OGH 4Ob75/15f

OGH4Ob75/15f11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde Unken, *****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. T***** GmbH, 2. M*****, Geschäftsführer, *****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert restlich 18.000 EUR), Herausgabe (Streitwert 10.000 EUR) und Beseitigung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2015, GZ 4 R 138/14p‑44, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Mai 2014, GZ 8 Cg 55/13a‑40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen :

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00075.15F.0811.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über Punkt 2 des Klagebegehrens dahin abgeändert, dass die Entscheidung insofern als Teilurteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, die zugunsten der erstbeklagten Partei registrierte Domain 'unken.at' an die klagende Partei zu übertragen und sämtliche dafür notwendige Willenserklärungen, insbesondere der nic.at Internetverwaltungs- und Betriebs GmbH gegenüber, abzugeben, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über das Eventualbegehren bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen wird der Endentscheidung vorbehalten.

Im Übrigen, also in der Entscheidung über die Punkte 1 und 3 des Klagebegehrens und im Kostenpunkt, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Die klagende Gemeinde Unken und die Beklagten streiten über die Frage, ob die Beklagten zur Nutzung des ‑ urkundlich erstmals 1128 erwähnten ‑ Namens der Klägerin als Internet-Domain berechtigt sind („unken.at“).

Die erstbeklagte Gesellschaft bietet Internetdienstleistungen an, der Zweitbeklagte ist ihr Geschäftsführer. Er hatte die strittige Domain im Jahr 2000 von einem Dritten für die Erstbeklagte erworben. Dies stellte die Klägerin 2002 fest, als sie versuchte, die Domain für sich selbst registrieren zu lassen. In weiterer Folge beschwerte sich der Obmann des regionalen Tourismusverbands beim damaligen Vizebürgermeister der Klägerin, dass die unter der Domain abrufbare Website keine Werbung für die Gemeinde Unken enthalte. Dieser ersuchte daraufhin den Zweitbeklagten um eine Verlinkung zu den Webseiten der Gemeinde und des Tourismusverbands, über eine Übertragung der Domain an die Gemeinde sprachen die beiden nicht. In einer Gemeindevertretungssitzung berichtete der Vizebürgermeister über die beabsichtigte Verlinkung, die der Zweitbeklagte dann auch tatsächlich einrichtete. Eine formelle Zustimmung zur Nutzung ihres Namens erteilte die Gemeinde nicht.

In den Folgejahren gestaltete die Erstbeklagte die Website um, löschte die Verlinkung und leitete Internetnutzer automatisch auf eine unter „lofer.at“ betriebene Website weiter. Dabei handelte es sich um eine Plattform für die Gemeinden der Region. Die Erstbeklagte warb darauf vor allem für dort ansässige Tourismusbetriebe. Auf der Subseite „Die Region“ waren Informationen zu den Gemeinden Lofer, St. Martin, Unken, Weißbach und Waidring enthalten. Andere Subseiten waren für die Themenbereiche „News“, „Betriebe“, „Unterkünfte“, „Essen und Trinken“, „Tourismus“, „Livecams“ und „Panorama“ eingerichtet. Weiters bildete die Erstbeklagte aus der Domain „unken.at“ Subdomains (wie „name.unken.at“) und E‑Mail-Postfächer (wie „name@unken.at “) und stellte diese ihren Kunden zur Verfügung.

Im Jahr 2012 forderte der Bürgermeister der Klägerin von den Beklagten die Herausgabe der Domain. Diese stimmten nicht zu, boten aber der Klägerin die Gestaltung einer darunter aufrufbaren Website an, wofür die Klägerin einmalig 4.000 bis 6.000 EUR sowie monatlich 2.000 EUR zahlen sollte. Die Gemeindevertretung lehnte das ab.

Nach Ergehen einer von der Klägerin beantragten einstweiligen Verfügung (4 Ob 45/13s, unken.at) löschte die Erstbeklagte den Inhalt der Website. Bei deren Aufruf unter der Domain „unken.at“ erscheint nun der Vermerk, dass „die Seite“ nicht erreichbar sei. Die E‑Mail-Adressen und Subdomains stellt sie ihren Kunden weiter zur Verfügung.

Mit der im November 2012 erhobenen Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten,

1. es zu unterlassen, den Namen „Unken“ zur Kennzeichnung einer Internet-Website zu verwenden oder jemand anderem die Verwendung des Namens „Unken“ zur Kennzeichnung einer Internet-Website einzuräumen, insbesondere [den Namen „Unken“] durch die Verwendung des Domainnamens „unken.at“ im Internet zur Adressierung registriert zu halten und zu verwenden,

2. die Domain „unken.at“ der Klägerin zu übertragen und sämtliche dafür notwendigen Willenserklärungen, insbesondere der nic.at Internetverwaltungs- und Betriebs GmbH gegenüber, abzugeben,

hilfsweise

den durch die Registrierung der Domain „unken.at“ geschaffenen Zustand zu beseitigen, insbesondere in deren Löschung einzuwilligen.

 

Nach Ergehen einer einstweiligen Verfügung erkannten die Beklagten das Begehren insofern an, als sie sich verpflichteten, den Namen „Unken“ nicht zur Kennzeichnung einer Website zu verwenden oder jemand anderem die Verwendung dieses Namens zu diesem Zweck einzuräumen. Darüber erging ein Teilanerkenntnisurteil. Die Klägerin modifizierte daraufhin ihr Unterlassungsbegehren dahin, dass den Beklagten untersagt werden sollte, den strittigen Domainnamen „registriert zu halten und zu verwenden“. Weiters beantragt sie ‑ nach Scheitern eines Exekutionsantrags (3 Ob 134/13x, unken.at II ) ‑, den Beklagten aufzutragen

3. den durch den Gebrauch der Domain „unken.at“ als Internet-Adresse geschaffenen Zustand zu beseitigen, insbesondere den Aufruf einer Website, deren Inhalt mit dem der Website der Erstbeklagten identisch ist oder die den Hinweis „Diese Seite ist nicht erreichbar“ enthält, zu blockieren.

Zur Begründung beruft sich die Klägerin auf ihr Namensrecht und auf § 1 UWG (Domain-Grabbing). Der Name Unken habe durch jahrhundertelange Benutzung Unterscheidungskraft. Die Beklagten nutzten ihn ohne Zustimmung der Klägerin. Es liege eine Namensanmaßung vor, die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch einen Beseitigungsanspruch begründe. Eine Verwirkung analog § 9 Abs 5 UWG und § 56 MSchG liege mangels Duldung durch die zuständigen Organe der Gemeinde nicht vor. Der Übertragungsanspruch gründe einerseits auf der lauterkeitsrechtlichen Verpflichtung, die Früchte des rechtswidrigen Handelns herauszugeben. Andererseits bestehe er richtigerweise auch auf namensrechtlicher Grundlage zurecht, und zwar aufgrund § 1041 ABGB, § 335 ABGB und in unionsrechtskonformer Auslegung aufgrund von Art 20 VO (EU) 2004/874 (Domainübertragungsanspruch bei EU‑Domains).

Die Beklagten beantragen die Abweisung der verbliebenen Begehren. Beim Unterlassungsbegehren handle es sich in Wahrheit um ein Beseitigungsbegehren, das in dieser Form nicht vollstreckbar sei. Ein namensrechtlicher Anspruch bestehe nicht, weil das Wort „Unken“ als Mehrzahl des Hauptworts „Unke“ sowie als Zeitwort „unken“ zur Alltagssprache gehöre. Die Klägerin habe der Nutzung konkludent zugestimmt. Jedenfalls habe sie aber ihre Ansprüche durch mehr als fünfjährige Duldung verwirkt; die Gemeinde habe die Nutzung der Domain auch im noch strittigen Bereich ‑ also insbesondere in Bezug auf die Vergabe von E‑Mail-Adressen ‑ gekannt und hingenommen. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Domainübertragung. Der Zweitbeklagte sei als bloßer Geschäftsführer nicht passiv legitimiert. Jedenfalls hätten die Beklagten aber aufgrund ihrer Investitionen eine „Gegenforderung“ von 76.584,30 EUR. Dabei handle es sich um ihren Aufwand für die Website, der letztlich der Klägerin zugute gekommen sei. Die Domain sei nur Zug um Zug gegen Herausgabe dieses Betrags zu übertragen.

Das Erstgericht gab dem verbliebenen Klagebegehren statt und sprach aus, dass die „Gegenforderung“ nicht zu Recht bestehe. Die Beklagten hätten in das Namensrecht der Klägerin eingegriffen, diese habe mangels Vorliegens eines Beschlusses der Gemeindevertretung nicht zugestimmt. Auch die verbliebene Nutzung führe zu einer Zuordnungsverwirrung. Die Beklagten seien zur Übertragung der Domain und zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Die Gegenforderung sei nicht berechtigt, weil sie sich nur auf Aufwendungen für die Website beziehe, nicht auf die Domain als solche. Zudem seien die Beklagten „bösgläubig“ gewesen. Zur Frage, ob und gegebenenfalls welchen Organen der Gemeinde die Nutzung der Domain für E‑Mail-Adressen und Subdomains bekannt war, traf das Erstgericht weder Positiv- noch Negativfeststellungen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Die Entscheidung sei in Bezug auf den namensrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt. Auch bei der verbliebenen Nutzung bestehe die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung. Die Gemeinde habe nie rechtswirksam zugestimmt. § 58 MSchG sei mangels Vorliegens einer Lücke nicht analog anzuwenden. Da die Beklagten nur „wirtschaftliche Interessen“ verfolgt hätten, falle ihnen auch unlauteres Domain-Grabbing zur Last. Daher habe die Klägerin auch einen Anspruch auf Übertragung der Domain. Wegen der „Schädigungsabsicht“ der Beklagten bestehe die Gegenforderung schon dem Grunde nach nicht zu Recht. Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil jedenfalls kein Anspruch auf Übertragung der Domain besteht und zudem die Frage zu klären ist, ob namensrechtlichen Ansprüchen ein Verwirkungseinwand analog § 58 MSchG entgegengehalten werden kann. Sie ist, teilweise im Sinn des Aufhebungsantrags, berechtigt.

1. Unlauteres Domain-Grabbing liegt nicht vor.

1.1. Die Registrierung einer Domain ist in zwei Fällen als unlauterer Behinderungswettbewerb zu qualifizieren (4 Ob 139/01x, www.taeglichalles.at , MR 2001, 245 [Korn]; RIS-Justiz RS0115379; zuletzt etwa 17 Ob 6/11y, alcom-international.at, SZ 2011/104 = ÖBl 2012, 75 [Gamerith] = jusIT 2011, 171 [Thiele]): Bei der Domainvermarktung bewirkt der Verletzer die Registrierung eines Zeichens als Domain in der (zumindest überwiegenden) Absicht, vom Zeichenberechtigten einen finanziellen Vorteil für die Übertragung der Domain zu erlangen. Bei der Domainblockade belegt er eine Domain, benutzt sie aber nicht oder nur zum Schein, um ein Vertriebshindernis für den Zeicheninhaber zu errichten.

1.2. Beides trifft hier nicht zu: Nach den Feststellungen hat die Erstbeklagte die Domain im Rahmen ihres Unternehmens wirtschaftlich genutzt. Das steht der Annahme entgegen, sie hätte die Domain (zumindest überwiegend) in der Absicht erworben, sie der Klägerin gegen Entgelt anzubieten oder die Klägerin durch eine bloße Scheinregistrierung zu behindern (17 Ob 6/11y, alcom‑international.at). Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ‑ das aus der wirtschaftlichen Nutzung auf die Unlauterkeit schloss ‑ ist mit dieser Rechtsprechung unvereinbar. Angesichts der im maßgebenden Zeitraum durchaus schwankenden Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Ortsnamendomains (vgl die Nachweise in 17 Ob 44/08g, justizwache.at,SZ 2009/34 = ÖBl 2009, 229 [Gamerith] = ecolex 2009, 691 [Horak] = MR 2009, 219 [Thiele]) kann den Beklagten auch kein sonst in irgendeiner Weise unlauteres Verhalten vorgeworfen werden.

2. Damit kann die Klägerin ihre Ansprüche nur auf ihr Namensrecht stützen. Auf dieser Grundlage besteht kein Anspruch auf Übertragung der Domain.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat einen solchen Anspruch in der ausführlich begründeten Entscheidung 4 Ob 59/13z (schladming.com II,ÖBl 2014, 22 [Donath] = ecolex 2014, 162 [Horak] = ZIR 2014, 71 [Grafl/Fradinger] = jusIT 2014, 17 [Thiele]) neuerlich abgelehnt (zuvor bereits 4 Ob 226/04w, omega.at, SZ 2005/13 = ÖBl 2005, 178 [Gamerith] = ecolex 2005, 849 [Braunböck] = MR 2005, 493 [Thiele]). Daran ist trotz der in der Revisionsbeantwortung genannten Einwände, die der Klagevertreter mehrfach auch in anderem Zusammenhang dargelegt hat (zuletzt etwa Thiele, Eppur si muove: Übertragungsanspruch bei „.at“-Domains, jusIT 2014, 81), festzuhalten: § 1041 ABGB ist mangels ausschließlicher Zuweisung des Namens „Unken“ an die Gemeinde nicht anwendbar; die Existenz eines anderen Namensträgers ist nicht ausgeschlossen, in einem solchen Fall wäre es nicht sachgerecht, der Klägerin bloß wegen ihrer früheren Klagsführung einen Vorteil zu gewähren. Die Begründung des Anspruchs mit besitzrechtlichen Erwägungen scheitert schon daran, dass die Klägerin nie über die strittige Domain verfügt hatte. Eine Analogie zu unionsrechtlichen Regelungen in Bezug auf EU-Domains (VO [EU] Nr 2004/874) setzte eine ‑ hier nicht erkennbare ‑ Regelungslücke voraus.

2.2. Aus diesen Gründen ist das Begehren auf Übertragung der Domain (Hauptbegehren zu Punkt 2 des Klagebegehrens) mit Teilurteil abzuweisen. Damit ist auch der insofern erhobene ‑ und missverständlich als Erheben einer „Gegenforderung“ bezeichnete ‑ Zug-um-Zug-Einwand der Klägerin erledigt. Die Entscheidung über das insofern gestellte Eventualbegehren bleibt dem Endurteil vorbehalten.

3. In Bezug auf die verbliebenen Ansprüche könnte Verwirkung analog § 58 MSchG und § 9 Abs 5 UWG eingetreten sein.

3.1. § 58 MSchG ist auf namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden analog anwendbar.

(a) Nach § 58 Abs 1 MSchG sind markenrechtliche Ansprüche ‑ außer im Fall der Bösgläubigkeit ‑ ausgeschlossen, soweit der Markeninhaber die Benutzung eines jüngeren Kennzeichens für fünf aufeinanderfolgende Jahre in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat. Nach § 9 Abs 5 UWG ist diese Bestimmung hinsichtlich der in § 9 Abs 1 und 3 UWG genannten Kennzeichen sinngemäß anzuwenden. § 9 Abs 1 UWG erfasst insbesondere den Namen und die Firma eines Unternehmens.

(b) Zweck dieser Bestimmungen ist der Schutz der Investitionen desjenigen, der ein Zeichen gutgläubig nutzt (4 Ob 195/09v, Hundertwasserhaus V, SZ 2010/23 = MR 2010, 201 [Walter] = ÖBl-LS 2010/168 [Knecht-Kleber] = ecolex 2010, 887 [Horak]; vgl auch Hermann in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 [2013] § 58 MSchG Rz 1). Diese Wertung schließt eine Analogie im Urheberrecht aus, weil dort durch die Verwertung eines Werks kein neues Urheberrecht desjenigen entstehen kann, der diese Verwertungshandlung setzt (4 Ob 195/09v, Hundertwasserhaus V).

Im Bereich des Namensrechts ist das anders: Durch die Nutzung eines Namens ‑ etwa als Domain ‑ können eigene Kennzeichenrechte entstehen; der Gedanke des Investitionsschutzes trägt auch hier. Für den Schutz von Unternehmensnamen nach § 9 Abs 1 UWG ist § 58 Abs 1 MSchG ohnehin schon zufolge § 9 Abs 5 UWG entsprechend anwendbar. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss das jedenfalls auch für Ansprüche von Unternehmen gelten, die (unmittelbar) auf § 43 ABGB gestützt werden (I. Faber in Klang 3 § 43 Rz 76; vgl auch Rz 251 ff zur Anspruchskonkurrenz zwischen § 9 UWG und § 43 ABGB). Denn § 9 Abs 5 UWG verlöre jede Bedeutung, wenn ein Unternehmen trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen des nach dieser Bestimmung entsprechend anwendbaren § 58 Abs 1 MSchG namensrechtliche Ansprüche nach § 43 ABGB geltend machen könnte.

(c) Es kann dahinstehen, ob namensrechtliche Ansprüche natürlicher Personen, die sich nicht im geschäftlichen Verkehr betätigen, anders zu behandeln sind (so I. Faber in Klang 3 § 43 Rz 77). Denn dies könnte ‑ wegen der parallelen Interessenlage auf der Gegenseite (Investitionsschutz) ‑ nur damit begründet werden, dass beim Namensschutz natürlicher Personen wegen der Verbindung zwischen dem Namen und dem Lebensbild ideelle Erwägungen im Vordergrund stehen, die gegenüber dem materiellen Interesse des Nutzers jedenfalls Vorrang haben; zudem ist nicht geschäftlich tätigen Privatpersonen eine sofortige Abwehr von Namensrechtsverletzungen möglicherweise nicht immer zumutbar (I. Faber aaO). Beide Argumente greifen bei Gemeindenamen aber nicht: Einer Gemeinde ist die Anspruchsverfolgung ohne weiteres zumutbar; die bei natürlichen Personen im Vordergrund stehenden ideellen Interessen treten bei Gemeinden ‑ so sie überhaupt vorliegen ‑ in den Hintergrund. Zudem werden Gemeinden regelmäßig auch selbst wirtschaftlich tätig, was im gegebenen Zusammenhang ebenfalls für die Gleichbehandlung mit (anderen) Unternehmen spricht. § 58 Abs 1 MSchG ist daher auf namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden analog anzuwenden.

3.2. Ob danach Verwirkung eingetreten ist, kann derzeit nicht beurteilt werden.

(a) Die Verwirkung nach § 58 MSchG setzt Duldung in Kenntnis der Nutzung voraus; der Nutzer darf bei Aufnahme der Nutzung nicht bösgläubig gewesen sein.

Im vorliegenden Fall blieb die Gemeinde zweifellos länger als fünf Jahre in Bezug auf die Nutzung untätig. Bösgläubigkeit der Beklagten bei Aufnahme der Nutzung ist nicht erkennbar. Fraglich kann daher nur sein, ob das Erfordernis der „Kenntnis“ erfüllt ist. Dass der Gemeinderat nach den Feststellungen von der Nutzung der Domain als Adresse der Website der Beklagten wusste, ist insofern unerheblich. Denn die Beklagten haben den Unterlassungsanspruch insofern anerkannt. Aufgrund des in der Folge ergangenen Teilanerkenntnisurteils können sie sich nun jedenfalls nicht mehr darauf berufen, dass der diesbezügliche Unterlassungsanspruch verwirkt sei.

Daher kommt es für den verbliebenen Unterlassungsanspruch (Punkt 1 des Klagebegehrens) und den Beseitigungsanspruch (Eventualbegehren zu Punkt 2 des Klagebegehrens sowie Punkt 3 des Klagebegehrens) ausschließlich darauf an, ob die Klägerin Kenntnis davon hatte, dass die Erstbeklagte den Gemeindenamen für von ihr gewerblich zur Verfügung gestellte E‑Mail-Adressen (name@unken.at ) und Subdomains (name.unken.at) genutzt hatte.

(b) Fraglich ist, auf wessen Wissen es für den Kenntnisstand der Klägerin ankommt. Die Salzburger Gemeindeordnung enthält dazu keine ausdrücklichen Regelungen. Sie sieht lediglich vor, dass

- der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt (§ 39 Abs 3 Sbg GemO),

- ihm und der Gemeindevorstehung bestimmte Befugnisse beim Abschluss von Rechtsgeschäften zukommen (§ 34 Abs 6 Z 3 und § 40 Abs 1 Z 4 und 5 Sbg GemO), und

- die Gemeindevertretung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, die nicht dem Bürgermeister oder der Gemeindevorstehung zugewiesen sind, „die erforderlichen Beschlüsse“ fasst (§ 19 Abs 1 Sbg GemO).

 

Da die hier zu beurteilende Wissenszurechnung weder den Abschluss von Rechtsgeschäften noch das Fassen von Beschlüssen betrifft, ist grundsätzlich der Wissensstand des Bürgermeisters maßgebend. Denn seine Vertretungsbefugnis erfasst mangels Differenzierung auch die passive Vertretung im Zusammenhang mit der Kenntnis rechtserheblicher Tatsachen. Interne Organisationsvorschriften, die die Vertretungsbefugnis beschränken, gibt es insofern gerade nicht. Daher ist Kenntnis der Gemeinde jedenfalls dann anzunehmen, wenn dem Bürgermeister die noch strittige Nutzung des Gemeindenamens durch die Beklagten bekannt war. Dass der Bürgermeister für sich allein nicht befugt gewesen wäre, auf namensrechtliche Ansprüche zu verzichten oder sie gerichtlich geltend zu machen, schadet in diesem Zusammenhang nicht: Die Frage der passiven Vertretung ist auch bei Gebietskörperschaften von jener der Relevanz interner Organisationsvorschriften für die Wirkung aktiver Vertretungshandlungen zu unterscheiden (6 Ob 602/87 = SZ 60/204). Insofern genügt die - der Wissenszurechnung inhärente ‑ Verpflichtung des Bürgermeisters, das für ein aktives Handeln zuständige Organ unverzüglich von rechtserheblichen Tatsachen zu informieren.

(c) Darüber hinaus ist für die Verwirkung nach § 58 MSchG ‑ wegen der Ähnlichkeit der Rechtsinstitute ‑ auch auf die Rechtsprechung zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts zurückzugreifen (6 Ob 602/87 = SZ 60/204; 6 Ob 705/87; 2 Ob 6/13s; RIS-Justiz RS0009172 [T3]). Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist sind danach die internen Organisationsvorschriften der jeweiligen Gebietskörperschaft, es genügt das Wissen des „zuständigen Referatsleiters“ (2 Ob 6/13s mwN). Dabei handelt es sich um jene Person, die nach den internen Vorschriften für die Bearbeitung der jeweiligen Sachgebiete verantwortlich ist. Aus der internen Organisation der klagenden Gemeinde könnte sich daher auch die Relevanz des Wissens einer anderen Person ‑ etwa des Amtsleiters ‑ ergeben.

(d) Die letztgenannte Rechtsprechung zeigt im Übrigen, dass jedenfalls nicht das Wissen jenes Organs (oder der Mitglieder jenes Organs) maßgebend ist, das für die aktive Beschlussfassung über einen Verzicht oder eine Anspruchsverfolgung zuständig wäre. Auch dies stützt die Auffassung, dass jedenfalls das Wissen des Bürgermeisters ‑ als des allgemein vertretungsbefugten Organs ‑ ausreicht. Entschiede man anders, könnten Ansprüche gegen Gemeinden und andere Gebietskörperschaften faktisch weder verjähren noch der Verwirkung unterliegen. Ein solches Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden. Soweit der in arbeitsrechtlichem Zusammenhang ergangenen Entscheidung 8 ObA 220/99g = SZ 73/208 über deren konkreten Gegenstand (Kenntnis vom Vorliegen eines Entlassungsgrundes) hinaus Gegenteiliges entnommen werden kann, schließt sich ihr der hier erkennende Senat nicht an.

4. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung in die erste Instanz.

4.1. Nach Erörterung der nun klargestellten Rechtslage wird den beweispflichtigen Beklagten Gelegenheit zu geben sein, ein Vorbringen zum Kenntnisstand des Bürgermeisters oder einer allenfalls sonst zuständigen Person zu erstatten. Sollte erweisbar sein, dass der Bürgermeister oder eine andere zuständige Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die noch strittige Nutzung kannte und die Gemeinde sie in der Folge dennoch für fünf Jahre duldete, wäre das noch offene Unterlassungsbegehren insofern abzuweisen, als es die Registrierung und geduldete Nutzungen betrifft; die Beseitigungsbegehren wären wegen der dann bestehenden Möglichkeit einer erlaubten Nutzung zur Gänze abzuweisen. Ein Wechsel im Amt des Bürgermeisters wäre unerheblich, weil der durch die Wissenszurechnung eingetretene (fiktive) Kenntnisstand der Gemeinde dadurch nicht wegfiele. Mangelnde interne Kommunikation oder Dokumentation bei der Klägerin fiele nicht den Beklagten zur Last.

4.2. Sollten hingegen die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erweisbar sein, wären die noch offenen Begehren dem Grunde nach berechtigt. Insofern ist in Bezug auf das weitere Revisionsvorbringen auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Eine Zuordnungsverwirrung tritt auch bei der Verwendung des Gemeindenamens in der noch strittigen Form ein. Als Worte der Alltagssprache sind „Unke“ und „unken“ nicht so gebräuchlich, dass sie bei einer .at-Domain die Zuordnung zur Gemeinde ausschlössen. Eine rechtsgeschäftliche Gestattung durch die Klägerin ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Der Zweitbeklagte greift durch sein für die Erstbeklagte gesetztes Verhalten ebenfalls in Namensrechte der Klägerin ein und ist daher wie die Erstbeklagte passiv legitimiert. Weshalb das Unterlassungsbegehren nicht vollstreckbar sein sollte, ist nicht erkennbar; aus der Entscheidung 3 Ob 134/13x (unken.at II, wbl 2013, 719 [Thiele]) ergibt sich lediglich, dass damit keine Beseitigung erzwungen werden kann. Vor der Entscheidung wäre allerdings mit der Klägerin zu erörtern, wie sich das Eventualbegehren zu Punkt 2 des Klagebegehrens und Punkt 3 des Klagebegehrens zueinander verhalten. Da beide auf Beseitigung gerichtet sind, wird eine Zusammenfassung unter einem einzigen Obersatz angebracht sein.

5. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

§ 58 Abs 1 MSchG ist analog auf namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften anzuwenden. Maßgebend für die Kenntnis der Nutzung durch eine Gemeinde ist nach Salzburger Gemeinderecht der Wissensstand des Bürgermeisters oder jener Person, die nach den internen Vorschriften für die Bearbeitung von namensrechtlichen Fragen verantwortlich ist.

 

6. Die Kostenentscheidung gründet sich in Bezug auf das Teilurteil auf die §§ 50, 52 Abs 4 ZPO, in Bezug auf den Aufhebungsbeschluss auch § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

Stichworte