OGH 10Ob98/02p

OGH10Ob98/02p22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Rechtsanwälte-Partnerschaft Dr. Reinhold Wolf-Mag. Gerhard Mader-Dr. Christian Tschiderer in Reutte, und deren Nebenintervenientin S*****, vertreten durch Mag. Alexander Doerge, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 28.314,86 EUR samt Anhang, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2001, GZ 4 R 284/01y-26, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 5 Abs 1 PHG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts 1. der Darbietung eines Produkts, 2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, 3. des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

Der Begriff des Fehlers ist im PHG von zentraler Bedeutung, weil jede Ersatzpflicht ein fehlerhaftes Produkt voraussetzt (SZ 70/61; JBl 2001, 177; 10 Ob 19/01v; Welser, PHG § 5 Rz 1). Das schutzauslösende Moment ist das sowohl den Körper- als auch den Sachschaden umfassende Integritätsinteresse jeder durch das Produkt geschädigten Person. Ausschlaggebend hiefür sind die berechtigten Sicherheitserwartungen, ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist (SZ 70/61 mwN; 10 Ob 19/01v ua). Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist (jedenfalls auch) eine Rechtsfrage (SZ 65/149; SZ 70/61 mwN; 10 Ob 19/01v ua).

Bei den Produktfehlern ist zwischen Konstruktionsfehlern, Produktionsfehlern und Instruktionsfehlern zu unterscheiden. Bei den Konstruktionsfehlern ist die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept, eben in der "Konstruktion" des Produkts, begründet. Beim Produktions-(Fabrikations-)fehler entspricht zwar das Konzept und das danach hergestellte "idealtypische Produkt" den Erwartungen, nicht aber einzelne Stücke, weil der Produktionsprozess nicht normgerecht war. Beim Instruktionsfehler macht nur die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft (JBl 1996, 188; SZ 70/61; ZVR 2001/71; 10 Ob 19/01v je mwN).

Im vorliegenden Fall nahm das Berufungsgericht zu Recht einen Produktionsfehler an. Dass eine vollautomatische Kaffeemaschine im Standbybetrieb auf Grund eines technischen Defekts in der Maschine in Brand gerät und einen Hausbrand verursacht, kann nur auf einen Fehler im Einzelfall zurückzuführen sein, weil Vorfälle dieser Art mit Kaffeemaschinen im Allgemeinen und denjenigen des Herstellers der gegenständlichen Kaffeemaschine im Besonderen sonst offenbar äußerst selten vorkommen. Ein Produktionsfehler macht das Produkt fehlerhaft im Sinn des PHG, weil der Benützer mit Recht erwarten war, dass keines von mehreren hergestellten Produkten gegenüber einem anderen einen Mangel aufweist, der die Sicherheit wesentlich beeinträchtigt (JBl 1996, 188). Dass ein auf Grund eines technischen Defekts im üblichen Betrieb in Brand geratener Kaffeevollautomat die berechtigten Sicherheitserwartungen nicht erfüllt und daher fehlerhaft im Sinn des PHG ist, trifft zu, bot doch das Produkt nicht einmal für jenen Gebrauch, der im Rahmen der Zweckwidmung des Erzeugers liegt, die erforderliche Sicherheit, die ein durchschnittlicher Verbraucher oder Benützer erwarten darf und erwartet (§ 5 Abs 1 Z 2 PHG; Fitz/Purtscheller/Reindl, Produkthaftung § 5 Rz 14).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen der ihr obliegende Beweis des Produktfehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Produktfehler und Schaden gelungen. Den Beweis, welcher Bestandteil defekt wurde - dies konnten die Vorinstanzen nicht feststellen - musste die Klägerin nicht führen. Die von der Revisionswerberin als erheblich angesehene Frage nach dem Beweismaß stellt sich nicht, weil die Vorinstanzen feststellten, dass der Brand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch einen technischen Defekt in der Kaffeemaschine ausgebrochen ist. Eine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" reicht für die Erbringung eines Beweises jedenfalls aus (SZ 23/26; SZ 21/25; Fasching, LB2 Rz 815). Dass - wie die Beklagte behauptete - das Produkt den Fehler, der den Schaden verursachte, noch nicht hatte, als sie es in Verkehr brachte, hätte sie gemäß § 7 Abs 2 PHG "als unter Berücksichtigung der Umstände wahrscheinlich" dartun müssen. Sie meint, sie hätte diesen Beweis erbracht, weil die Kaffeemaschine dem Stand der Technik entsprochen habe und das technische Prüfzeichen einer für die Prüfung anerkannten Anstalt aufweise. Dass die konkrete Kaffeemaschine von einem Prüfinstitut geprüft worden wäre, ist indes nicht festgestellt. Festgestellt ist nur, dass der Espressomaschinentyp am 22. 11. 1992 zertifiziert wurde und es diesen Maschinentyp seit 1994/1995 "gibt" (gemeint offenbar produziert wird). Aus der Zertifizierung kann daher nicht auf eine fehlerfreie Produktion geschlossen werden. Dass das Konzept der Maschine dem Stand der Technik entsprach, kann nicht dartun, dass ein Produktionsfehler nicht vorlag, weil sich daraus nicht ableiten lässt, dass die Kaffeemaschine bei Inverkehrbringen den schadensursächlichen Fehler noch nicht gehabt haben kann, woraus sich notwendig ergebe, dass er erst später entstanden sein muss, oder dass der Fehler tatsächlich erst danach entstanden ist (zB durch unsachgemäße Benützung). Dass die Maschine einer Ausgangskontrolle unterworfen wurde, behauptete die Beklagte nicht. Der Entscheidung 6 Ob 157/98a = ecolex 1998, 914 = RdW 1998, 735, auf die sich die Revisionswerberin beruft, lag ein möglicher Konstruktionsfehler zu Grunde, sodass sich daraus für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts gewinnen lässt.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Haftungsausschluss nach § 8 Z 2 PHG berufen. Danach entfällt die Haftung des Unternehmers, wenn die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten. Dabei handelt es sich um einen Haftungsausschluss für typische Entwicklungsrisiken, deren wesentliches Merkmal es ist, dass die Gefährlichkeit einer bestimmten Produkteigenschaft beim Inverkehrbringen nicht erkennbar war. Ob es dem Unternehmer möglich war, einen Fehler, der kein Entwicklungsrisiko darstellt, zu vermeiden und/oder rechtzeitig zu entdecken, ist für die verschuldensunabhängige (§ 8 PHG) Haftung hingegen ohne Bedeutung (SZ 70/61 mwN; 9 Ob 238/01t). Soweit die Beklagte das Vorliegen dieses Tatbestands damit zu begründen versucht, dass von der gegenständlichen Kaffeemaschinentype jährlich ca 10.000 Stück (bis dato insgesamt 60.000 Stück) hergestellt worden seien und es bisher zu keinem Gerätebrand gekommen sei, sodass davon ausgegangen werden müsse, die Kaffeemaschine entspreche dem Stand der Wissenschaft und ein eventueller Produktfehler sei nicht erkennbar gewesen, verkennt sie die Rechtslage. Ob sie in der Lage war, einen (kein Entwicklungsrisiko darstellenden) Fehler zu vermeiden oder zu erkennen, ist für ihre (verschuldensunabhängige) Haftung nicht relevant. Dass ein Entwicklungsrisiko hinsichtlich der in Verkehr gesetzten Kaffeemaschinen bestand, wurde von der Beklagten nicht einmal geltend gemacht. Dass es nach dem Stand der Wissenschaft noch nicht bekannt gewesen wäre, dass auf Grund von unvermeidbaren und in einzelnen Fällen unentdeckt gebliebenen Fehlern ein Brand in Kaffeemaschinen entstehen kann, hat die Beklagte nicht behauptet. Nach den EB RV 272 BlgNR 17. GP zu § 8 PHG verdeutlicht die Formulierung des Haftungsausschlusses nach § 8 Z 2 PHG, dass nur die Unmöglichkeit, eine bekannte Eigenschaft der Sache als Fehler zu beurteilen, die Haftung ausschließt, nicht aber die Unmöglichkeit, die Fehlerhaftigkeit eines "Ausreißers", also etwa eines Materialfehlers, festzustellen.

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