OGH 15Os91/16w

OGH15Os91/16w16.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Christine F***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Juni 2016, GZ 125 Hv 3/16a‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00091.16W.1116.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Christine F***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (idF BGBl I 2015/112) schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien am 7. August 2015 ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, nämlich über jeweils ein im Urteil näher bezeichnetes Girokonto und Wertpapierdepot der Dr. Adolfine Fr***** bei der E***** Bank der österreichischen Sparkassen AG, wissentlich missbraucht und dadurch die Genannte in der Höhe von 83.000 Euro am Vermögen geschädigt, indem sie einen Teilbetrag des Depots in Höhe von 82.977,15 Euro liquidierte, diesen Betrag auf das Girokonto einzahlte und schließlich einen Betrag von 83.000 Euro von dort auf ein eigenes (näher bezeichnetes) Konto überwies und in eine Immobilie investierte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Mit der undifferenzierten Behauptung allein, das Erstgericht habe „über mehrere Tatsachen undeutlich, unvollständig, widersprüchlich und ohne ausreichende Begründung abgesprochen“ und es lägen „Aktenwidrigkeiten“ vor, zeigt die Angeklagte nicht deutlich und bestimmt auf, worin sie einen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erblickt. Weshalb etwa eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall; RIS-Justiz RS0089983) oder Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall; RIS‑Justiz RS0119089) des Urteils vorliegen soll, lässt die Beschwerde nicht einmal ansatzweise erkennen (RIS‑Justiz RS0116879).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316). Angesichts ihrer Erwägungen zu den Gesprächen bei der Bank bei Einräumung der Befugnis, zu den Angaben des Ehemanns der Angeklagten und dem Umstand, dass Letztere bereits vor den inkriminierten Verfügungen wusste, dass die Machtgeberin selbst nicht von einer seinerzeitigen Schenkung der Hälfte des Wertpapierdepots ausgegangen war (US 9 ff, 13 f), mussten sich die Tatrichter – mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht gesondert mit Depositionen des Zeugen Stephan Fr***** auseinandersetzen, die Geschädigte habe sich selbst als „Erbtante“ bezeichnet und die Angeklagte (seine Mutter) habe sich einmal bei dieser „für das Geld bedankt“.

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt nur vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413). Soweit die Beschwerdeführerin die Urteilserwägungen zur behaupteten Schenkung einer Hälfte des Wertpapierdepots im Zeitpunkt der Einräumung der Verfügungsermächtigungen über Konto und Depot (US 9–14) als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet und diesen eine eigenständige Bewertung einzelner Beweisergebnisse entgegenstellt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS‑Justiz RS0099547). Hingegen kann die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (RIS‑Justiz RS0099524). Dass die Tatrichter die Darstellung der Angeklagten hinsichtlich des Wertpapierdepots (ON 16 S 5 ff, 14 ff) – anders als diese selbst – nicht für glaubwürdig erachteten (US 9, 11), vermag Nichtigkeit in diesem Sinn nicht zu begründen. Dies gilt ebenso für die in Kritik gezogene Interpretation des Erstgerichts von Wahrnehmungen der Zeugin S***** betreffend den Zweck der Befugniseinräumung bei Gesprächen in der Bank (US 9, 11 f, 14; ON 16 S 35 f) wie für dessen Bewertung von Angaben des Zeugen Helmut Fr***** hinsichtlich der behaupteten Schenkung (US 13; ON 16 S 28–34) und von Depositionen der Angeklagten in Bezug auf ihren Rückzahlungswillen und das Fehlen eines Schädigungsvorsatzes bei Vornahme der inkriminierten Vermögensverfügungen (US 10; ON 16 S 10, 13 ff).

Unter Bezugnahme auf (isoliert hervorgehobene) Angaben der Zeugin Dr. Adolfine Fr***** zu ihrem Verhalten nach Entdeckung der Tat (ON 16 S 22 f, 26) macht die Rechtsrüge einen Feststellungsmangel (RIS‑Justiz RS0099689) zur subjektiven Tatseite geltend (Z 9 lit a), weil das Urteil zur Frage der Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs keine Feststellungen „im Hinblick auf eine allfällige nachträgliche Zustimmung des Machtgebers“ enthalte. Sie vernachlässigt (RIS-Justiz RS0118580) in diesem Zusammenhang aber jene Urteilsannahmen, wonach die Angeklagte im Tatzeitpunkt im Wissen um den Verstoß gegen die ihr eingeräumte Rechtsmacht davon ausging, dass die (damals 86‑jährige) Geschädigte die gezielt „hinter ihrem Rücken“ getroffene Verfügung nicht bemerken würde (US 5 f, 8, 17). Diesem Tatsachensubstrat zufolge wurde von den Tatrichtern ein Vorgehen im (subjektiven) Glauben an eine nachträgliche Genehmigung der abredewidrigen Vorgangsweise durch die Machtgeberin gerade ausgeschlossen (vgl auch US 12, 14).

Unter dem Aspekt eines Begründungsmangels (Z 5 zweiter Fall; RIS‑Justiz RS0118316) wiederum wird nicht klar, weshalb die ins Treffen geführten Angaben der Zeugin (sie habe „vorerst“ nichts unternommen; es sei ihr dann recht gewesen, dass das Geld in etwa zwei Jahren zurückgezahlt werden sollte – „Besser als gar nicht ist es in zwei Jahren.“) den erwähnten Feststellungen der Erstrichter zur Täterintention in erörterungsbedürftiger Weise entgegenstehen. Völlig offen bleibt überhaupt, welche konkreten Verfahrensergebnisse eine Auseinandersetzung mit der Frage einer auf den Tatzeitpunkt bezogenen – den Missbrauchsvorsatz ausschließenden (RIS‑Justiz RS0088858) – subjektiven Annahme der Angeklagten, ihre Verfügungen würden nachträglich genehmigt werden, erfordert hätten (zu ihren Verantwortungslinien vgl US 9–12, 14).

Die ebenfalls auf einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) rekurrierenden Einwände gegen Urteilsannahmen (US 5 f) zur im Innenverhältnis eingeräumten Befugnis erschöpfen sich in einer eigenständigen Würdigung von Angaben der Zeugen Dr. Adolfine, Stephan und Helmut Fr***** sowie Edith S***** nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld („tatsächlich indizierten jedoch die Aussagen … einen anderen Sachverhalt“). Damit wird der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0099730).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie lediglich Schuldkriterien sowie die Verantwortungsübernahme der Angeklagten durch ihre Diversionsbereitschaft in der Hauptverhandlung und durch die (US 7, 10 f: unter dem Eindruck der strafrechtlichen Anklage kurz vor Prozessbeginn) erfolgte gänzliche Schadensgutmachung releviert, das Fehlen generalpräventiver Diversionshindernisse (§ 198 Abs 1 letzter Halbsatz StPO) aber bloß pauschal behauptet. Solcherart macht das Rechtsmittel nicht deutlich, weshalb bei dem Missbrauch einer bloß für den Fall des gesundheitsbedingten Bedarfs an Unterstützung in finanziellen Belangen eingeräumten Befugnis zum Nachteil einer hochbetagten vermögenden Person (US 5 f) im Umfang von immerhin 83.000 Euro und dem mit einer solchen Vorsatztat einhergehenden hohen sozialen Störwert eine Bestrafung nicht geboten sein sollte, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (vgl 15 Os 26/09a; 11 Os 93/14g; 14 Os 66/15k).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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