OGH 13Os137/15v

OGH13Os137/15v9.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schönmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian B***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mihael V***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 13. August 2015, GZ 46 Hv 39/15f‑174, sowie die Beschwerden der Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und Verlängerung der Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00137.15V.0309.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation in Ansehung der sichergestellten Munition für die Gasdruckpistole aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Mihael V***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ Mihael V***** (jeweils idF vor BGBl I 2015/112) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 „erster und vierter“ Fall, 15 StGB teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (A/I, A/II und B), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (C) sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ zusammengefasst ‑ in W***** und an anderen Orten

A/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern anderen im Urteil näher bezeichnete fremde bewegliche Sachen durch Einbruch weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

I/ in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 2015 Gewahrsamsträgern einer T*****-Filiale Sachen im Wert von zumindest 3.601,48 Euro;

II/ in der Nacht vom 31. Jänner auf den 1. Februar 2015 Gewahrsamsträgern der L***** GmbH Sachen im Wert von zumindest 550 Euro;

B/ andere „zu strafbaren Handlungen (Diebstählen)“ bestimmt, und zwar

1. am 1. Februar 2015 eine unbekannte Täterin, die in W***** Gewahrsamsträgern der D***** AG in zwei Angriffen 450 Euro und in F***** Gewahrsamsträgern der V***** eG in einem Angriff 200 Euro wegnahm, wobei es bei einem weiteren Angriff beim Versuch blieb,

2. am 2. Februar 2015 Christian B*****, der in zwei Angriffen Gewahrsamsträgern der V***** eG und der Wi***** Bargeld wegzunehmen versuchte und Gewahrsamsträgern der B***** Aktiengesellschaft 10 Euro wegnahm,

indem er die unbekannte Täterin und Christian B***** jeweils zur Behebung mit den von ihm und einem unbekannten Täter anlässlich der zu C/ näher beschriebenen Handlung entfremdeten Bankomatkarten aufforderte, ihnen diese samt PIN‑Codes übergab und beide zu den Bankomaten chauffierte, „wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“;

C/ mit einem unbekannten Täter in der Zeit vom 31. Jänner 2015 bis zum 1. Februar 2015 unbare Zahlungsmittel, über welche sie nicht verfügen durften, nämlich zwei Bankomatkarten lautend auf die L***** GmbH und eine Bankomatkarte lautend auf Lukas N*****, sich mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden, indem sie diese anlässlich der zu A/II näher beschriebenen Handlung an sich nahmen;

F/ am 23. Februar 2015 Christian B***** durch die Aufforderung zur Tat, die Übergabe der Gasdruckpistole und die Verbringung zum Tatort mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dazu bestimmt, dass dieser am selben Tag in W***** der Meltem Ö***** mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich indem er ihr Schläge und Tritte versetzte, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), nämlich indem er ihr eine Gasdruckpistole vorhielt und sie derart dazu zwang, den Tresor zu öffnen, im Urteil näher bezeichnete fremde bewegliche Sachen im Wert von 3.601,48 Euro abnötigte, wobei der Genannte den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mihael V*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich inhaltlich ausschließlich gegen den Schuldspruch F/ und behauptet eine unzureichende (Z 5 vierter Fall) sowie eine unvollständige (Z 5 zweiter Fall) Begründung der Feststellungen, wonach der Angeklagte Mihael V***** eine Gasdruckpistole besorgte und diese Christian B***** für die Durchführung des Raubüberfalls übergab (US 21). Sie erschöpft sich im Wesentlichen in dem Vorwurf, das Erstgericht sei zu Unrecht den Angaben des umfassend geständigen (US 25) Christian B***** gefolgt, in der Kritik an der tatrichterlichen Überzeugung von dessen Glaubwürdigkeit (siehe aber RIS‑Justiz RS0106588) und in eigenen Erwägungen zu dessen Aussageverhalten. Damit bekämpft sie ausschließlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung. Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellt es weder einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) noch eine „unzulässige Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ (Z 5 vierter Fall) dar, wenn die Tatrichter einem Zeugen oder (Mit‑)Angeklagten bezüglich eines Teils seiner Angaben folgen, bezüglich anderer Angaben hingegen nicht (RIS‑Justiz RS0098372).

Mit der Kritik, die Tatrichter hätten die bekämpften Feststellungen auch darauf gestützt, dass beim Beschwerdeführer Munition für eine Gasdruckpistole sichergestellt worden sei (US 27), ohne zu berücksichtigen, dass die vorgefundenen Patronen für eine Gasdruckwaffe des aufgefundenen Typus nicht geeignet seien, und mit weiteren Erwägungen über das fehlende Magazin dieser Pistole zeigt der Nichtigkeitswerber keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) auf. Nennt er damit doch ‑ überdies ohne Angabe der Fundstelle im umfangreichen Akt (vgl RIS-Justiz RS0124172) ‑ keine konkreten Verfahrensergebnisse, zu deren Erörterung das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen verpflichtet war (vgl RIS-Justiz RS0118316).

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 5 beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162 [T5]).

Soweit sich die Beschwerde mangels ausdrücklicher Einschränkung ihrer Anfechtungserklärung auch gegen die Schuldsprüche A/I, A/II, B/ und C/ wendet, diese jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, verabsäumt sie die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) Nichtigkeit begründender Umstände. In diesem Umfang war auf sie daher keine Rücksicht zu nehmen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist anzumerken, dass der in Ansehung des Nichtigkeitswerbers (zu A/I, A/II und B/) sowie hinsichtlich des Mitangeklagten Christian B***** (zu A/I und A/III) in der Annahme der Qualifikation (auch) nach § 130 erster Fall StGB gelegene Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil für diese Angeklagten darstellt, weil er sich angesichts der weiteren Qualifikationen nicht auf die Strafdrohung auswirkte. Da die rechtsfehlerhaft angenommene Qualifikation bei der Strafbemessung nicht erschwerend gewertet wurde (vgl US 37), liegt auch keine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 StPO vor (zum Ganzen: RIS‑Justiz RS0113957; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil in dem den Angeklagten Mihael V***** betreffenden (US 27) Konfiskationserkenntnis in Ansehung der sichergestellten Munition (US 9) nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet. Das Erstgericht stellte nämlich weder fest, ob der Genannte diese zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet, sie dazu bestimmt oder hiedurch hervorgebracht hat, noch ob sie zur Zeit der Entscheidung in seinem Eigentum stand (§ 19a Abs 1 StGB). Da sich die Berufung des Nichtigkeitswerbers bloß gegen die verhängte Freiheitsstrafe (nicht auch gegen die Konfiskation) richtet, ist dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung dieser Nichtigkeit zugunsten des Angeklagten Mihael V***** nicht möglich, weshalb sie vom Obersten Gerichtshof gemäß §§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO aufzugreifen war (14 Os 72/15t, 15 Os 187/15m, jeweils mwN; zur Argumentation von Schmoller , 1/SN‑187/ME 24. GP, vgl Lässig in WK 2 FinStrG Vor FinStrG Rz 23).

In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, dass in Ansehung der sichergestellten Munition nach den Konstatierungen auch die Voraussetzungen für eine Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB nicht vorliegen (vgl 14 Os 114/14t).

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (siehe hinsichtlich des Angeklagten § 498 Abs 3 dritter Satz StPO) kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i StPO, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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