitenden Angestellten (Prokuristen mit der Bezeichnung Direktor) und im Handelsregister eingetragenen Kläger oblag die Führung des laufenden Betriebes. Zustimmungspflichtig waren lediglich Begründung und Beendigung von Dienstverhältnissen anderer leitender Mitarbeiter, Verbindlichkeiten und andere Geschäfte außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebes. Der Kläger war Vorgesetzter von zuletzt 80 Dienstnehmern und führte den Betrieb in eigener Verantwortung und mit eigener Initiative. Dem Berufungsgericht ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung beizupflichten, dass dem Beklagten die Eigenschaft als leitender Angestellter zukam (SZ 65/93; 9 ObA 99/98v, 9 ObA 109/98i ua). Soweit der Revisionswerber von einem anderen Sachverhalt ausgeht, der nicht festgestellt wurde, so wird damit in dritter Instanz nur die irrevisible Tatfrage berührt, worauf nicht eingegangen werden kann. Als leitender Angestellter war der Kläger von der Geltung des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen, sodass keine Beschränkung des zulässigen Überstundenausmaßes bestand. Eine in der Vereinbarung eines Überstundenpauschales liegende Vereinbarung über die Abgeltung von Überstunden war daher zulässig. Mangels Behauptung einer kollektivvertraglichen Grundlage handelt es sich beim geltend gemachten Überstundenentgelt daher weder um einen Anspruch nach § 10 AZG noch um einen auf §§ 3 und 11 ArbVG gestützten (9 ObA 99/98v). Da im Dienstvertrag des Klägers weder eine bestimmte Anzahl von Überstunden noch eine bestimmte Arbeitszeit vereinbart wurde (AS 417) noch ein Kollektivvertrag zum Tragen kam, bestand keine lohngestaltende Grundlage, sodass die Vereinbarung der Entgelthöhe im Zweifel alle Dienstleistungen des Klägers umfasste. Eine allenfalls unangemessene Lohnvereinbarung ist jedoch infolge der Vertragsfreiheit nicht unzulässig (Arb 10.087; DRdA 1997, 224; 9 ObA 249/98b).

Der Hinweis des Beklagten, dass subsidiär das Vertragsbedienstetenrecht vereinbart sei, wonach sämtliche Überstunden abzugelten wären, widerlegt nicht und übergeht die Ausführungen des Berufungsgerichtes, dass nur ein spezieller Verweis auf das Vertragsbedienstetenrecht zur Frage der Valorisierung im Dienstvertrag vorhanden ist, sodass eine generelle subsidiäre Vereinbarung der Anwendung des Vertragsbedienstetenrechts nicht vorliegt.

Die bindende Wirkung eines den Rechtsbestand des Klageanspruches bejahenden Zwischenurteils erstreckt sich auch auf Klageerweiterungen, die erst im Verfahren über die Anspruchshöhe vorgenommen werden, aber aus demselben Rechtsgrund abgeleitet werden. Daraus folgt, dass auch im Falle einer Klageerweiterung Einwendungen, die sich auf den Grund des Anspruches beziehen, nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Präklusionswirkung des Zwischenurteils kann sich nur auf solche den Anspruchsgrund betreffenden Tatsachen und Einwendungen erstrecken, die vor dem Schluss der Verhandlung über den Grund des Anspruches eingetreten waren und in diesem Verfahrensabschnitt geltend gemacht werden konnten (JBl 1996, 666).

Die den Grund des Anspruchs betreffenden Einwendungen der vertragskonformen Berechnung, der Leistung einer Nichtschuld, der langjährigen Übung, der konkludenten Zustimmung des Arbeitgebers, seiner besonderen Sorgfaltspflicht als Kaufmann sowie des Dissenses und des gutgläubigen Empfanges wurden einerseits teilweise geltend gemacht und betreffen andererseits nicht einen durch die Klageausdehnung neu eingebrachten Anspruch, wozu die Möglichkeit fehlte, bisher Einwendungen zu erheben, sondern den Rechtsbestand des bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruchsgrundes. Lediglich die Einwendung der Verjährung hinsichtlich der ausgedehnten Beträge konnte im Verfahren über den Grund des Anspruches nicht eingewendet werden.

Da die Geltung des Vertragsbedienstetenrechts nicht allgemein, sondern nur speziell für die Gehaltsvalorisierung vereinbart worden war, fehlt für eine nach dem Vertragsbedienstetenrecht gebotene Entlohnung zusätzlicher Tätigkeiten die Rechtsgrundlage.

Das Berufungsgericht verneinte die Rechtswidrigkeit der Unterlassung der Kontrolle der Gehaltsberechnung des Beklagten durch die Klägerin. Soweit der Revisionswerber eine Verletzung der Fürsorgepflicht zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Klägerin behauptet, übersieht er, dass eine aus dem arbeitsrechtlichen Schutzprinzip abgeleitete Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers (ZAS 1995/9 [Aigner]) darin ihre Grenze findet, dass sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht auf die Information des Arbeitnehmers über die Unrichtigkeit einer Entgeltzahlung erstreckt (RdW 1986, 52; 4 Ob 159/85). Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber von der Richtigkeit der vom Arbeitnehmer vorgenommenen Berechnung der Entgeltzahlung infolge des dem Arbeitnehmer entgegengebrachten Vertrauens in seiner Stellung als leitender Angestellter, dem er die Berechnung des Entgelts überlassen hatte, ausgehen konnte und ihm die Unrichtigkeit gar nicht bekannt war. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, seine Berechnungen offenzulegen.

Da eine Kostenentscheidung der zweiten Instanz weder mit Rekurs noch mit Kostenrüge in der Revision anfechtbar ist (SZ 70/62), kann auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Heranziehung des dreifachen Einheitssatzes, der für das Berufungsverfahren vorgesehen ist, im Revisionsverfahren findet keine Deckung im § 23 RATG.

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