European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00139.16M.1018.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Vorinstanzen wiesen das auf Produkthaftung gestützte Schadenersatz- und Feststellungsbegehren ab.
Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Wie die Rechtsmittelwerberin aufzeigt, hätte sie als Geschädigte den Beweis des Produktfehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Produktfehler und Schaden erbringen müssen (RIS‑Justiz RS0117103; 8 Ob 126/09a EvBl 2010/118, 816 [ Spitzer ]; 8 Ob 91/13k ZVR 2015/7, 22 [ Kathrein ]; jüngst 3 Ob 15/16a). Diesen Beweis hat die Klägerin nicht erbracht:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Erstgericht stellte – vom Berufungsgericht übernommen und für den Obersten Gerichtshof bindend – fest, es sei nicht feststellbar, dass die Infektionsquelle des von der Klägerin erlittenen – menstruellen – toxischen Schocksyndroms (TSS) die Vagina war. Ein Zusammenhang zwischen der Verwendung von Tampons der von der Beklagten in Österreich vertriebenen Marke und dem Eintritt des TSS konnte somit gerade nicht festgestellt werden.
2. Auch die im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen bestätigen die grundsätzliche Beweispflicht des Geschädigten für den Kausalzusammenhang (10 Ob 98/02p; 1 Ob 72/03z; 8 Ob 126/09a; 8 Ob 14/11h). Der Entscheidung 8 Ob 91/13k (ZVR 2015/7, 22 [Kathrein]) lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen, dass der Kausalitätsbeweis bereits geglückt ist, wenn die Verursachung des Schadens durch das Produkt ebenso wahrscheinlich ist wie eine andere Ursache. Diese Entscheidung nimmt lediglich auf die – hier nichtrelevante Frage – des vom Unternehmer zu führenden Entlastungsbeweises nach § 7 Abs 2 PHG Bezug und betont, dass dieser nur erbracht ist, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ein – vom Geschädigten nachgewiesener – Produktfehler bei Inverkehrbringen des Produkts noch nicht vorlag.
3. Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf das Vorliegen der – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfenden (RIS‑Justiz RS0022624) – Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises berufen: Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS‑Justiz RS0040266). Er ist daher nur zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht; darf aber nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RIS‑Justiz RS0040287). Eine solche Verknüpfung besteht hier nicht:
Die Tatsacheninstanzen stellten – in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbar – fest, dass der Begriff „menstruelles TSS“ nur einen zeitlichen Zusammenhang mit der Menstruation aufzeigt, nicht aber einen Schluss darauf zulässt, dass Auslöser eine vaginale Infektion war. Vielmehr ist auch ein nicht‑vaginales „menstruelles TSS“, das an mehreren unterschiedlichen Körperstellen auftreten kann, mögliche Ursache des von der Klägerin erlittenen Schockzustands. Auf dieser Grundlage in Verbindung mit der weiteren, vom Erstgericht disloziert getroffenen Feststellung, wonach es keine Studie gibt, die ein signifikant gehäuftes Auftreten eines TSS bei Tamponträgerinnen nachweist, ist schon ein eindeutig und in jederzeit überprüfbarer Weise formulierter Erfahrungssatz (10 Ob 13/13d = RIS‑Justiz RS0040266 [T21]) über einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Tampons und dem Auftreten eines „menstruell‑vaginalen TSS“ nicht ableitbar. Hier konnte aber nicht einmal „lokalisiert“ werden, ob die Klägerin überhaupt ein vaginales oder ein nicht‑vaginales – also ein jedenfalls nicht durch die Verwendung von Tampons verursachtes – „menstruelles TSS“ erlitt.
4. Die außerordentliche Revision ist daher schon deshalb zurückzuweisen, weil der Klägerin der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Verwendung von Tampons und ihrem Schockzustand nicht gelang. Die Frage, ob bei Nachweis eines solchen Zusammenhangs ein Konstruktions‑, Produktions‑ oder Instruktionsfehler (RIS‑Justiz RS0107606; 8 Ob 126/09a) zu bejahen wäre, stellt sich daher nicht.
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