OGH 13Os93/15y

OGH13Os93/15y28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin L***** wegen Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 20. Mai 2015, GZ 38 Hv 57/14v‑136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1 und 15 StGB (I) und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Krems an der Donau zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 1 Bundesgesetz vom 24. Mai 1929 gegen den Missbrauch von Notzeichen (II) wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Angeklagte Martin L***** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde ebenso auf die Aufhebung verwiesen wie beide Rechtsmittelwerber mit ihren Berufungen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin L***** mehrerer Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1 und 15 StGB (I) und des Vergehens nach § 1 Bundesgesetz vom 24. Mai 1929 gegen den Missbrauch von Notzeichen (II) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er

I/ an fremden Sachen ohne Einwilligung des Eigentümers durch Einbringung fremder Zündquellen, teils unter Zuhilfenahme brandunterstützender Flüssigkeiten, Feuersbrünste verursacht, nämlich

1/ in M*****, wobei es jeweils beim Versuch blieb,

a/ am 26. November 2012 an einem auf einem Holzlagerplatz gelagerten Holzstoß der V***** GmbH,

b/ am 22. März 2013 an einem Holzstoß auf einen Holzlagerplatz von Franz S*****, Johann K***** und Manfred E*****,

c/ am 7. April 2013

aa/ an einem unmittelbar neben dem Wohnhaus und einer Kirche befindlichen Holzstoß der Sabine W*****,

bb/ an der unmittelbar an Weinberge angrenzenden Gartenhütte der Susanne T*****,

d/ am 4. August 2013

aa/ am Mischwald der Stadtgemeinde M***** durch Anzünden zweier Holzstümpfe und

bb/ an einem in einem Mischwald gelagerten Holzstoß des Karl H***** sowie

2/ in K*****

a/ am 30. Jänner 2014 an der Gartenhütte des Franz Lu*****,

b/ am 8. Februar 2014 am Bürogebäude des Dr. Werner Sc***** durch Anzünden des direkt an ein Gebäude angrenzenden Müllcontainers, wobei es beim Versuch blieb, und

c/ am 14. März 2014 an der Gartenhütte des Dipl. Ing. Johann F*****, weiters

II/ am 18. Februar 2014 in K***** vorsätzlich durch eine falsche Notmeldung, nämlich die fälschliche Meldung eines Brands einer Gartenhütte, den Dienst der Feuerwehr K***** in Anspruch genommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Ein Eingehen auf das Rechtsmittelvorbringen gegen die Schuldsprüche zu I/ erübrigt sich, weil sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte, dass diesen, wie auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt, der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Wie von der Judikatur mehrfach betont (12 Os 149/09t mwN) stellt der Begriff der Feuersbrunst auf eine enge Verflechtung der erforderlichen räumlichen Ausdehnung und der mangelnden Bekämpfbarkeit mit gewöhnlichen Mitteln ab. Solcherart muss das Feuer zum einen gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein, zum anderen ist die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung (vgl ErläutRV 30 BlgNR 13. GP 317).

Das bedeutet allerdings nicht, dass stets dann, wenn der Brand aufgrund seiner räumlichen Ausdehnung mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrscht werden kann oder auch ohne Einsatz der rasch eingetroffenen Feuerwehr nicht mehr beherrschbar gewesen wäre, eine Feuersbrunst zu bejahen wäre. Vielmehr ist damit nur eine notwendige Bedingung erfüllt.

Tritt zu der durch die räumliche Ausdehnung bedingten Unlöschbarkeit nicht eine ‑ wenngleich bloß abstrakte ‑ Gefährdung für Leib oder Leben einer (nicht unbedingt größeren, so doch nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkten, somit unbestimmten) Zahl von Menschen (eingehend dazu 13 Os 54/06z, EvBl 2006/173, 905; vgl Kienapfel / Schmoller StudB BT III 2 §§ 169 bis 170 Rz 11; abstellend auf eine größere Zahl von Menschen Flora in SbgK § 169 Rz 42 und Hinterhofer / Rosbaud BT II 5 Rz 12; Murschetz in WK 2 StGB § 169 Rz 8 ff verlangt eine insoweit konkrete Gefahr) oder eine konkrete Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß (vgl Flora in SbgK § 169 Rz 45 ff; Murschetz in WK 2 StGB § 169 Rz 8 ff; enger Hinterhofer / Rosbaud BT II 5 § 169 Rz 13 und Kienapfel / Schmoller StudB BT III 2 §§ 169 bis 170 Rz 12), liegt eine Feuersbrunst nicht vor. Denn erst darin äußert sich die in der Überschrift des 7. Abschnitts des BT des StGB angesprochene Gemeingefährlichkeit im Sinn der Tatbestände nach §§ 169 f StGB (aA Mayerhofer in WK 2 StGB [2007] § 169 Rz 3 f, der nur auf das Ausmaß des entfesselten Feuers abstellt; Fabrizy, StGB 11 § 169 Rz 6 f). Treffen die angesprochenen Kriterien kumulativ zu, kommt es auf eine darüber hinausgehende Weiterverbreitung des Feuers nicht an.

Auf der subjektiven Tatseite verlangt der Tatbestand der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB, dass sich der Vorsatz des Täters auf alle Tatbestandsmerkmale, sohin auch auf die erforderliche, vom Gericht festzustellende (vgl 14 Os 59/04) Gefährdung im dargestellten Sinn erstreckt ( Murschetz in WK 2 StGB § 169 Rz 8, 11, 14; Kienapfel / Schmoller , StudB BT III 2 §§ 169 bis 170 Rz 39 und 43). Die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte wusste und sich damit abfand, durch das Anzünden fremder Sachen einen Vermögensschaden herbeizuführen, und es dabei weiters ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, ausgedehnte, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr zu kontrollierende, den Einsatz der Feuerwehr notwendig machende Schadensfeuer einschließlich des Übergreifens der Brände auf umliegende Objekte und örtliche Gegebenheiten zu bewirken (US 5 f iVm US 12 f, US 18), decken zwar die Vorsätzlichkeit des Brandlegungsakts im engeren Sinn. Sie vermögen aber die Annahme des subjektiven Unrechtselements in Ansehung von Art und Umfang des entfesselten Schadensfeuers im Sinn des Tatbestandserfordernisses einer Feuersbrunst nicht zu tragen.

Die angeführten Feststellungen lassen keine rechtliche Klarstellung (in Bezug auf die Einordnung der Taten unter § 125 StGB oder § 169 Abs 1 StGB) zu, sodass der Schuldspruch zu I und daraus folgend der Strafausspruch (beinhaltend die Vorhaftanrechnung) sowie mit Blick auf den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Strafausspruch und der Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB (vgl § 435 Abs 2 StPO) auch diese Anordnung zu beheben (RIS‑Justiz RS0091644 [T1], RS01001087) und das Verfahren in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen war.

Die über die Bekämpfung des von der Aufhebung unberührten Schuldspruchs zu II hinausgehende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufungen sind damit gegenstandslos.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde ‑ gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO ‑ inhaltlich gegen den Schuldspruch zu II wendet, kommt ihr keine Berechtigung zu.

Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen (RIS‑Justiz RS0118780 [T12]). Wird behauptet, das Erstgericht habe seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung vernachlässigt, muss die Tatsachenrüge deutlich machen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823, RS0114036; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 480 mwN).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe die Angaben des Beschwerdeführers, seine ehemaligen Betreuer G***** oder J***** hätten die anklagegegenständlichen Taten gezielt gesetzt, um ihn zu belasten, zu Unrecht als Schutzbehauptung verworfen (US 17), ohne entsprechende Nachforschungen über eine zeitliche oder örtliche Verbindung der Genannten zu den Taten zu veranlassen oder sich mit den vom Angeklagten behaupteten Computerkenntnissen des J***** auseinanderzusetzen, verfehlt der Nichtigkeitswerber den dargestellten Anfechtungsrahmen.

Soweit die Tatsachenrüge ‑ im Übrigen ohne den erforderlichen Aktenbezug herzustellen (RIS‑Justiz RS0124172) ‑ auf die „Versorgung“ der He***** OHG in W***** mit nicht näher bezeichneten, der Beschwerdebehauptung zufolge (mit Ausnahme des Nichtigkeitswerbers und seiner Gattin) nur dem J***** bekannten „Informationen“ nach der Verhaftung des Angeklagten und seiner Ehefrau verweist, bleibt sie unverständlich und entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung.

Das Adhäsionserkenntnis findet im ‑ von der Aufhebung unberührten ‑ Schuldspruch II Deckung und konnte solcherart im Sinn des § 289 StPO bestehen bleiben (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 7; vgl auch 13 Os 121/14i).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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