OGH 1Ob213/15b

OGH1Ob213/15b24.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Erlagssache der Antragstellerin F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Andréewitch und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. E***** AG, *****, vertreten durch die Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OG, Wien, wegen Gerichtserlags nach § 1425 ABGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. September 2015, GZ 12 R 91/15p‑14, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Juli 2015, GZ 61 Nc 3/15y‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00213.15B.1124.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Im Erlagsverfahren hat das Erlagsgericht den Erlagsantrag nur auf seine Schlüssigkeit hin zu prüfen. Bei mehreren Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn für diesen auch bei sorgfältiger Prüfung objektive Schwierigkeiten bestehen, in Ansehung seiner Leistung den Berechtigten zu erkennen (RIS‑Justiz RS0033597). Der Erlag befreit den Schuldner daher nicht, wenn dieser bei zumutbarer Prüfung leicht erkennen kann, wer der richtige Gläubiger ist (vgl RIS‑Justiz RS0033644). Forderungsprätendent ist derjenige, der Anspruch auf die Leistung, die der Schuldner zu erbringen hat, erhebt (8 Ob 57/15p = immolex 2015/79, 254 [ Prader ] = RIS‑Justiz RS0118340 [T5]). Eine Unklarheit der Rechtslage kann ein Grund zum Erlag sein (RIS‑Justiz RS0033545; RS0033610). Auch wenn aufgrund verschiedener Ansprüche die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners durch unterschiedliche Prätendenten besteht, kann ein Erlag unter Umständen gerechtfertigt sein (zuletzt 8 Ob 57/15p mwN).

Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG begründen (RIS‑Justiz RS0116144).

2. Wenn die Erstantragsgegnerin die Rechtmäßigkeit des Gerichtserlags wegen bloßer Teilzahlung bestreitet, ist darauf zu verweisen, dass im Erlagsverfahren noch nicht zu klären ist, ob der Hinterlegung tatsächlich schuldbefreiende Wirkung im Verhältnis zum Gläubiger zukommt. Diese Wirkung setzt gemäß § 1425 Satz 2 ABGB voraus, dass zum Zeitpunkt der Hinterlegung tatsächlich ein vorgesehener Hinterlegungsgrund vorgelegen ist (vgl RIS‑Justiz RS0033636 [T1]). Ob dies der Fall ist oder nicht, wird nicht im gerichtlichen Hinterlegungsverfahren geprüft (RIS‑Justiz RS0033489; RS0033495; zuletzt etwa 3 Ob 88/14h mwN).

3. Dass die Hinterlegung von vornherein nicht geeignet wäre, die Tilgung einer Schuld herbeizuführen, haben die Vorinstanzen vertretbar verneint. Die Antragstellerin hat den von ihr entsprechend dem rechtskräftigen Teilurteil geschuldeten Gesamtbetrag inklusive Zinsen hinterlegt. Durch die Einklagung und Titulierung eines Forderungsteils wird eine eigene Schuldpost (im Sinn des § 1415 ABGB) geschaffen (3 Ob 113/13h mwN = ecolex 2013/391, 977 [ Schmiedl ] = RIS‑Justiz RS0033286 [T3]; Koziol in KBB 4 § 1415 ABGB Rz 3). Da die Antragstellerin den gesamten titulierten Betrag hinterlegt hat, kann entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht (wie im Fall der von ihr ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 539/78 = SZ 51/42) von einer Teilzahlung gesprochen werden, worauf schon das Rekursgericht hinwies.

4. Nicht zu beanstanden ist, dass das Rekursgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB bejahte, auch wenn die Erlegerin als Beklagte des von der Erstantragsgegnerin gegen sie geführten Prozesses dort nicht eingewandt hatte, dass sie allenfalls nur zum gerichtlichen Erlag der eingeklagten Forderung zu verurteilen wäre, und sie im Falle einer Exekutionsführung aufgrund des Teilurteils diesen Einwand im Oppositionsstreit nicht mehr nachholen könnte, weil gemäß § 35 Abs 1 EO ausschließlich nach dem für das Entstehen des Exekutionstitels maßgebenden Zeitpunkt eingetretene Tatsachen einen Oppositionsgrund bilden. Zwar ist die Hinterlegung unzulässig, wenn sie nicht geeignet ist, eine Tilgung der Schuld herbeizuführen, jedoch ist im Erlagsverfahren im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung nicht zu beurteilen, ob im Hinblick auf den angenommenen Erlag ein Oppositionsgrund im Sinn des § 35 Abs 1 EO vorliegt oder die Forderungsverpfändung an die Zweiterlagsgegnerin, die der Zahlung an die Erstantragsgegnerin nicht zustimmt, einen Oppositionsgrund im Sinn des § 35 Abs 1 EO bildet.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte