OGH 5Ob34/15h

OGH5Ob34/15h25.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht hat durch den Hofrat Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi sowie die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17‑19, 1011 Wien, wegen 4.463.952,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2014, GZ 11 R 226/14g‑108, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00034.15H.0925.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin ist ein auf Softwareentwicklung spezialisiertes Unternehmen. Sie begehrte ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch relevant ‑ die Abgeltung von in den Jahren 1999 bis 2006 erbrachten Werkleistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Weiterentwicklung sowie dem Betrieb und der Wartung einer Online‑Bildungssuchmaschine.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie kamen übereinstimmend zum Ergebnis, dass die Beklagte das der Klägerin aus dem Vertrag vom 17. 4. 2005 sowie dem zum 31. 12. 2005 aufgekündigten Wartungs‑ und Betriebsvertrag zugestandene Entgelt vollständig geleistet habe und daher keine vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Beklagten mehr bestünden. Die Beklagte habe die behauptete Forderung auch nicht konstitutiv anerkannt. Ebenso wenig könne ihr ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten angelastet werden, das eine Haftung aus culpa in contrahendo rechtfertige. Dem von der Klägerin geltend gemachten Bereicherungsanspruch stünden die Wertungen des § 1040 ABGB entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin neben Mängeln des Berufungsverfahrens schwerpunktmäßig Fragen im Zusammenhang mit dem von ihr behaupteten Anerkenntnis durch die „Umsatzsteuergläubigerin Republik Österreich“ geltend. Damit zeigt sie keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen Qualität auf:

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens liegen, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor. Mit den Ausführungen der Klägerin zu diesem Revisionsgrund macht sie zunächst sekundäre Feststellungsmängel geltend, die der rechtlichen Beurteilung zuzurechnen sind (RIS‑Justiz RS0043304) und die nur dann vorliegen, wenn Feststellungen fehlen, die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung erforderlich sind (vgl 6 Ob 229/14s). Im Übrigen bekämpft die Klägerin die vom Berufungsgericht unterlassene Erledigung der Tatsachen- und Beweisrüge, die deshalb keinen Mangel des Berufungsverfahrens begründet, weil die rechtliche Beurteilung auf Basis des vom Erstgericht festgestellten und unbekämpft gebliebenen Sachverhalts vertretbar zu lösen ist. Von den ‑ unbekämpften ‑ erstinstanzlichen Feststellungen ist das Berufungsgericht auch nicht abgewichen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Nach Lehre und Rechtsprechung ist das konstitutive Anerkenntnis eine Willenserklärung, die dadurch zustande kommt, dass der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (7 Ob 192/13f; RIS‑Justiz RS0032496 [T6]). Das Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen (RIS‑Justiz RS0032779) und muss im Hinblick auf seinen Vertragscharakter gegenüber dem Berechtigten oder seinem Vertreter abgegeben und von diesem angenommen werden, wobei eine besondere Form nicht vorgesehen ist (3 Ob 160/11t; RIS‑Justiz RS0032319 [T4]; Neumayr in KBB 4 § 1375 Rz 3).

3. Ein ausdrückliches Anerkenntnis behauptet die Klägerin in ihrer Rechtsrüge nicht. Sie hat über die im Verfahren strittigen Forderungen Rechnungen gelegt und über die daraus geschuldete Umsatzsteuer eine Umsatzsteuervoranmeldung durchgeführt. Sie meint nun, die Beklagte habe dadurch, dass die Finanzbehörde über die sich aus der Voranmeldung ergebende und von ihr nicht beglichene Umsatzsteuerschuld einen Rückstandsausweis erlassen, aufgrund dessen Konkursantrag nach § 70 KO (nunmehr IO) gestellt und über die Steuerschuld eine Zahlungsvereinbarung geschlossen habe, die der Abgabenschuld zugrunde liegende Forderung (konkludent) anerkannt. Diese Rechtsansicht ist, ohne dass die vom Berufungsgericht dazu angestellten und in der Revision bekämpften Erwägungen überprüft werden müssten, aus folgenden Erwägungen unzutreffend:

3.1. Die Klägerin räumt selbst ein, dass „Abgabenvorschreibung, -einhebung und -betreibung Hoheitshandeln (sind)“ (Revision S 15) und schon deshalb keine privatrechtliche Willenserklärung darstellen. Ein Antrag nach § 70 KO (nunmehr IO) ist eine schriftliche Prozesshandlung bei Gericht ( Übertsroider in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 70 IO) und daher ebenfalls keine privatrechtliche Willenserklärung in Richtung eines Anerkenntnisses.

3.2. Zwar können Hoheitsträger, wenn sie privatwirtschaftlich tätig werden, auch konkludente Erklärungen abgeben. Dazu ist es aber erforderlich, dass das zur Geschäftserklärung berufene Organ ein § 863 ABGB entsprechendes Verhalten setzt und der durch Gesetz oder andere bekannt gemachte Vorschriften festgelegte Umfang der Vertretungsmacht nicht überschritten wird (6 Ob 129/10d mwN; Rummel in Rummel ABGB 4 § 863 Rz 23 mwN; Bollenberger in KBB 4 § 867 Rz 5). Dass Geschäftsabschlüsse über Leistungen, wie sie die Klägerin angeboten hat, Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung darstellen und nicht zum Wirkungskreis der Finanzbehörde gehören, ist evident und war der Klägerin im Hinblick auf die mit dem zuständigen (damals) Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geführten Verhandlungen bekannt. Auch fehlen Anhaltspunkten dafür, dass den Organen der Finanzverwaltung ausdrücklich oder konkludent (2 Ob 182/01f; 6 Ob 129/10d) die Vertretungsbefugnis zur Abgabe einer ‑ konkludenten ‑ rechtsgeschäftlichen Erklärung mit der Wirkung eingeräumt worden wäre, die es im Sinne der Rechtsansicht der Klägerin erlauben würde, die Zahlungsvereinbarung im Insolvenzverfahren ‑ über die Abgabenverfolgung hinaus ‑ als rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu werten. Aus der mit den in Verfolgung von Abgabenforderungen hoheitlich tätig gewordenen Organen der Finanzverwaltung über die Steuerschuld geschlossene Zahlungsvereinbarung kann daher ebenfalls kein Anerkenntnis der hier strittigen Forderungen abgeleitet werden.

4.1. Solange keine Einigung zustande gekommen ist, ist jeder Teil berechtigt, die Verhandlungen abzubrechen und zwar auch dann, wenn durch die Nichteinigung einem Teil ein Schaden entsteht (RIS‑Justiz RS0013975; vgl auch RS0013988). Grundloses Abstehen vom Vertragsabschluss macht nur ausnahmsweise ersatzpflichtig, wenn ein Teil beim anderen die Überzeugung herbeigeführt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen und der Abschluss sei nur noch eine Formsache. Ob der Vertrauende in der gegebenen Situation einen Hinweis auf das Fehlen jeglicher Bindung erwarten durfte, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (3 Ob 7/07m).

4.2. Hier steht ‑ von der Klägerin in ihrer Berufung unbekämpft ‑ fest, dass mit Bezahlung des aus der Vereinbarung vom 17. 5. 2004 resultierenden Entgelts nach dem Willen der Parteien sämtliche von der Klägerin erbrachten Leistungen mit Ausnahme der Wartungs‑ und Betriebspauschale abgegolten und Vereinbarungen zur Weiterentwicklung der Online‑Bildungsplattform in einem gesonderten schriftlichen Vertrag geregelt werden sollten, wobei nach dem Parteiwillen die weiteren Leistungen erst nach Abschluss einer solchen Vereinbarung zu erbringen gewesen wären. Dem Verständnis beider Parteien lag demnach zugrunde, dass vor schriftlicher Beauftragung keine weiteren Arbeitsleistungen zu erbringen waren. Es begründet dann keine im Einzelfall als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zum Ergebnis gelangte, dass kein Vertrauenstatbestand vorgelegen sei, der die Beklagte im Sinn der zuvor dargelegten Grundsätze zum Schadenersatz verpflichten würde. Damit ist es auch nicht mehr erheblich, dass aus diesem Titel nicht der von der Klägerin begehrte Erfüllungs-, sondern der Vertrauensschaden (vgl RIS‑Justiz RS0016374) zu ersetzen wäre.

5. Soweit die Klägerin Ansprüche aus § 1041 ABGB ableiten will, ist diese Rechtsgrundlage für Fälle bewusst erfolgter Zuwendungen untauglich ( Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1041 Rz 8) und auch für eine ‑ auf Basis des unbekämpften Sachverhalts (s 4.2.) vertetbar annehmbare ‑ aufgedrängte Bereicherung besteht kein Verwendungsanspruch ( Rummel in Rummel , ABGB 3 § 1041 ABGB Rz 12).

6. Die Revision ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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