OGH 4Ob181/13s

OGH4Ob181/13s17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** R*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde L*****, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 24.388,04 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Juli 2013, GZ 11 R 66/13a‑32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 26. November 2012, GZ 1 Cg 74/12v‑13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00181.13S.1217.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Unstrittig steht folgender Sachverhalt fest: Der Kläger betreibt im Gemeindegebiet der Beklagten ein Transportunternehmen, den Abbau mineralischer Rohstoffe, eine Deponie und eine Recycling-Anlage. Die Zufahrt zu seinem Betriebsgelände führt über eine Straße, die die beklagte Gemeinde 1994 als „Güterweg S*****“ errichten ließ und der heute eine Gemeindestraße mit der Bezeichnung „Kieswerkstraße“ ist. Die Mutter des Klägers und Rechtsvorgängerin des Klägers als Inhaberin seines Unternehmens schloss am 30. 8. 1995 mit der Beklagten eine Vereinbarung über die Erhaltung des Güterwegs, wonach dessen Erhaltungskosten zwischen ihrem Unternehmen und der Beklagten im Verhältnis 60 : 40 aufzuteilen sind.

Gestützt auf diese Vereinbarung begehrt der Kläger mit seiner am 6. 7. 2012 eingebrachten Klage von der Beklagten 24.388,04 EUR. Er habe das Unternehmen von seiner Mutter im März 2003 mit allen Rechten und Pflichten übernommen und ‑ zunächst in Unkenntnis der Vereinbarung mit der Beklagten ‑ seit damals für die Instandhaltung des Straßenbanketts jährlich 2.400 EUR, von März 2003 bis März 2012 somit 21.600 EUR aufgewendet, für das Zurückschneiden der Hecken und das Mähen des Straßengrabens jährlich 2.325 EUR, im genannten Zeitraum somit 20.925 EUR. Sein Unternehmen habe diese Arbeiten durch eigenes Personal erbracht. 2011 habe sein Unternehmen Schäden an der Asphaltdecke um 18.445,11 EUR beheben lassen. Vom Gesamtaufwand des Unternehmens für den Straßenerhalt in Höhe von 60.970,11 EUR entfalle nach der Vereinbarung mit der Beklagten auf diese ein Anteil von 40 %, das sei der eingeklagte Betrag. Nachdem der Kläger von der Vereinbarung mit der Beklagten Kenntnis erlangt habe, habe er die Forderung am 28. 3. 2012 fällig gestellt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Der Kläger sei nicht Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter; diese habe gegenüber der Beklagten niemals Ansprüche aus der Straßenerhaltung geltend gemacht und damit konkludent auf eine Kostenbeteiligung der Beklagten verzichtet; nach dem Wortlaut der Vereinbarung beziehe sich diese nicht auf Arbeiten am Bankett. Hinsichtlich der mehr als drei Jahre zurückliegenden Aufwendungen wendete die Beklagte Verjährung ein; es handle sich um Forderungen für die Ausführung von Arbeiten in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb, die gemäß § 1486 Z 1 ABGB nach drei Jahren verjährten.

Dem hielt der Kläger entgegen, die geltend gemachten Ansprüche fielen nicht unter die Aufzählung des § 1486 Z 1 ABGB; sein Unternehmen habe weder Lieferungen noch Dienstleistungen an die Beklagte erbracht.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren, soweit es Aufwendungen betrifft, die länger als drei Jahre vor Klagseinbringung erbracht wurden, im Umfang von 11.340 EUR sA ab. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt ging es in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass Leistungen, die einen organisatorischen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Schuldners aufwiesen, nach der weiten Fassung des § 1486 Z 1 ABGB binnen drei Jahren verjährten. Da der Kläger nach seinem Vorbringen Arbeitnehmer seines Unternehmens für die Instandhaltungsarbeiten eingesetzt habe, seien die Arbeiten in seinem Geschäftsbetrieb angefallen. Die Leistungen fielen unter den Begriff „Ausführung von Arbeiten“ und seien für den Zeitraum März 2003 bis März 2009 verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach ‑ auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO ‑ aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach § 1486 Z 1 ABGB verjährten Forderungen für die Lieferung von Sachen oder die Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb in drei Jahren. Unter diese Norm fielen auch Forderungen größerer Beträge und aus selten vorkommenden Geschäften, wenn sie nur zu einer der aufgezählten Gruppen gehörten. Die weite Fassung der Bestimmung solle nach den Absichten des Gesetzgebers „so ziemlich den ganzen geschäftlichen Verkehr umfassen“. Ausgenommen seien nur Forderungen für Leistungen, die aus Gefälligkeit erbracht würden oder nur einen Gelegenheitserwerb darstellten. Der Kläger habe einen Erhaltungsaufwand im Rahmen eines Geschäftsbetriebs getätigt und verlange dafür vom ‑ öffentlich-rechtlichen ‑ Straßenerhalter aufgrund einer mit diesem geschlossenen Vereinbarung Ersatz. Seine Leistungen beruhten nicht auf reiner Gefälligkeit und stünden schon deswegen im organisatorischen Zusammenhang mit seinem Geschäftsbetrieb, weil auch die anspruchsbegründende Vereinbarung mit der Beklagten das Unternehmen betroffen habe und vom Kläger mit diesem übernommen worden sei. Daran ändere nichts, dass der geltend gemachten Forderung kein Geschäft zwischen den Parteien zugrunde liege, sondern dass es sich um eine Art Regressanspruch (etwa nach § 896 ABGB) handle. Solche Ansprüche verjährten zwar grundsätzlich in 30 Jahren (§ 1478 ABGB), dies gelte allerdings nur mangels besonderer (gesetzlicher) Anordnung. Bestehe zwischen den Schuldnern ein besonderes Verhältnis über den Aufwandersatzanspruch, sei dieses auch bei der Verjährung zu beachten. Hier verfolge der Kläger, der nach seinen Behauptungen eine Leistung erbracht habe, die von Gesetzes wegen der Beklagten oblegen wäre, einen Aufwandersatzanspruch aus Vertrag (§ 1014 ABGB) oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 und 1037 ABGB, wofür es aber wohl an der Absicht gefehlt habe, fremde Interessen wahrzunehmen) oder um einen bereicherungsrechtlichen Aufwandersatzanspruch (§ 1041 ABGB). Alle genannten Ansprüche unterlägen aber dann der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB, wenn sie sich ‑ wie hier ‑ aus der Ausführung von Arbeiten in einem geschäftlichen Betrieb ergäben; eines gültigen Vertragsverhältnisses bedürfe es nicht. Damit stelle sich die Sache in der Verjährungsfrage nicht anders dar als in dem zu 6 Ob 64/05p entschiedenen Fall, wo eine vergleichbare Forderung einer Gemeinde dem Tatbestand des § 1486 Z 1 ABGB unterstellt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt im Sinne ihres Aufhebungsantrags.

1. § 1486 ABGB verkürzt die allgemeine Frist für bestimmte taxativ aufgezählte Forderungen aus „Geschäften des täglichen Lebens“ (so die in den Materialien zur III. TN gebrauchte Wendung) auf drei Jahre. Das Motiv des Gesetzgebers zur Verkürzung der Verjährungszeit lag in der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten: Die 30‑jährige Verjährung für „Forderungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs des täglichen Lebens“ müsse im Interesse der Rechtssicherheit abgekürzt werden, weil man sich über solche Forderungen gewöhnlich Quittungen nicht geben lasse oder sie doch nicht durch 30 Jahre aufheben könne (4 Ob 117/10z mwN).

2. Die kurze Verjährung von Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens erfasst in der Regel nur Vergütungsansprüche in Form von Gegenleistungen für Lieferungen oder Leistungen (zB Zahlung des Kaufpreises, Werklohns, Bestandzinses oder Gehalts). Die Erfüllungsansprüche der Gegenseite fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 1486 ABGB: Ohne kurze Verjährung sähe sich der Geldschuldner, der seinen Zahlungsbeleg nicht lange genug aufbewahrt hat, mitunter der Gefahr ausgesetzt, doppelt zahlen zu müssen. Dieses Risiko besteht für denjenigen, der sich zu einer Sach‑ oder Dienstleistung verpflichtet hat, nur in sehr eingeschränktem Maß ( Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 1486 Rz 7 mwN).

3. In Schrifttum und Rechtsprechung geht die Tendenz bei Auslegung des § 1486 ABGB klar in die Richtung, die kurze Frist über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich vertraglicher Erfüllungsansprüche hinaus auch auf (Bereicherungs‑)Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten (vgl Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 1486 Rz 9 mwN in FN 46).

4. § 1486 Z 1 ABGB betrifft die Forderungen für Lieferungen von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstigen Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb. Die Forderung, die nach dieser Gesetzesstelle der dreijährigen Verjährungsfrist unterworfen ist, muss das Entgelt für eine der im Gesetz aufgezählten Gegenleistungen bilden ‑ oder funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten ‑, setzt also ein synallagmatisches Leistungsverhältnis (Vertrag, Auftrag, Geschäftsbesorgung) voraus (4 Ob 117/10z mwN; in diesem Sinne auch 6 Ob 64/05p, wo der Leistungsaustausch die Grundstücksaufschließung durch die Gemeinde einerseits und die anteilige Kostentragung durch den Grundeigentümer andererseits betraf).

5.1. Nach diesen Grundsätzen ist die mit Teilurteil abgewiesene Forderung nicht verjährt.

5.2. Voraussetzung für die Anwendung von § 1486 ABGB ist ein Synallagma zwischen den Leistungen des Klägers und seinem dafür geltend gemachten Anspruch. Hier behauptete der Kläger aber nicht, dass irgendeine (allenfalls nichtige: 1 Ob 182/98s) Vereinbarung bestand, wonach er gegenüber der Gemeinde zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet war; auch die Beklagte behauptete kein solches Rechtsverhältnis. Die behauptete (ursprüngliche) Vereinbarung zwischen der (angeblichen) Rechtsvorgängerin des Klägers und der Beklagten besagte gerade das Gegenteil, nämlich dass der Kläger zur Leistung eines 60 % übersteigenden Anteils an den Erhaltungsarbeiten nicht verpflichtet war. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien resultiert der verfolgte Anspruch demnach nicht aus einem Rechtsgeschäft zwischen den Parteien betreffend jene Leistungen, deren Wertersatz der Kläger nunmehr begehrt (vgl 4 Ob 117/10z).

5.3. Obwohl der Verjährungseinwand damit schon nach dem Vorbringen der Parteien zu verwerfen war, erweist sich die Sache als noch nicht spruchreif. Die Berechtigung des verfolgten Anspruchs kann nämlich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach auf Basis der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden.

6. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen keine ausreichenden Feststellungen über die von der Beklagten ‑ neben der Einrede der Verjährung ‑ zu Grund und Höhe erhobenen Einwendungen der Beklagten gegen den geltend gemachten Ersatzanspruch des Klägers getroffen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreiterung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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