OGH 4Ob180/16y

OGH4Ob180/16y25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragung der Wortbildmarke FairUse über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. Juni 2016, GZ 34 R 55/16g‑3, womit der Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 12. Februar 2016, GZ AM 52087/2014‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00180.16Y.1025.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen verweigerten die Eintragung der Wortbildmarke „FairUse“ für die Klassen 16 (Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Fotografien), 35 (Zusammenstellen und Systematisieren von Daten in Computerdatenbanken; Ermittlungen und Nachforschungen in Geschäftsangelegenheiten über Computernetzwerke und Computerdatenbanken; Erstellen von Statistiken; Verbraucherberatung; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln), 38 (Sammeln und Liefern von Pressemeldungen; Nachrichten‑ und Bildübermittlung und ‑übertragung mittels Computernetzwerken und elektronischen Kommunikations‑ medien; Bereitstellen von Internet‑Chatrooms; Bereitstellen von Telekommunikationskanälen für Teleshopping‑Dienste) und 41 (Online Publikation elektronischer Zeitschriften). Aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise sei die beantragte Marke nicht geeignet, die betriebliche Ursprungsidentität der darunter vertriebenen Waren und Dienstleistungen zu garantieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz ist kein Revisionsrekursgrund (RIS‑Justiz RS0050037; vgl RS0042963). Auf die in dritter Instanz neuerlich aufgeworfene Frage der Zulässigkeit/Mangelhaftigkeit der erstinstanzlichen Begründung ist daher nicht einzugehen.

2. Die Hauptfunktion der Marke ist ihre Herkunftsfunktion; sie soll dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (RIS‑Justiz RS0118396). Deshalb sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben oder die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder nach den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind (§ 4 Abs 1 Z 3 und 5 MSchG). Beide Ausschlussgründe sind zwar gesondert zu prüfen, überschneiden sich aber, weil bloß beschreibenden Zeichen typischerweise auch keine Unterscheidungskraft zukommt (4 Ob 10/14w mwN).

Ob eine Marke unterscheidungskräftig iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ist, muss unter Berücksichtigung aller Tatumstände nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise beurteilt werden. Entscheidend ist dabei nicht so sehr, ob die Marke an sich Unterscheidungskraft besitzt, sondern vor allem, ob sie im Geschäftsverkehr als Zeichen der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst werden kann, wobei beteiligte Verkehrskreise alle Personen sind, die als Erwerber der Waren in Betracht kommen, also insbesondere auch die Verbraucher (RIS‑Justiz RS0079038). Bereits das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen kann entscheidend sein und das Registrierungshindernis bewirken. Dies auch ungeachtet des Umstands, dass es sich um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt (4 Ob 77/15z; 4 Ob 126/15f).

Von der Eintragung ausgeschlossen sind Zeichen, die ausschließlich aus beschreibenden Angaben bestehen (RIS‑Justiz RS0122383). Nur beschreibend und damit nicht schutzfähig sind Angaben, wenn sie innerhalb der beteiligten Verkehrskreise ohne besondere Denkarbeit oder komplizierte Schlussfolgerungen als Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware aufgefasst werden (RIS‑Justiz RS0066456, RS0090799, RS0109431, RS0117763). Bei bloßen Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit des zu kennzeichnenden Gegenstands liegt aber keine beschreibende Angabe vor (RIS‑Justiz RS0090799).

Der EuGH hat darüber hinaus auch ausgesprochen, dass nicht nur die Eintragung einer ausschließlich beschreibenden Wortverbindung, sondern auch einer solchen Wortverbindung unzulässig ist, die geeignet ist, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren‑ oder Dienstleistungen verwendet zu werden (C‑191/01 P, Doublemint Rn 32). Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass Zeichen oder Angaben, die Waren‑ oder Dienstleistungen beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können, weshalb es nicht erlaubt ist, dass solche Zeichen oder Angaben einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (C‑191/01 P, Doublemint Rn 31; C‑265/00, Biomild Rn 36). Eine Eintragung ist deshalb schon dann unzulässig, wenn das Wort‑Bildzeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (C‑191/01 P, Doublemint Rn 32).

Die Frage, ob ein bestimmter Begriff Unterscheidungskraft besitzt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher – grobe Fehlbeurteilung ausgenommen – keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0121895).

Die von der Revisionsrekurswerberin gerügte rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts entspricht diesen Grundsätzen der Rechtsprechung.

„FairUse“ (angemessene Verwendung) bezeichnet im amerikanischen Urheberrecht die bestimmte, nicht autorisierte Nutzung von geschütztem Material unter bestimmten Voraussetzungen (17 U.S. Code § 107‑Limitations on exclusiv rights: FairUse) und erfüllt eine vergleichbare Funktion wie die Schrankenbestimmungen des kontinentalen europäischen Urheberrechts ( Förster , FairUse: Ein Systemvergleich der Schrankengeneralklausel des US‑amerikanischen Copyright Act mit dem Schrankenkatalog des deutschen Urheberrechtsgesetzes [2008]). Ob eine Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials angemessen ist oder nicht, ist nach der zitierten amerikanischen Norm im Einzelfall nach dem Zweck und der Art der Verwendung, insbesondere für kommerzielle Zwecke oder für nicht gewerbliche schulische Zwecke, der Art des urheberrechtlich geschützten Werks, dem Umfang und der Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum ganzen Werk und der Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung des geschützten Werks abzuwägen.

Der Begriff „Fair Use“ wird inzwischen auch im deutschsprachigen Raum verwendet, etwa als Schlagwort für eine Reform des Urheberrechts. Es liegt daher nahe, bei Informationsangeboten diesen Begriff als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Nutzung dieses Angebots nicht von einer vertraglichen Lizenz abhängig ist, sondern unter der Einschränkung des „Fair Use“ allgemein zulässig ist. Damit weist dieser Begriff aber nicht auf die Herkunft dieser Informationsangebote aus einem bestimmten Unternehmen hin, sondern wird vielmehr als bloße Beschreibung der Nutzungsbedingungen verstanden werden. Ebenso vertretbar ist die Auffassung, dass die typografischen Merkmale und die Schreibweise der Wortbildmarke „FairUse“ nicht so auffällig sind, dass sie geeignet wären, den maßgeblichen Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen zu garantieren (vgl C‑37/03 P, BioID Rn 71).

Da der Begriff „FairUse“ keine Neuschöpfung ist, sondern vielmehr bereits im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet und von den angesprochenen Verbrauchern ohne weitere Denkschritte als Hinweis auf bestimmte Nutzungsbedingungen verstanden wird, geht der von der Revisionsrekurswerberin angestellte Vergleich/der von ihr erblickte Widerspruch zu C‑383/99 P, Baby‑dry sowie 4 Ob 117/03i, Computerdoktor ins Leere. In beiden Fällen war von einer Neuschöpfung und der Ungewöhnlichkeit der Kombination der Einzelbegriffe in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen auszugehen. Die neue Begriffsverbindung erzeugte einen Eindruck, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteil zu entnehmenden Angaben entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (C‑383/99 P, Baby‑dry Rn 40, 43; C‑265/00, Biomild Rn 41; C‑304/06 P, Eurohypo Rn 41).

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