OGH 6Ob91/16z

OGH6Ob91/16z30.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** reg GenmbH, *****, 2. R***** reg GenmbH, *****, 3. R***** eGen, *****, 4. R***** reg GenmbH, *****, 5. R***** reg GenmbH, *****, sowie 6. R***** reg GenmbH, *****, erst‑ sowie dritt‑ bis sechstklagende Partei vertreten durch CMS‑Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Berger Daichendt + Grobovschek OG Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 696.600 EUR) über die außerordentliche Revision der erst‑ sowie dritt‑ bzw sechstklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Februar 2016, GZ 3 R 5/16z‑40, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00091.16Z.0530.000

 

Spruch:

Die außergerichtliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Gemäß § 27a BWG haben Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind (wozu Institute im Raiffeisenbanksektor gehören [vgl Blume in Dellinger, Bankwesengesetz Kommentar § 27a BWG Rz 7]), zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen. Dazu haben sie bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Liquiditätsreserve im Sinn des § 27a BWG zu halten. Die Modalitäten der konkreten Leistungsbeziehung zwischen dem Zentralinstitut oder dem sonstigen Kreditinstitut, bei dem die Liquiditätsreserve gehalten wird, und den übrigen am Liquiditätsverbund teilnehmenden Kreditinstituten sind unter Bedachtnahme auf § 39 Abs 1 BWG vertraglich oder statutarisch zu regeln (§ 27a BWG).

1.2. Damit sieht § 27a BWG mehrere Möglichkeiten für die Primärinstitute vor, ihre Liquiditätsreserve zu halten. Den Primärinstituten dezentraler Sektoren wird auf diese Weise ermöglicht, ein Liquiditätsausgleichssystem selbst zu organisieren (vgl Blume aaO Rz 14). Aus diesem Grund sind die klagenden Parteien – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat (§ 510 Abs 3 ZPO) – nicht zwingend auf die beklagte Partei angewiesen, um ihrer gesetzlichen Pflicht nach § 27a BWG nachzukommen.

1.3. Die Entscheidung 6 Ob 182/13b betraf Wasserbezugsverträge mit einer Monopolistin. Bei dieser Sachlage ging der erkennende Senat von einem Kontrahierungszwang der Wasserversorgerin aus und sprach aus, dass diese nur dann zu einer außerordentlichen Änderungskündigung berechtigt sei, wenn sie den betroffenen Kunden neue Verträge mit angemessenen Bedingungen anbiete. Im Hinblick auf die vom § 27a BWG eingeräumte Möglichkeit, die Liquiditätsreserve auch bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat zu halten, lassen sich die Grundsätze der Entscheidung 6 Ob 182/13d aber nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

2.1. Im Übrigen kommt es auf die angebliche marktbeherrschende Stellung der beklagten Partei im vorliegenden Fall nicht an. Nach herrschender Rechtsprechung kann nämlich auch ein Monopolist oder ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gezwungen werden, jeden von einem dritten gewünschten Vertrag abzuschließen; er kann vielmehr aus sachlich gerechtfertigten Gründen einen Vertragsabschluss ablehnen (RIS‑Justiz RS0106571). Ob sachliche Gründe vorliegen, aus denen ein Monopolist einen Vertragsabschluss ablehnen darf, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS‑Justiz RS0016762 [T4]). Dieselben Grundsätze gelten für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung iSd Kartellgesetzes (vgl RIS‑Justiz RS0109204, RS0117542 uva).

2.2. Wenn das Berufungsgericht im Bescheid der Finanzmarktaufsicht, der die „Vereinbarung zur Liquiditätsreservehaltung“ für nicht ausreichend ansah, den gesetzlichen Anforderungen des § 25 Abs 13 BWG aF (nunmehr § 27a BWG idF BGBl I 2013/184) zu entsprechen, einen sachlichen Grund für die Kündigung des Vertrags erblickte, ist dies nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die weitere Überlegung des Berufungsgerichts, wonach es als sachlich gerechtfertigt anzusehen ist, dass die beklagte Partei ein einheitliches System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs schaffen will und mit den Klägerinnen nur Verträge mit weitgehenden selben Konditionen schließen will, wie sie mit den übrigen 58 Primärbanken bestehen.

2.3. Der Bescheid der FMA erfüllt auch nicht den Tatbestand des rechtswidrigen Zwangs durch einen Dritten nach § 875 ABGB, würde dieser doch die Teilnahme oder das „Wissen“ des Vertragspartners voraussetzen. Dabei ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die Bescheide der FMA in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof bzw dem Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig aufgehoben wurden. Dies macht die in der Androhung von Zwangsstrafen nach dem BWG zu erblickende Drohung noch nicht „ungerechtfertigt“, weil dies nach der Rechtsprechung nicht ex post, sondern vielmehr ex ante zu beurteilen ist (8 ObA 26/14b).

2.4. Die Rechtsprechung, wonach dann wenn der einzige Grund für den Abschluss eines Mietvertrags ein behördlicher Auftrag ist, und dieser Auftrag im Instanzenzug beseitigt werde, auch der Mietvertrag damit hinfällig werde (1 Ob 618/50 JBl 1951, 182; 3 Ob 325/54; RIS‑Justiz RS0038452) bezog sich auf Mietverträge, die aufgrund von verwaltungsbehördlichen (§ 17 Abs 2 WAG) Wohnungsanforderungs‑ und Zuweisungsbescheiden zustande gekommen sind. Zudem betrafen diese Entscheidungen nicht einen Tatbestand nach § 870 ABGB, sondern einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (beachtlicher Motivirrtum) im Sinne des § 901 ABGB.

3. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

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