Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***** und in Stattgebung jener der Angeklagten O*****, wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Hermann W***** betreffenden Schuldspruch zu A./II./, A./III./a./ und A./IV./a./ und b./, im Helene O***** betreffenden Schuldspruch zur Gänze (B./II./ und B./III./) demzufolge auch in den beide Angeklagte betreffenden Strafaussprüchen ebenso wie im beide Angeklagte betreffenden Adhäsionserkenntnis und im Kostenausspruch betreffend Helene O***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***** zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Entscheidung verwiesen.
Hermann W***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unangefochten gebliebene Freisprüche der Angeklagten Hermann W***** (A./I./) und Helene O***** (B./I./) vom Vorwurf der Vergewaltigung enthält, wurden Hermann W***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./II./), der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (A./III./a./), der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 erster Satz StGB (A./III./b./) sowie der Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (A./IV./) sowie Helene O***** der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (B./II./) und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 (erster Satz) StGB (B./III./) schuldig erkannt.
Danach haben in Wien
A./ Hermann W*****
II./ im März oder April 2008 außer dem Fall des § 206 StGB an der am 30. April 1994 geborenen, somit unmündigen Nadine H***** durch intensives Betasten ihres Geschlechtsteils und ihrer entwickelten Brust eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;
III./ sich pornographische Darstellungen „(dargestellt in der Lichtbildbeilage)“ verschafft und besessen, indem er diese auf seinem Computer abspeicherte, nämlich
a./ seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 23. Jänner 2012 zwei Videodateien und eine Bilddatei von unmündigen Personen (§ 207a Abs 4 StGB);
b./ im Zeitraum von 25. Dezember 2011 bis 23. Jänner 2012 sieben Bilddateien von der zum Herstellungszeitpunkt am 26. November 2006 mündigen Minderjährigen Jacqueline P*****;
IV./ „in einem nicht mehr festzustellenden Zeitraum“ nachgenannte Personen durch geschlechtliche Handlungen belästigt, indem er diese im Genital- und Brustbereich betastete, nämlich
a./ (US 6, 13: nach dem 30. April 2008) Nadine H***** und
b./ (US 7, 13: nach dem 16. Dezember 2005) Jacqueline P*****.
B./ Helene O*****
II./ am 26. November 2006 pornographische Darstellungen von der am 16. Dezember 1991 geborenen, sohin zum Tatzeitpunkt minderjährigen (US 5 richtig:) Jacqueline P***** hergestellt, indem sie zumindest sieben wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend der Minderjährigen herstellte, die reißerisch verzerrt, auf sich selbst reduziert und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen darstellten und der sexuellen Erregung des Betrachters dienten;
III./ vom 26. November 2006 „bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt“ die zu B./II./ hergestellten kinderpornographischen Lichtbilder besessen, indem sie diese abspeicherte.
Rechtliche Beurteilung
Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen Hermann W***** auf Z 5 und 9 lit a und b sowie Helene O***** auf Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W*****:
Wie der Beschwerdeführer zu A./II./ zutreffend rügt, leidet das Urteil an einer unvollständigen Begründung entscheidender Tatsachen (Z 5 zweiter Fall). Denn das Erstgericht hat die Feststellungen zu den zum Nachteil von Nadine H***** gesetzten Handlungen des Angeklagten W***** vor und nach deren 14. Geburtstag (am 30. April 2008) auf die Zeugenaussage des Opfers gegründet, die es als widerspruchsfrei bezeichnete (US 9). Tatsächlich sind die im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren (ON 29) und die in der Hauptverhandlung (ON 69 S 11 ff) gemachten Angaben dieser Zeugin zum Zeitpunkt erstmals vom Angeklagten an ihr vorgenommener geschlechtlicher Handlungen ‑ wie im Rechtsmittel dargetan - keineswegs widerspruchsfrei.
Nachdem Nadine H***** anlässlich ihrer gerichtlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren zunächst angegeben hatte, die Übergriffe hätten „mit 14 Jahren angefangen“, wobei sie nicht wisse, ob vor oder nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres (ON 29 S 6), schilderte sie in der Folge einen Vorfall anlässlich der gemeinsam mit dem Angeklagten W***** erfolgten Betrachtung eines Filmes an ihrem Computer, den sie zeitlich nach ihrem 14. Geburtstag einordnete (ON 29 S 13). Auf die daraufhin gestellte Frage, ob vor ihrem 14. Geburtstag (auch) „etwas passiert“ sei, antwortet sie mit „minimal“, um anschließend davon zu berichten, dass etwa ein bis zwei Monate vor ihrem 14. Geburtstag „die ersten intensiveren Anfassungen stattgefunden“ haben. Dabei habe sie der Angeklagte zwischen den Beinen, an den Oberschenkeln und auch im Genitalbereich gestreichelt, und zwar oberhalb der Kleidung. Die Anzahl der vor dem 14. Geburtstag gelegenen Vorfälle bezifferte sie mit „drei oder vier“ (ON 29 S 13 f).
In der Hauptverhandlung wiederholte die Zeugin H*****, dass der Angeklagte ihr gegenüber anfangs (nur) anzügliche Bemerkungen gemacht habe, um auf die Frage, was beim ersten Mal, als aus den „Sprüchen“ mehr geworden sei, passiert sei, den Vorfall anlässlich der Betrachtung eines Filmes zu schildern (ON 69 S 15). Befragt zu einem im Jahr 2008 gelegenen Beginn des Tatzeitraums gab die Zeugin an: „Ja, wenn nicht schon früher“ (ON 69 S 17, 19). Abschließend beantwortete sie die Frage, ob es einen Anhaltspunkt gebe, dass bereits vor ihrem 14. Geburtstag „etwas passiert“ sei, mit: „Es muss vorher gewesen sein, es war Winter, der April ist Frühling. Es war recht kalt. Ich bin mir relativ sicher.“ Noch einmal zum ersten ihr erinnerlichen Vorfall befragt, wobei die Vorsitzende „die Situation vor dem Fernseher“ ansprach, äußerte sie, das sei nach dem 14. Geburtstag gewesen, die „Sprüche“ hätten schon vorher angefangen; „die (?) erst aber nachdem“ sie „14 Jahre alt“ gewesen sei (ON 69 S 27).
Da es das Erstgericht unterlassen hat, sich in den Entscheidungsgründen mit den aufgezeigten Widersprüchen in den Aussagen der Belastungszeugin Nadine H***** zur Art der vor ihrem 14. Geburtstag erfolgten „Übergriffe“ (ausschließlich verbaler und/oder auch physischer Natur in Gestalt von geschlechtlichen Handlungen) auseinanderzusetzen, haftet dem Schuldspruch A./II./ ein Begründungsmangel an (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 425).
Nominell aus Z 5, der Sache nach aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO zeigt die Beschwerde zu A./III./a./ deutlich genug auch einen dem Urteil anhaftenden Rechtsfehler mangels Feststellungen zum konkreten Inhalt der inkriminierten Video- und Bilddateien auf. Mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, nämlich, dass es sich um „wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person“ gehandelt habe, wird dem Erfordernis der Feststellung der subsumtionsrelevanten Tatumstände ebenso wenig Genüge getan (US 6, 9) wie mit dem im Urteilstenor (US 2) enthaltenen „Verweis auf die Lichtbildbeilage“ (vgl RIS-Justiz RS0098936, RS0128662).
Zu A./IV./a./ und b./ macht die Beschwerde zutreffend geltend, dass Feststellungen fehlen, die angesichts des in § 218 Abs 1 StGB normierten Strafsatzes von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe die ‑ implizite ‑ Urteilsannahme, Verjährung wäre nicht eingetreten, zu tragen vermögen (Z 9 lit b, vgl RIS-Justiz RS0100178 [T8, T10]). Zur Frage allfälliger Verjährungshemmung nach § 58 Abs 3 Z 3 StGB sei angemerkt, dass diese Bestimmung erst seit 1. Juni 2009 (BGBl I 2009/40) die Zeit bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des zur Tatzeit minderjährigen Opfers einer strafbaren Handlung (ua) gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erfasst (im Gegensatz zu davor geltenden Fassungen, die auf die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit des Opfers und einen bestimmten Kreis taxativ aufgezählter strafbarer Handlungen abstellte).
Hinsichtlich der zuvor genannten Schuldsprüche war demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang erforderlich (§ 285e StPO), weshalb sich ein Eingehen auf weiteres Vorbringen zu diesen Punkten erübrigt.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch ihr Ziel (§ 285d Abs 1 StPO):
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).
Im Zusammenhang mit dem zu A./III./b./ erhobenen Einwand angeblichen Fehlens von Feststellungen (Z 9 lit a) zum Sich-Verschaffen pornographischer Darstellungen einer mündigen minderjährigen Person verabsäumt der Beschwerdeführer darzulegen, weshalb dies mit Blick auf den konstatierten (vorsätzlichen) Besitz mehrerer von ihm persönlich auf seinem Computer gespeicherten Dateien (US 2, 6) von rechtlicher Bedeutung für den in Rede stehenden Schuldspruch wegen Vergehen nach § 207a Abs 3 erster Satz StGB sein sollte. Im Übrigen stellen die in § 207a Abs 3 StGB genannten verschiedenen Begehungsweisen rechtlich gleichwertige Alternativen dar (alternatives Mischdelikt; vgl Hinterhofer, SbgK § 207a Rz 13; Philipp in WK2 StGB § 207a Rz 33), weshalb die Annahme einer von mehreren als verwirklicht angesehenen Alternativen auch unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion (Z 10) nicht bekämpft werden kann (RIS-Justiz RS0116655; zur vergleichbaren Konstellation bei Erwerb und Besitz von Suchtgift vgl RIS-Justiz RS0114037 [T3, T5]).
Die vermissten Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten W***** (auch) in Bezug auf die Minderjährigkeit der Jacqueline P***** zum Zeitpunkt der Aufnahme der inkriminierten Bilddateien finden sich auf US 6 (vgl überdies US 5 dritter Absatz). Entgegen dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 vierter Fall) ist diese Annahme mit dem Hinweis auf das jahrelange Naheverhältnis des Angeklagten W***** zu Jacqueline P***** (vgl US 5) und sein Zugeständnis, er hätte das Mädchen zum Zeitpunkt der Aufnahme auf ein Alter von möglicherweise siebzehn Jahren geschätzt (US 9), auch nicht unzureichend begründet.
Somit war bereits in nichtöffentlicher Sitzung das Urteil in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285i StPO). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten O*****:
Diese ist schon mit dem Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0118316) der Feststellungen zur Herstellung der inkriminierten Dateien durch die Beschwerdeführerin (B./II./) im Recht, weil sich die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung nicht mit der ihre leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung (ON 43 S 9 ff, 19 f) stützenden Aussage des Angeklagten W***** (ON 75 S 23-27, 29-31) auseinandergesetzt haben, O***** habe ihn (im Jahr 2011) völlig aufgeregt kontaktiert, weil sie die inkriminierten Dateien gefunden und nicht gewusst habe, wie sie mit dieser Entdeckung umgehen solle. Schon dieser Urteilsmangel erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs B./II./ ebenso wie des damit nach den Urteilsannahmen (US 5, 8) in untrennbarem Zusammenhang (§ 289 StPO) stehenden Schuldspruchs B./III./, der auf eine unmittelbar an die Herstellung anschließende vorsätzliche Abspeicherung der Dateien durch die Beschwerdeführerin und einen ausschließlich daraus abgeleiteten vorsätzlichen Besitz der Dateien abstellt.
Da das Helene O***** betreffende Urteil schon aus diesem Grund im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben war (§ 285e StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen dieser Angeklagten.
Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang ist zu der von der Angeklagten O***** unter Berufung auf RIS-Justiz RS0127379 aufgeworfenen Frage echter (oder bloß scheinbarer) Realkonkurrenz von Vergehen pornographischer Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB und nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB im Fall des an die Herstellung anschließenden Besitzes derselben Darstellungen anzumerken:
Von einer straflosen Nachtat, also einer solchen die unter den Scheinkonkurrenztypus der Konsumtion fällt, spricht man, wenn die Begehung einer strafbaren Handlung der Begehung einer anderen nachfolgt und den Erfolg dieser Haupttat verwertet oder den geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrecht hält. Straflos ist sie nur, wenn sie sich gegen dasselbe Rechtsgut richtet und keinen über die Haupttat hinausgehenden Schaden bewirkt (Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 66).
Daher wird ‑ entgegen 11 Os 152/11d und 15 Os 103/13f sowie verschiedenen Lehrmeinungen Philipp in WK² StGB § 207a Rz 33; Hinterhofer , SbgK § 207a Rz 90; Kienapfel/Schmoller , BT III RN 29 ‑ der Besitz (§ 207a Abs 3 StGB) pornographischer Darstellungen mündiger und/oder unmündiger Minderjähriger nur insoweit von der Herstellung dieses Materials (§ 207a Abs 1 Z 1 StGB) konsumiert, als er bereits mit der Herstellung notwendig einhergeht. Denn der (darüber hinausgehende) Besitz einer solchen Darstellung prolongiert die Verletzung der Interessen der konkret betroffenen (unmündigen und/oder mündigen) minderjährigen Personen und erhöht auch die Gefahr, dass das Material weitere Verbreitung findet (vgl zur Konkurrenz von Erzeugung und Besitz von Suchtmitteln RIS‑Justiz RS0119509).
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