OGH 7Ob180/15v

OGH7Ob180/15v19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Juli 2015, GZ 1 R 61/15w‑10, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. Februar 2015, GZ 19 Cg 88/14h‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00180.15V.1119.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht begründete die Zulassung der ordentlichen Revision damit, dass die Beurteilung bisher noch nicht geprüfter Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine erhebliche Rechtsfrage darstelle.

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die beklagte Bank verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die in ihrer Fassung vom August 2013 unter anderem folgende Klauseln enthalten:

V. ENTGELTE FÜR LEISTUNGEN UND AUFWANDERSATZ

...

B. Entgelts- und Leistungsänderungen gegenüber Verbrauchern außerhalb der Zahlungsdienste

Z 44. (1) Mangels anderer Vereinbarung werden die mit Verbrauchern vereinbarten Entgelte für die vom Kreditinstitut erbrachten Dauerleistungen (ausgenommen Zinsen), jährlich mit Wirkung ab dem 1. April jeden Jahres der Entwicklung des von der Statistik Austria veröffentlichten nationalen Verbraucherpreisindex 2000 (Indexwert des der Entgeltanpassung vorangehenden Dezember verglichen mit der Ausgangsbasis Dezember 2002) angepasst (erhöht oder gesenkt), wobei jeweils eine kaufmännische Rundung auf ganze Cent erfolgt. Erfolgt bei Erhöhung des Index eine Anhebung der Entgelte aus welchen Gründen immer nicht, so ist dadurch das Recht auf Anhebung in den Folgejahren nicht verloren gegangen. Entgeltanpassungen erfolgen frühestens nach Ablauf zweier Monate, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

(2) Über Absatz (1) hinausgehende Änderungen der Leistungen des Kunden sowie Änderungen der Leistungen des Kreditinstituts sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich. Derartige Änderungen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorgeschlagen. Die Zustimmung des Kunden zu diesen Änderungen gilt als erteilt und die Änderungen gelten damit als vereinbart, wenn der Kunde dem Kreditinstitut seine Ablehnung nicht vor dem geplanten Zeitpunkt des Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt hat. Die oben genannte Mitteilung an den Kunden kann in jeder Form erfolgen, die mit ihm vereinbart worden ist. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Mitteilung darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen im oben genannten Sinne als Zustimmung zur Änderung gilt.

(3) …

C. Änderung der in einem Rahmenvertrag für Zahlungsdienste mit Verbrauchern vereinbarten Leistungen des Kreditinstituts und Entgelte des Kunden

Z 45. (1) Änderungen der in einem Rahmenvertrag für Zahlungsdienste (insbesondere des Girovertrages) vereinbarten Entgelte (einschließlich Soll- und Habenzinsen, soweit die Änderung nicht auf Grund der Bindung des Zinssatzes an einen Referenzzinssatz erfolgt) und die Einführung von Entgelten sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich. Derartige Änderungen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorgeschlagen. Die Zustimmung des Kunden zu diesen Änderungen gilt als erteilt und die Änderungen gelten damit als vereinbart, wenn der Kunde dem Kreditinstitut seine Ablehnung nicht vor dem geplanten Zeitpunkt des Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt hat. Die oben genannte Mitteilung an den Kunden kann in jeder Form erfolgen, die mit ihm vereinbart worden ist. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Mitteilung darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen im oben genannten Sinne als Zustimmung zur Änderung gilt. Der Kunde hat das Recht, den Rahmenvertrag vor dem Inkrafttreten der Änderungen kostenlos fristlos zu kündigen. Auch hierauf wird das Kreditinstitut in seiner Mitteilung an den Kunden hinweisen.

Eine einzelne Änderung von Entgelten im Sinne dieses Absatzes ist mit einer Erhöhung von maximal 15 % des zuletzt gültigen Entgelts begrenzt.

(2) Das gleiche gilt für die Vereinbarung von Änderungen von in einem Rahmenvertrag für Zahlungsdienste vereinbarten Leistungen der Bank sowie die Vereinbarung der Einführung neuer zusätzlich zu entgeltender Leistungen.

D. ...“

2.1. Vom Kläger ‑ ein Verein nach § 29 Abs 1 KSchG ‑ werden die Klauseln Z 44 Abs 2 und Z 45 AGB beanstandet. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits mehrmals (1 Ob 210/12g; 2 Ob 131/12x; 8 Ob 58/14h; 9 Ob 26/15m) aus Anlass von gegen andere Banken gerichteten Verbandsklagen im Wesentlichen inhaltsgleiche Klauseln zu beurteilen. Übereinstimmend wurde ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und gegen § 879 Abs 3 ABGB angenommen.

Zur Begründung der Intransparenz wurde darauf verwiesen, dass die jeweilige Klausel Änderungen des Vertrags über eine Zustimmungsfiktion nach Inhalt und Ausmaß nahezu unbeschränkt zulässt. Welche Leistungen die Bank mit fingierter Zustimmung einschränken könne, bleibt völlig unbestimmt, ebenso der Umfang einer Änderung der vom Kunden zu entrichtenden Entgelte.

Eine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB wurde darin gesehen, dass die jeweilige Klausel nicht einmal ansatzweise irgendeine Beschränkung erkennen lasse, die den Verbraucher vor dem Eintritt unangemessener Nachteile bei Änderungen des Vertrags mittels Zustimmungsfiktion schützen könnte. Sie lässt eine Änderung wesentlicher Pflichten der Parteien (Leistung und Gegenleistung) zu Gunsten der Bank in nahezu jede Richtung und in unbeschränktem Ausmaß zu. Nicht nur die Änderung der vom Kunden zu entrichtenden Entgelte wird ermöglicht; geändert werden können auch ohne irgendeine Einschränkung alle von der Bank geschuldeten Leistungen.

2.2. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt für die Klausel Z 44 Abs 2 AGB.

Die Klausel Z 45 AGB beschränkt die Möglichkeit von Entgelterhöhungen auf 15 % des zuletzt gültigen Entgelts; dies erfolgt allerdings ohne zeitliche Mindestgeltungsdauer, weshalb diese Beschränkung durch wiederholte Entgeltänderungen ohne weiteres umgangen werden kann. Damit gelten die oben angeführten Grundsätze auch für Entgelterhöhungen ebenso wie für die Einführung neuer Entgelte und Leistungsänderungen der Beklagten, wofür überhaupt keine Grenzen bestehen.

3. Nach § 409 Abs 2 ZPO kann der Richter auch bei Unterlassungsklagen eine angemessene Leistungsfrist festlegen, wenn die Unterlassungspflicht die Pflicht zur Änderung eines Zustands einschließt (RIS‑Justiz RS0041265 [T1]). Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Verpflichtung des beklagten Verwenders, seine AGB zu ändern, keine reine Unterlassung, sodass das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO eine angemessene Leistungsfrist zu setzen hat (RIS‑Justiz RS0041265 [T3]). Die Revisionswerberin verweist zwar zutreffend darauf, dass sie gemäß § 29 Abs 1 Z 1 ZaDiG dem Zahlungsdienstnutzer Änderungen des Rahmenvertrags spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung vorzuschlagen hat. Im vorliegenden Fall sind von der Änderung jedoch bloß zwei Klauseln betroffen, sodass die von den Vorinstanzen gesetzte Frist von vier Monaten im konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden ist.

4. Zweck der Urteilsveröffentlichung nach § 30 KSchG ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS‑Justiz RS0121963). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage auch darin, dass die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- oder sittenwidrig sind (RIS‑Justiz RS0121963 [T7], RS0079764 [T22]). Die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf der Website des beklagten Unternehmens wird dem Aufklärungsbedürfnis der Allgemeinheit für sich allein im Regelfall nicht gerecht (4 Ob 117/14f; vgl auch RIS‑Justiz RS0121963 [T10]). Das Gericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls das Veröffentlichungsbegehren (auch seinem Umfang nach) rechtfertigen. Seine Entscheidung hat ‑ vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ im Allgemeinen keine über den zu beurteilenden Fall hinausgehende Bedeutung (4 Ob 237/03m).

Die Beklagte verfügt über 26 Filialen in acht Bundesländern und hatte im Jahr 2013 145.000 Kunden. Aufgrund dieser Geschäftstätigkeit und der Bedeutung der beanstandeten Klauseln bedarf die von den Vorinstanzen ausgesprochene Urteilsveröffentlichung in einer Samstagsausgabe der Kronen-Zeitung keiner Berichtigung durch den Obersten Gerichtshof.

5. Die Revision ist demnach unzulässig und zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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