European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00121.14I.0122.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch I umfassten Tat nach § 130 vierter Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf die diesbezügliche Aufhebung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Raphael P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 (richtig) Z 2, 130 vierter Fall StGB (I) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in Salzburg
(I) am 14. Jänner 2014 im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit der hiefür abgesondert rechtskräftig verurteilten Ramona M***** gewerbsmäßig drei Spielkonsolen im Gesamtwert von rund 650 Euro Gewahrsamsträgern des Drogeriefachmarkts Mü***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er eine Vitrine mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnete, und
(II) am 7. Mai 2014 Daniel S***** durch einen Schlag gegen das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Verletzung, nämlich ein Bruch des Nasenbeins mit Verschiebung der Bruchenden, an sich schwer war.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Mängelrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (12 Os 36/04, ÖJZ‑LSK 2005/34; RIS‑Justiz RS0119370). Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie einzelne Elemente der ‑ eingehenden, den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden (Z 5 vierter Fall) ‑ Urteilsbegründung zum Schuldspruch I (US 8 bis 11) isoliert herausgreift und solcherart als die diesbezüglichen Konstatierungen nicht tragend darzustellen trachtet.
Gerade in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin Ramona M***** beschränkt sich das Erstgericht keineswegs auf „inhaltsleere Floskeln“, sondern legt es seine Erwägungen ausführlich dar (US 8 f).
Den Umstand, dass die Tatrichter ihre Feststellungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers überdies auf die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera stützen (US 10), übergeht die Beschwerde zur Gänze.
Der Schluss vom jeweiligen objektiven Tatgeschehen auf die subjektive Tatseite (US 11, 16) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).
Soweit die Beschwerde zum Schuldspruch I „nähere Feststellungen zur Erlangung des Vitrinenschlüssels“ fordert (der Sache nach Z 10), ohne darzulegen, welche Konstatierungen insoweit zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, entzieht sie sich ebenfalls einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer den angesprochenen Schlüssel Gewahrsamsträgern des Drogeriefachmarkts Mü***** wegnahm und danach mit diesem Schlüssel eine Vitrine öffnete, aus der er (mit entsprechendem Vorsatz) drei Spielkonsolen entnahm (US 5 f), die Subsumtion nach §§ 127, 129 Z 2 StGB sehr wohl tragen. Dass der Schuldspruch insoweit nicht nach Z 2, sondern nach Z 3 des § 129 StGB erfolgte, schadet nicht, weil es sich dabei um rechtlich gleichwertige Begehungsformen einer (unselbständigen) Deliktsqualifikation handelt (13 Os 38/05w, SSt 2005/36; RIS‑Justiz RS0119965, jüngst 12 Os 18/14k, Bertel in WK2 StGB § 129 Rz 24, Salimi SbgK § 129 Rz 123).
Da die Annahme der Gewerbsmäßigkeit (§ 130 StGB) von der amtswegigen Maßnahme betroffen ist (dazu im Folgenden), war auf die Behauptung eines diesbezüglichen Begründungsfehlers nicht einzugehen.
Mit dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Schuldspruch II unterlässt die Beschwerde einmal mehr die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (US 12 bis 15).
Die Behauptung, das Erstgericht habe die Verantwortung des Beschwerdeführers zum Schuldspruch II, wonach er „Daniel S***** lediglich mit der flachen Hand eine Ohrfeige gegeben“ habe, nicht erörtert (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 15).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ‑ ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ‑ schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Gewerbsmäßigkeit verlangt die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der in Rede stehenden strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB, hier § 130 zweiter Satz StGB).
Die in der Legaldefinition der Gewerbsmäßigkeit verwendeten Begriffe „wiederkehrend“ und „fortlaufend“ bringen gemeinsam zum Ausdruck, dass es dem gewerbsmäßig handelnden Täter darauf ankommt, sich durch die wiederholte Begehung der strafbaren Handlung eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen. Dabei stellt die Rechtsprechung stets eine Einzelfallbetrachtung an, als deren Richtschnur folgende Überlegung angesehen werden kann: Je höher die Frequenz der (bereits erfolgten oder intendierten) Angriffe ist, desto geringer sind die Anforderungen an die beabsichtigte zeitliche Ausdehnung des Einnahmenflusses und vice versa (zum Ganzen eingehend Jerabek in WK2 StGB § 70 Rz 7).
Da die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf diese Kriterien den gebotenen Sachverhaltsbezug hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Intention des Angeklagten, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht herstellt, leidet der Schuldspruch I an (vom Angeklagten nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO (13 Os 102/12t, JBl 2013, 677; RIS‑Justiz RS0119090 [insbesondere T8 und T11]).
Dieser Schuldspruch war daher in der Subsumtion nach § 130 vierter Fall StGB schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), was die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und des zugleich ergangenen Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten zur Folge hatte.
Hierauf war der Angeklagte mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu verweisen.
Das Adhäsionserkenntnis findet im ‑ von der Aufhebung unberührten ‑ Schuldspruch II Deckung und konnte solcherart im Sinn des § 289 StPO bestehen bleiben (Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7; vgl auch 13 Os 62/14p).
Die Entscheidung über die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i zweiter Satz StPO).
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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