OGH 11Os78/16d

OGH11Os78/16d18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richters Mag. Hawel als Schriftführer in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (aF) und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Andrzej S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 17. Juni 2016, AZ 6 Bs 170/16z (ON 550 der Hv‑Akten), sowie dessen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00078.16D.0818.000

 

Spruch:

Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Andrzej S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Andrzej S***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Mai 2015 (ON 345) des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (A/1–19), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B/1–8) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C/) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Nach Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. Mai 2016, GZ 11 Os 106/15w‑17 (11 Os 107/15t, 11 Os 110/15h, 11 Os 121/15a; ON 523 der Hv‑Akten), gab das Oberlandesgericht Innsbruck seiner Berufung mit Urteil vom 29. Juni 2016, AZ 6 Bs 169/16w (ON 558), nicht Folge.

Mit dem angefochtenen, noch zuvor am 17. Juni 2016 gefassten Beschluss (ON 550) gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer Beschwerde des Andrzej S***** (ON 542) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 31. Mai 2016 (ON 527 – nunmehr ON 532) auf Abweisung weiterer Enthaftungsanträge des Genannten (ON 517, 524 – nunmehr ON 521, 529) nicht Folge. Es sprach seinerseits (wie schon das Erstgericht) aus, dass die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO fortzudauern habe.

Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts verwies das Beschwerdegericht auf den bereits rechtskräftigen Schuldspruch.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich die von ihm selbst verfasste und danach von seinem Verfahrenshilfeverteidiger unterfertigte Grundrechtsbeschwerde des Verurteilten vom 6. Juli 2016 (ON 562).

Da sich diese mit der Behauptung „willkürlicher Begründung“ der Zulässigkeit der Untersuchungshaft nicht mit der – auf seine bereits in der Haftbeschwerde (ON 529 – nunmehr ON 534; ON 542) vorgetragene Beschwerdeargumentation (Verstoß gegen § 173 Abs 4 StPO; Fehlen eines „gesetzmäßigen“ Antrags der Staatsanwaltschaft iSd § 173 Abs 1 StPO; keine Stellung als „Beschuldigter“; Unzuständigkeit der Staatsanwaltschaft Innsbruck; Verstöße gegen § 17 und § 197 StPO; Fehlen einer prozessförmigen Vernehmung iSd § 174 Abs 1 StPO und eines „gesetzmäßigen Protokolls“ iSd § 96 StPO) eingehenden – Begründung des Beschwerdegerichts (BS 4 f, 7–9) auseinandersetzt, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0106464 [insbesondere T2, T3, T4]). Soweit sie sich damit der Sache nach (neuerlich) gegen die Verhängung der Untersuchungshaft am 19. Dezember 2014 wendet, ist sie im Übrigen bereits verfristet, sodass sich ein Eingehen auf diesbezügliches Vorbringen erübrigt.

Die (dem Inhalt nach bekämpften) Annahmen zum dringenden Tatverdacht sind ab Fällung des (im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung im Schuldspruch überdies bereits rechtskräftigen) Urteils erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen (RIS-Justiz RS0108486).

Mit der Behauptung, es sei im Zeitpunkt der Verhängung der Untersuchungshaft „kein Strafverfahren gegen [ihn] als Beschuldigten“ geführt worden, vermag der Beschwerdeführer keine willkürliche (offenbar unzureichende) Begründung der rechtlichen Annahmen des Beschwerdegerichts zur Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr aufzuzeigen (RIS‑Justiz RS0117806).

Mangels inhaltlicher Erschöpfung des Instanzenzugs (vgl bereits ON 550 S 9) hinsichtlich erst in der Grundrechtsbeschwerde konkret behaupteter angeblicher Verletzungen des Beschleunigungsgebots ist darauf nicht weiter einzugehen (RIS‑Justiz RS0114487).

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

Dieses Schicksal teilt auch der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers „zur Ausführung der Grundrechtsbeschwerde“ (ON 561), weil dem Genannten ohnehin bereits ein Verteidiger beigegeben ist (vgl bereits 11 Os 138/15a in diesem Verfahren), dessen Bestellung (§§ 61, 62 StPO) auch für das Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde gilt (vgl RIS‑Justiz RS0108969). Die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, sein einen Tag vor der Grundrechtsbeschwerde (ON 562) gestellter Verfahrenshilfeantrag (ON 561) würde fristverlängernd iSd § 63 Abs 1 StPO wirken, ist verfehlt, weil diese Bestimmung (wie schon § 43a StPO idF vor BGBl I 2004/19) teleologisch dahin zu reduzieren ist, dass er nur unvertretene Angeklagte umfasst (RIS‑Justiz RS0096516 [T2, T3, T4]).

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