OGH 14Os59/04 (14Os60/04)

OGH14Os59/04 (14Os60/04)13.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juli 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin P***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Stockerau vom 12. Mai 2003, GZ 2 U 118/02h-19, und des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 12. November 2003, AZ 90a Bl 52/03 (ON 24), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Urteile des Bezirksgerichtes Stockerau vom 12. Mai 2003, GZ 2 U 118/02h-19, und des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 12. November 2003, AZ 90a Bl 52/03 (ON 24), verletzen § 170 Abs 1 StGB.

Diese Urteile werden aufgehoben.

Es wird in der Sache selbst dahin erkannt, dass Erwin P***** von der wider ihn wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wird.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Stockerau vom 12. Mai 2003, GZ 2 U 118/02h-19, wurde Erwin P***** des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 4. April 2002 in Stockerau dadurch, dass er auf einem in der Nähe eines Forsthauses gelegenen Holzlagerplatz zwei Zweckfeuer entfachte, um Holzreste zu verbrennen, und sich in weiterer Folge von den Feuerstellen entfernte, ohne diese ausreichend gelöscht zu haben, sodass zwei Holzstöße des Horst A***** in einer Länge von etwa 11 bzw 4 m, einer Höhe von jeweils etwa 1,5 und einer Tiefe von jeweils etwa 1 m durch Funkenflug Feuer fingen, in Vollbrand gerieten und nur durch den Einsatz der Feuerwehr gelöscht werden konnten, fahrlässig an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 12. November 2003, AZ 90a Bl 52/03 (ON 24), wurde seiner dagegen erhobenen Berufung nicht Folge gegeben.

Nach den wesentlichen - vom Berufungsgericht übernommenen - Feststellungen entzündete der Angeklagte am Nachmittag des 4. April 2002 auf einem Holzlagerplatz im Augebiet von Stockerau zwei aus zusammengekehrten Holzstücken, Holzspänen und Laub bestehende Abfallhaufen. Als er sich um etwa 18.30 Uhr von den schon heruntergebrannten Feuerstellen entfernte, überzeugte er sich nicht ausreichend, ob das Feuer schon zur Gänze erloschen war; tatsächlich waren noch Glutreste vorhanden. Durch den in den Nachtstunden aufkommenden Wind wurden Funken aus der noch nicht erkalteten Asche in südliche Richtung vertragen und setzten die in der Nähe befindlichen Holzstöße des Horst A***** in Brand. Zum Zeitpunkt des Eintreffens zweier Gendarmeriebeamter um etwa 23.10 Uhr schlugen die Flammen bereits 2 bis 3 m hoch und konnten mit einfachen, jedermann zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr erfolgreich bekämpft werden. Vielmehr war der Einsatz der Feuerwehr erforderlich, die mit zwei Löschfahrzeugen ausgerückt war und das als Mittelbrand bezeichnete Geschehen mit zwei bis drei C-Strahlrohren bekämpfte. Der gesamte Löschvorgang einschließlich der Nachlöscharbeiten dauerte etwa 30 Minuten, die direkte Eindämmung der Flammenspitzen benötigte einen Zeitraum von etwa 5 Minuten. Ohne Löscheinsatz hätte es zu einer Brandausweitung in Richtung Süden/Südwesten kommen können. In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator folgendes aus:

"Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Feuersbrunst ein - in räumlicher Hinsicht - ausgedehnter, also nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkter, sondern sich weiter ausbreitender Brand zu verstehen, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist (SSt 50/51 = EvBl 1980/71 ua). Essentielles Begriffsmerkmal einer Feuersbrunst ist daher - neben der Unbeherrschbarkeit des Feuers - eine gewisse räumliche Ausdehnung, wobei die beiden Begriffsmerkmale insoweit eng zusammenhängen, als einerseits das Feuer gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein muss, andererseits aber auch die Unbeherrschbarkeit gerade das Maß der erforderlichen Ausdehnung ist. Somit soll es sich um ein aufgrund seiner Ausdehnung (zumindest abstrakt) gemeingefährliches Feuer handeln, wobei sich die Gefährlichkeit aus seiner bereits vorhandenen Größe ergeben muss; die Möglichkeit der zukünftigen Vergrößerung eines (noch) kleinen Feuers genügt nicht (Kienapfel/Schmoller BT III §§ 169-170 Rz 6, 11 und 14). In diesem Sinne ist eine Feuersbrunst beispielsweise gegeben, wenn ein gesamter Wohnblock, Supermarkt, Bahnhof, eine Kirche oder Tankstelle oder zumindest ein Einfamilienhaus brennt (Kienapfel/Schmoller aaO Rz 13 mwN). Hingegen hat die Rechtsprechung das Vorliegen einer Feuersbrunst in Fällen (noch) eingeschränkten Brandumfanges verneint (EvBl 1980/159; 11 Os 76, 77/02; 11 Os 137/03).

Gleiches muss für den vorliegenden Fall gelten, in dem der Brand auf zwei Holzstöße von relativ geringem Umfang beschränkt war und von der Feuerwehr verhältnismäßig rasch gelöscht werden konnte. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Feuerwehreinsatz notwendig war und das Feuer nur unter dem Einsatz anderer als herkömmlicher Löschmittel unschädlich gemacht werden konnte. Auch die - durch den Feuerwehreinsatz beseitigte - Gefahr eines weiteren Ausbreitens des Feuers vermag seine Beurteilung als Feuersbrunst nicht zu begründen (vgl EvBl 1980/159; 11 Os 76, 77/02).

Angesichts dieser räumlichen Ausdehnung des Brandes wäre dessen Herbeiführung in Verfolgung eines Vorsatzes im Sinne des § 169 StGB nicht als vollendete, sondern nur als versuchte Brandstiftung zu beurteilen gewesen; beim Fahrlässigkeitsdelikt nach § 170 Abs 1 StGB kommt ein Versuch aber rechtlich nicht in Betracht (vgl Hager/Massauer WK2 §§ 15, 16 Rz 9 mwN)."

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Die Nichtigkeitsbeschwerde legt zutreffend den Standpunkt der Rechtsprechung dar, wonach der Begriff "Feuersbrunst" auf die enge Verflechtung der Begriffsmerkmale der erforderlichen räumlichen Ausdehnung und der mangelnden Bekämpfbarkeit mit gewöhnlichen Mitteln abstellt, und zwar, dass "das Feuer zum Einen gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein muss, zum Anderen die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung ist" (vgl EBRV 1971, 317).

Das bedeutet allerdings nicht, dass stets dann, wenn der Brand aufgrund seiner räumlichen Ausdehnung mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrscht werden kann, eine Feuersbrunst zu bejahen wäre. Vielmehr ist damit nur eine notwendige Bedingung erfüllt. So hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst den durch den sofortigen Einsatz der Feuerwehr rasch gelöschten "Vollbrand" eines PKW (noch) nicht als Feuersbrunst beurteilt (11 Os 137/03). Tritt demnach zu der durch die räumliche Ausdehnung bedingten Unlöschbarkeit nicht eine - wenngleich bloß abstrakte - Gefährdung für Leib oder Leben oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß hinzu, liegt eine Feuersbrunst nicht vor (vgl Triffterer in Triffterer-Komm § 169 Rz 46). Auch darauf hat der Generalprokurator hingewiesen.

Nach den Feststellungen der angefochtenen Urteile war eine derartige Gefahr nicht gegeben, sodass § 170 Abs 1 StGB infolge verfehlter rechtlicher Beurteilung des vom Angeklagten verschuldeten Brandes als Feuersbrunst im Sinn des § 169 StGB verletzt wurde und der Angeklagte demnach gemäß § 292 letzter Satz StPO von der Anklage freizusprechen war.

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