OGH 14Os90/16s

OGH14Os90/16s28.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2016 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari in Gegenwart der Rechtspraktikantin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mariusz B***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 042 Hv 28/16t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Grzegorz Ba***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Juli 2016, AZ 22 Bs 185/16s (ON 72), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00090.16S.0928.000

 

Spruch:

 

Grzegorz Ba***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Juli 2016, AZ 042 Hv 28/16t, wurde – soweit für das Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde relevant – Grzegorz Ba***** der Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (I/2) und der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft von 23. April 2016, 18:52 Uhr, bis 13. Juli 2016, 12:30 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet (ON 65 S 5 ff).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei unter einem rechtskräftig verurteilten Mittätern

I/2) am 23. April 2016 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Gewahrsamsträgern der Drogeriehandelskette Bi***** Kosmetikwaren und Parfüms im Wert von etwa 1.000 Euro weggenommen, wobei sie die Diebsbeute vor Passieren des Kassabereichs in einem mit Alufolie präparierten Kunststoffsack verstauten;

II) vor dem 23. April 2016 26 Parfüms und 30 Toilettartikel, die zuvor von einem unbekannten Täter gestohlen worden waren, gekauft.

Gegen dieses – noch nicht ausgefertigte – Urteil hat Grzegorz Ba***** Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe angemeldet (ON 71).

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Juni 2016, GZ 042 Hv 28/16t‑54, mit dem die am 25. April 2016 über ihn verhängte (ON 14) Untersuchungshaft fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete – ausgehend vom Vorliegen dringenden Tatverdachts hinsichtlich der von den Schuldsprüchen umfassten Taten – seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b und c StPO an. Gleichzeitig stellte es von Amts wegen eine durch verzögerte Anberaumung einer Haftverhandlung sowie unterlassene unverzügliche Vorlage des Aktes an das Beschwerdegericht bewirkte Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) fest (BS 1, 8 f).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde des Grzegorz Ba***** kommt keine Berechtigung zu.

Mit ihrer Kritik an den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts zum dringenden Tatverdacht verkennt die Beschwerde, dass die Dringlichkeit der Verdachtslage ab Fällung des – wenngleich nicht rechtskräftigen – Urteils in erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen ist (RIS-Justiz RS0108486;

11 Os 115/11p; 13 Os 23/11y; vgl auch RS0119511 [T5]; Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 21 Rz 17).

Angesichts der im Ersturteil verhängten, in diesem Zusammenhang maßgeblichen (vgl RIS-Justiz RS0108401; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 13) Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten hat das Beschwerdegericht Unverhältnismäßigkeit der zum Zeitpunkt dessen Entscheidung (erst) etwa drei Monate andauernden Untersuchungshaft zutreffend verneint. Soweit die Beschwerde – an ihre Ausführungen zum insoweit fehlenden dringenden Tatverdacht anknüpfend – die Ansicht vertritt, dass eine „rechtskräftige Verurteilung jedenfalls wegen gewerbsmäßigem Diebstahl … nicht wahrscheinlich“ sei, die verhängte Freiheitsstrafe aber selbst in diesem Fall „weit über dem üblichen Strafausmaß“ liege und zudem zumindest teilweise bedingt nachzusehen gewesen wäre, übersieht sie, dass

Überlegungen zu den Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht zulässig sind und damit auch die Möglichkeit einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie deren (teilweise) bedingter Nachsicht durch das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit außer Betracht zu bleiben haben (vgl erneut RIS‑Justiz RS0108401; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 16; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 14).

Eine – durch verspäteten Versuch der Beischaffung eines Beweismittels und bislang noch nicht erfolgte Zustellung einer Urteilsausfertigung bewirkte – Verletzung des

Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) hat der Angeklagte in der Haftbeschwerde (ON 56) nicht geltend gemacht, womit der Einwand schon an der fehlenden Erschöpfung des

Instanzenzugs scheitert (vgl § 1 Abs 1 GRBG; zum Erfordernis horizontaler Rechtswegerschöpfung RIS-Justiz RS0114487; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 41).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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