OGH 12Os149/09t

OGH12Os149/09t26.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michaela R***** wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 27. April 2009, GZ 6 Hv 29/09b-41, sowie über die Beschwerde gegen die zugleich ergangenen Beschlüsse nach §§ 50 ff StGB nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Michel, sowie der Angeklagten und ihres Verteidigers Mag. Hawranek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil samt den ergangenen Beschlüssen nach §§ 50 ff StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer angemeldeten aber nicht ausgeführten Berufung und Beschwerde wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michaela R***** des Vergehens der schweren Sachbeschädigung gemäß §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 8. Oktober 2008 in T***** eine fremde Sache, nämlich das Einfamilienhaus der Margit R*****, ohne Einwilligung der Eigentümerin vorsätzlich dadurch beschädigt bzw zerstört, dass sie mit einem Feuerzeug die Wäsche im Kleiderkasten im 1. Stock des Gebäudes anzündete und so einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden von ca 25.000 Euro herbeiführte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen und auf § 281 Abs 1 Z 9 lit c StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt - wie auch in der Stellungnahme der Generalprokuratur zum Ausdruck gebracht - jedenfalls im Ergebnis Berechtigung zu.

Die Beschwerdeführerin zeigt in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit c inhaltlich Z 9 lit b) zutreffend auf, dass Michaela R***** die leibliche Tochter (vgl US 3 und 6) und damit eine Verwandte in gerader Linie der Margit R***** ist. Da nach den Urteilsfeststellungen ein Vorsatz auf Brandstiftung nicht vorlag, der Wille der Jugendlichen vielmehr auf die bloße Beschädigung des Hauses gerichtet war und daher das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB vorlag, wäre diese Tat als im Familienkreis begangene Sachbeschädigung iSd § 166 Abs 1 StGB nur auf Verlangen der Verletzten zu verfolgen (§ 166 Abs 3 StGB).

Nachdem eine Privatanklage wegen einer Jugendstraftat gemäß § 44 Abs 1 erster Satz JGG unzulässig ist, eine Ermächtigung zur Strafverfolgung iSd § 44 Abs 1 zweiter Satz JGG aber nicht erfolgte (vgl die Zurückziehung der Privatbeteiligung des Opfers in ON 20 und die in der Hauptverhandlung - S 15 in ON 40 - abgegebene Erklärung der Mutter, sich dem Verfahren nicht als Privatbeteiligte anzuschließen), liegt in Bezug auf diese strafbare Handlung ein Strafverfolgungshindernis vor (vgl 14 Os 2/06k, SSt 2007/17).

Das Erstgericht hat es jedoch verabsäumt, den unter Anklage gestellten Sachverhalt auch dahingehend zu prüfen, ob durch das Verhalten der Angeklagten nicht das zu einer Sachbeschädigung nach §§ 125 f StGB echt konkurrierende (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 169 - 170 Rz 6 ff; Fabrizy StGB9 § 170 Rz 1; SSt 49/23; aM Mayerhofer in WK² § 170 Rz 3; Flora in SbgK § 170 Rz 23; Hinterhofer BT II4 § 170 Rz 8: Scheinkonkurrenz) Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB verwirklicht wurde.

Wie in der Judikatur mehrfach dargestellt (vgl 13 Os 54/06z, EvBl 2006/173, 905; 14 Os 59, 60/04; 11 Os 137/03; 15 Os 96/02; 11 Os 76/02), stellt der Begriff der Feuersbrunst auf eine enge Verflechtung der erforderlichen räumlichen Ausdehnung und der mangelnden Bekämpfbarkeit mit gewöhnlichen Mitteln ab. Solcherart muss das Feuer zum Einen gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein, zum Anderen ist die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung (vgl EBRV 1971, 317).

Das bedeutet allerdings nicht, dass stets dann, wenn der Brand aufgrund seiner räumlichen Ausdehnung mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrscht werden kann (oder auch - wie vorliegend festgestellt; US 10 - ohne Einsatz der rasch eingetroffenen Feuerwehr nicht mehr beherrschbar gewesen wäre), eine Feuersbrunst zu bejahen wäre. Vielmehr ist damit nur eine notwendige Bedingung erfüllt.

Tritt zu der durch die räumliche Ausdehnung bedingten Unlöschbarkeit nicht eine - wenngleich bloß abstrakte - Gefährdung für Leib oder Leben einer (nicht unbedingt größeren, so doch nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkten, somit) unbestimmten Zahl von Menschen (eingehend dazu 13 Os 54/06z, EvBl 2006/173, 905; vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 169 - 170 Rz 11; Triffterer in SbgK § 169 Rz 30; Flora in SbgK § 169 Rz 42; auf eine größere Zahl von Menschen abstellend: Hinterhofer BT II4 § 169 Rz 7), oder eine (konkrete, vgl Triffterer in SbgK § 169 Rz 34 f unter Verweis auf EBRV 1971, 318; insoweit enger Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 169 - 170 Rz 12 iVm Vorbem §§ 169 ff Rz 60 f) Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß hinzu, liegt eine Feuersbrunst nicht vor (vgl Triffterer in SbgK § 169 Rz 33, 46; vgl auch Hinterhofer BT II4 § 169 Rz 5 - 7; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 169 - 170 Rz 6 ff; aM Mayerhofer in WK² § 169 Rz 3, der nur auf das Ausmaß des entfesselten Feuers abstellt). Denn erst darin äußert sich die in der Überschrift des Siebenten Abschnitts des BT des StGB angesprochene Gemeingefährlichkeit der Tatbestände nach §§ 169 f StGB.

Treffen die angesprochenen Kriterien kumulativ zu, kommt es auf eine darüber hinaus gehende Weiterverbreitung des Feuers nicht an (vgl SSt 49/23; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 169 - 170 Rz 8; Triffterer in SbgK § 169 Rz 35). Ausreichende Feststellungen zur vorstehend angesprochenen Gefahr fehlen in der angefochtenen Entscheidung (zum Erfordernis entsprechender Konstatierungen: Hinterhofer BT II4 § 169 Rz 7; RIS-Justiz RS0105885; RS0094944; 13 Os 54/06z, EvBl 2006/173, 905), weshalb mit Kassation des Urteils samt den - entgegen § 494 Abs 1 StPO in einem ausgefertigten (vgl RIS-Justiz RS0120887) - Beschlüssen nach §§ 50 ff StGB vorzugehen war.

Im zweiten Rechtsgang wird überdies zu prüfen sein, inwieweit der bei Michaela R***** im Tatzeitpunkt angenommene Zustand der psychischen Unreife mit spät pubertärer Entwicklungsstörung (US 14) und ihr als Impulshandlung infolge eingeschränkter Dispositions- und Diskretionsfähigkeit (US 14 f) eingestuftes Verhalten im Zusammenhalt mit den positiven Präventionsüberlegungen (US 18) und den Aktivitäten der unbescholtenen, geständigen Rechtsmittelwerberin zur Wiedergutmachung (US 17) nicht ein diversionelles Vorgehen nach § 7 JGG iVm dem 11. Hauptstück der StPO indizieren.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil samt den Beschlüssen nach §§ 50 ff StGB aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit ihrer angemeldeten aber nicht ausgeführten Berufung und Beschwerde war die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

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