OGH 8ObA19/16a

OGH8ObA19/16a29.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und ADir. Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Fachverband der M*****industrie, *****, vertreten durch Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, *****, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00019.16A.0329.000

 

Spruch:

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass die Kündigung der „Betriebsvereinbarung über die Umstellung der bestehenden Akkordentlohnung und akkordähnlichen Prämien im Leistungslohn auf das Zeitlohnsystem mit Zielgruppenprämienentlohnung für ArbeiterInnen“ diese mit 31. 12. 2015 beendet hat, ohne dass diese Betriebsvereinbarung gemäß § 32 Abs 3 ArbVG nachwirkt, wird abgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Feststellungsantrags selbst zu tragen.

Begründung

Antragsteller und Antragsgegner sind kollektivvertragsfähige Körperschaften.

Am 28. 11. 2012 wurde zwischen einem bestimmten Arbeitgeber mit dem zuständigen Arbeiterbetriebsrat für einen bestimmten Betriebsstandort die „Betriebsvereinbarung über die Umstellung der bestehenden Akkordentlohnung und akkordähnlichen Prämien im Leistungslohn auf das Zeitlohnsystem mit Zielgruppenprämienentlohnung für ArbeiterInnen“ abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung enthält unter anderem folgende Bestimmung:

Diese Betriebsvereinbarung tritt mit 1. 1. 2013 in Kraft und ersetzt die bisherige 'Betriebsvereinbarung über Leistungsentlohnung' vom 19. 01. 1995. Es gelten hinsichtlich Beendigung im Weiteren die Bestimmungen des § 96 Abs 2 ArbVG, wonach eine Kündigung von jedem der Vertragspartner jederzeit unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zu jedem Monatsende schriftlich erfolgen kann. Die Vertragsparteien vereinbaren als ersten möglichen Kündigungstermin den 31. 12. 2013. Im Fall einer Kündigung entfällt das Zielgruppenprämien‑Modell zur Gänze, die Entlohnung im Zeitlohnsystem (RegiearbeiterIn) bleibt jedoch aufrecht.

Mit Schreiben des Betriebsinhabers vom 29. 9. 2015 wurde die Betriebsvereinbarung zum 31. 12. 2015 gekündigt.

Am 8. 2. 2016 brachte der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren (dort Antragsteller) zu 9 ObA 18/16m einen Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG mit folgendem Begehren ein:

Der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass

1. es sich bei einer Betriebsvereinbarung (Zielgruppenprämien-Modell) mit den Prämienkomponenten Quantität und Qualität, welche je zur Hälfte die Höhe der Prämie beeinflussen können, um ein leistungs- und erfolgsbezogenes Prämiensystem iSd § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG handelt;

2. nach Erlöschen der Betriebsvereinbarung über ein Zielgruppenprämien‑Modell durch Kündigung, die unmittelbar vor ihrem Erlöschen durch sie erfassten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei Erfüllung der Voraussetzungen der Prämienzahlung weiterhin Anspruch auf Bezahlung dieser Prämie haben. Dieser Anspruch besteht, solange für diese Arbeitsverhältnisse nicht eine neue Betriebsvereinbarung wirksam oder mit den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nicht eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird;

3. die Rechtswirkung einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG, nach ihrem Erlöschen durch Kündigung (§ 32 Abs 3 ArbVG), durch eine Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem Betriebsinhaber nicht ausgeschlossen werden kann.

Im hier vorliegenden Verfahren wurde der Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG am 11. 3. 2016 eingebracht.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs 2 ASGG können kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber bzw der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Feststellungsantrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist (8 ObA 76/14f). Der Antrag muss einen Sachverhalt enthalten, der ein Feststellungsinteresse begründet. Dementsprechend muss er der Prävention und der Prozessökonomie dienen. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, hypothetische Fragen zu beantworten oder ein reines Rechtsgutachten zu erstellen (9 ObA 168/05d). Gemäß § 54 Abs 4 ASGG hat der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0109384).

Nach seiner Zweckbestimmung soll das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG somit der Beantwortung konkreter arbeitsrechtlicher Fragen des materiellen Rechts dienen, die von den Verfahrensparteien unterschiedlich gelöst werden. Ist der geltend gemachte Rechtsanspruch, der den Gegenstand des Verfahrens bildet, zwischen den Parteien nicht strittig, so ist diese Zweckbestimmung des besonderen Feststellungsverfahrens demnach nicht erfüllt. Dies hat Auswirkungen auf die Beurteilung des rechtlichen Interesses für den Feststellungsantrag, zumal dieses das Verfahrensinteresse der antragstellenden Körperschaft notwendigerweise mit einschließt (8 ObA 14/13m).

2.1 Der Antragsteller verweist im hier vorliegenden Antrag auf das früher anhängig gemachte Parallelverfahren zu 9 ObA 18/16m. Gegenstand des Antrags (im Parallelverfahren) sei die Frage, ob die in der zugrunde liegenden Betriebsvereinbarung geregelte nachwirkungslose Beendigung (der Betriebsvereinbarung) im Fall einer Kündigung (derselben) zulässig vereinbart worden sei. Da im Parallelverfahren wesentliche Sachverhaltselemente vom dortigen Antragsteller (hier Antragsgegner) nicht vorgetragen worden seien, die „allenfalls“ zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten, sehe sich der Antragsteller im vorliegenden Verfahren veranlasst, seinerseits einen besonderen Feststellungsantrag zum gleichen Thema unter Schilderung des vollständigen Sachverhalts zu stellen.

In der Folge wird im hier vorliegenden Feststellungsantrag der Abschluss und die Kündigung der zugrunde liegenden Betriebsvereinbarung geschildert. Zudem wird ausgeführt, dass die Parteien der Betriebsvereinbarung übereinstimmend die Ansicht vertreten hätten, dass es sich um eine fakultative Betriebsvereinbarung iSd § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG handle. Schließlich wird ausgeführt, dass die Parteien eine eigenständige Beendigungsregel in der Betriebsvereinbarung vereinbart hätten. Die entsprechende Bestimmung der Betriebsvereinbarung wird sodann dargestellt.

Im sich daran anschließenden Pkt 2 des Feststellungsantrags stellt der Antragsteller seine Rechtsansicht dar, derzufolge der Ausschluss der Nachwirkung der Betriebsvereinbarung (§ 32 Abs 3 ArbVG) für den Fall der Kündigung derselben („die nachwirkungslose Kündigungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung“) in der Betriebsvereinbarung zulässig vereinbart worden sei. In diesem Pkt 2 enthält der Antrag nur Rechtsausführungen.

2.2 Der zu beurteilende Feststellungsantrag stellt nicht dar, worin im Vergleich zum Antrag im früher anhängig gemachten Parallelverfahren zu 9 ObA 18/16m die vervollständigten Sachverhaltsangaben bestehen sollen. Der Antrag enthält überhaupt nur rudimentäre Sachverhaltsdarstellungen.

Ein Blick in den Antrag im Parallelverfahren bestätigt dieses Bild. Dort wird (übereinstimmend) der Abschluss und die Kündigung der zugrunde liegenden Betriebsvereinbarung beschrieben. Ebenso wird ausgeführt, dass die Betriebsvereinbarung als solche nach § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG zu qualifizieren sei. Neben weiteren Regelungen der Betriebsvereinbarung wird auch die Beendigungsregel (Kündigungsmöglichkeit), die in der Betriebsvereinbarung enthalten ist, dargestellt.

Ein abweichender Sachverhalt zwischen beiden Anträgen, geschweige denn ein solcher, dem für die Beurteilung der strittigen Rechtsfrage Relevanz zukommen würde, lässt sich dem vorliegenden Antrag nicht entnehmen. Der Antrag kann daher nicht zu einer weiteren Klärung der relevanten Rechtslage beitragen und damit nicht der Prävention und der Prozessökonomie dienen. In einem solchen Fall fehlt es dem Feststellungsantrag am Feststellungsinteresse.

Das Fehlen des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen und führt zur Abweisung des Feststellungsantrags (8 ObA 72/15v). Aus diesem Grund und weil der Antragsgegner nicht beschwert ist, musste diesem keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

3. Insgesamt liegen die Voraussetzungen für den zu beurteilenden Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG nicht vor. Der Antrag war daher abzuweisen.

Im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch zu (§ 58 Abs 1 ASGG).

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