OGH 9Ob15/15v

OGH9Ob15/15v29.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** W***** und 2. A***** W*****, beide: *****, beide vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts‑GmbH in Mödling, gegen die beklagte Partei G***** Rechtsanwälte OG, *****, wegen 8.579,32 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2014, GZ 18 R 139/14s‑17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 20. Mai 2014, GZ 7 C 674/13g‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00015.15V.0729.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden teilweise dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„1. Die Klageforderung besteht mit 8.219,32 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung in Höhe von 5.705,55 EUR besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien 8.219,32 EUR samt 4 % Zinsen seit 25. Jänner 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den Klägern weitere 360 EUR samt 4 % Zinsen seit 25. Jänner 2013 zu zahlen, wird abgewiesen.

5. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden

Parteien die mit 6.330,66 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 931,73 EUR USt und 740,30 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.390,18 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 198,90 EUR USt und 1.196,80 EUR Barauslagen) und die mit 2.316,86 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 136,44 EUR USt und 1.498,20 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger wurden von der Beklagten im Verfahren AZ 3 C *****/11f des Bezirksgerichts M***** (in weiterer Folge: Vorverfahren) rechtsanwaltlich vertreten. Hintergrund dieses Vorverfahrens war ein Streit der Kläger mit ihrer angrenzenden Wohnungsnachbarin. Diese hatte auf ihrer Terrasse ein Sonnensegel errichtet, das im ausgefahrenen Zustand auch auf der Terrasse der Kläger einen Schatten warf und darüber hinaus durch das Knattern im Wind störende Geräusche verursachte.

Die Kläger wendeten sich an die Beklagte und entschlossen sich nach Rechtsberatung, zunächst einen prätorischen Vergleichsversuch durchzuführen. Sie übergaben der Beklagten Lichtbilder, die die Situation von Seiten der Terrasse der Kläger her darstellten. Am 25. 2. 2011 fand vor dem Bezirksgericht M***** der prätorische Vergleichsversuch zur AZ 3 Nc *****/10g statt. Bei diesem Anlass erlangte die Beklagte auch Kenntnis von Lichtbildern der Nachbarin bezüglich der Terrassensituation. Aufgrund dessen, der sonstigen Unterlagen und der Information durch die Kläger war der Beklagten die Situation auf den beiden Terrassen, nämlich die genaue Anbringung des Sonnensegels und dessen Lage im eingerollten wie ausgefahrenen Zustand, klar erkennbar.

Da der prätorische Vergleichsversuch scheiterte, beauftragten die Kläger die Beklagte mit der Einbringung der Klage auf Beseitigung des Sonnensegels. Bei diesem Gespräch teilte die Beklagte dem Erstkläger, der wie die Zweitklägerin keine Rechtsschutzversicherung hatte, mit, dass die Kläger im Fall des ‑ von der Beklagten allerdings als unwahrscheinlich eingestuften ‑ Prozessverlusts der Nachbarin als Verfahrensgegnerin die Prozesskosten zu ersetzen und die eigenen Kosten zu tragen haben; im Fall des Obsiegens würden sie diese Kosten von der Gegnerin ersetzt erhalten. Für die Vertretung im Verfahren zwecks prätorischen Vergleichs bezahlten die Kläger der Beklagten 360 EUR.

In der Folge bereitete die Beklagte die Klage vor, wobei sie auch einen Grundbuchsauszug einholte. Daraus war ersichtlich, dass die gesamte Liegenschaft im Alleineigentum eines Wohnungseigentumsorganisators stand. Für die Kläger war die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 24a WEG 1975 an ihrer Wohnung und einem Autoabstellplatz angemerkt. Für deren Nachbarin war die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 an deren Wohnung und einem Autoabstellplatz angemerkt.

Die Beklagte brachte die Klage im Vorverfahren am 18. 3. 2011 beim Bezirksgericht M***** ein. Folgendes Urteil wurde beantragt:

„1. Die Beklagte ist schuldig, das von ihr auf der Terrasse der Wohnung [Adresse der Nachbarin] errichtete Sonnensegel zu beseitigen;

2. die Beklagte ist weiters schuldig, es in Hinkunft zu unterlassen, das Sonnensegel oder ähnliche gleichartige Beschattungsgeräte auf der Terrasse der Wohnung [Adresse der Nachbarin] anzubringen und zu benützen.“

Die Kläger brachten im Vorverfahren vor, dass die Nachbarin ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auf ihrer Terrasse ein Sonnensegel montiert und an einer Trennwand befestigt habe, die allgemeiner Teil der Liegenschaft sei. Eine derartige Änderung sei nicht zulässig, stelle eine Schädigung des Hauses und eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer dar und beeinträchtige die äußere Erscheinung des Hauses.

Die Kläger stützten sich als Wohnungseigentumsbewerber im Vorverfahren auf § 16 iVm § 2 Z 6 WEG 2002. Sie stützten ihre Begehren weiters auf die Regeln des schlichten Miteigentums iSd §§ 825 ff ABGB, wonach die Anbringung des Sonnensegels auf der Terrasse der Nachbarin eine außerordentliche Maßnahme iSd § 834 ABGB sei, die der Zustimmung sämtlicher anderer Miteigentümer bedürfe, an der es jedoch fehle. Schließlich stützten die Kläger ihre Begehren auch auf § 364 ABGB, weil die durch das übergroße Sonnensegel der Nachbarin verursachten Beeinträchtigungen, insbesondere der Beschattung und des Lärms, indirekte Immissionen darstellten, die das ortsübliche Ausmaß bei weitem überschritten und eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung der Liegenschaft der Kläger darstellen.

Die Nachbarin bestritt das Klagebegehren im Vorverfahren. Insbesondere wandte sie ein, dass vom Sonnensegel keine Beeinträchtigung der Kläger ausgehe und der Anspruch der Kläger nicht auf § 364 ABGB gestützt werden könne, weil danach nur gegen die Beeinträchtigungen selbst, nicht aber gegen jene Einrichtungen vorgegangen werden könne, von denen keine Beeinträchtigung ausgehe, wenn sie sich nicht in Betrieb befinden.

Am 19. 7. 2011 fand im Vorverfahren im Beisein aller Prozessparteien und deren Vertreter ein Lokalaugenschein auf den Terrassen statt.

Das Erstgericht gab schließlich im Vorverfahren dem Klagebegehren statt. Es traf Feststellungen über die örtliche Situation und die Anbringung des Sonnensegels. Rechtlich führte es aus, dass die Nachbarin mit dem Anbringen von Stützen des Sonnensegels auf der Außenwand der Wohnung und der Umfassungsmauer der Terrasse allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen habe. Ein die Errichtung und Verwendung des Sonnensegels genehmigender Beschluss der Wohnungseigentümer-gemeinschaft liege nicht vor.

Der von der Nachbarin im Vorverfahren erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht statt. Es führte aus, dass nach § 364 ABGB nur die Beseitigung der Immission, nicht aber das Entfernen der Störungsquelle selbst begehrt werden könne, weshalb das Klagebegehren nicht auf diese Bestimmung gestützt werden könne. Das Anbringen von Sonnensegeln unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft sei zwar grundsätzlich nach § 16 WEG 2002 zu beurteilen, doch sei das WEG 2002 im Stadium vor Begründung des Wohnungseigentums nur in den in § 37 Abs 5 WEG 2002 angeführten Bereichen anzuwenden. Im konkreten Fall habe zwar keiner der künftigen Wohnungseigentümer Miteigentum erworben. Doch sei davon auszugehen, dass den Wohnungseigentumsbewerbern neben ihren Objekten auch die allgemeinen Teile der Liegenschaft zur gemeinsamen Nutzung übergeben worden seien, weshalb die Kläger an diesen ebenfalls Mitbesitz erworben hätten. Sie könnten daher die Klage gemäß § 372 ABGB gegen andere Wohnungseigentumsbewerber, die in ihre Nutzungsrechte betreffend die allgemeinen Teile der Liegenschaft eingreifen, erheben. Da aber § 16 WEG nicht anwendbar sei, seien die Regeln der §§ 828 ff ABGB heranzuziehen. Danach dürfe kein Miteigentümer gegen den Willen der anderen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen, durch die über den Anteil der anderen verfügt werde. Durch Schattenwurf und Geräuschentwicklung des Sonnensegels auf der Terrasse der Kläger sei in deren Rechtssphäre eingegriffen worden. Die eigenmächtige Errichtung des Sonnensegels durch die Nachbarin sei rechtswidrig erfolgt, da die dafür erforderliche Genehmigung nicht vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab mit der Entscheidung 5 Ob 143/12h der ordentlichen Revision der Nachbarin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts im Vorverfahren Folge, wies das Klagebegehren ab und verurteilte die Kläger zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz von 2.936,98 EUR, des Berufungsverfahrens von 2.332,98 EUR und des Revisionsverfahrens von 2.244,26 EUR.

Die bereits vom Berufungsgericht begründet verneinte Anspruchsgrundlage des § 364 ABGB sei im Revisionsverfahren nicht mehr releviert worden und daher nicht mehr zu erörtern.

Die Voraussetzungen des § 37 Abs 5 Satz 1 bis 3 WEG 2002 seien nicht gegeben. Da noch keiner der Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben habe, sei § 37 Abs 5 Satz 1 und 3 WEG 2002 nicht anwendbar. Zu § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 habe der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der darin enthaltene Verweis auf § 16 WEG 2002 die Gewährung der Rechte eines Miteigentümers nur nach §§ 16 und 52 WEG 2002 sowie das Recht auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG 2002 vermittle. Diese Ansprüche könne der Wohnungseigentumsbewerber im Außerstreitverfahren nach § 52 WEG 2002 durchsetzen. Die Eigentumsfreiheitsklage zur Abwehr eigenmächtiger Änderungen anderer Wohnungseigentumsbewerber stehe dem Wohnungseigentumsbewerber vor Verbücherung des Eigentums nicht zu.

Die (nur) vom Berufungsgericht erwogene Anspruchsgrundlage der Klage analog § 372 ABGB billige die Rechtsprechung dem Wohnungseigentumsbewerber zu, dem die zugesagte Wohnung bereits übergeben wurde. Es mag sein, dass dem Wohnungseigentumsbewerber auch allgemeine Teile des Hauses zur Mitbenutzung übergeben worden seien, doch gelte dies nicht schlechthin für alle allgemeinen Teile der Liegenschaft. Das Sonnensegel sei auf der Terrasse der Nachbarin an Stehern angebracht, die teilweise an der Außenwand der Wohnung und teilweise an einer offenbar den Sichtschutz bildenden Metall‑Glas‑Wand befestigt seien, die ihrerseits innerhalb der die Abgrenzung der Objekte bildenden Trennmauer montiert sei. Dass den Klägern an diesen Bereichen der Terrasse der Nachbarin Besitz oder Mitbesitz zukäme, sei nicht zu erkennen. Zusammengefasst trage keine der von den Klägern in Anspruch genommenen und vom Berufungsgericht erwogenen Anspruchsgrundlagen das Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehren. Dieses sei daher abzuweisen.

Die Kläger begehren nun im vorliegenden Verfahren den Ersatz des durch die mangelhafte Beratungs‑ und Vertretungstätigkeit der Beklagten im Vorverfahren entstandenen Kostenaufwands. Die Kläger hätten 7.514,22 EUR an Kostenersatz an die Gegnerin im Vorprozess leisten müssen und darüber hinaus drei Akontozahlungen an die Beklagte in Höhe von 705,10 EUR, 60 EUR und 300 EUR geleistet. Das Klagebegehren im Vorverfahren sei im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage des § 364 ABGB fehlerhaft formuliert worden, weil immissionsrechtlich nicht die Entfernung der Störungsquelle, sondern nur die Unterlassung der Einwirkungen begehrt werden könne. Wohnungseigentumsrechtlich habe aufgrund der Stellung der Kläger als Wohnungseigentumsbewerber kein Anspruch auf Entfernung des Sonnensegels der Nachbarin bestanden. Die Qualifikation von allgemeinen Teilen und gesondert genutztem Wohnungseigentum sei erst denkmöglich, wenn Wohnungseigentum begründet worden sei, was hier noch nicht der Fall gewesen sei. Für die Klage gemäß § 372 ABGB sei rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz Voraussetzung. Die Beklagte habe aber im Vorverfahren weder Vorbringen noch Beweisanträge zum Mitbesitz der Kläger an der Liegenschaft erstattet, sodass auch keine entsprechenden Feststellungen vom Erstgericht im Vorverfahren getroffen worden seien. Die Beklagte hätte im Übrigen schon bei ihren Vorerhebungen erkennen müssen, dass die Kläger keinen Besitz oder Mitbesitz an der zur Gänze auf der Terrasse der Nachbarin angebrachten Konstruktion des Sonnensegels erlangt haben konnten. Schon bei Klagseinbringung sei daher klar gewesen, dass die Klage scheitern müsse.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass sie die Anspruchsgrundlage des § 364 ABGB schon beim Lokalaugenschein habe fallen lassen müssen, weil die Beeinträchtigungen durch das Sonnensegel minimal gewesen seien. Daher sei auch keine Ergänzung bzw Änderung des Klagebegehrens mehr erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte im Vorverfahren, in dem sie für die Kläger in zwei Instanzen obsiegte, weder eine denkunmögliche noch eine rechtsprechungswidrige Rechtsansicht vertreten. Dass der Oberste Gerichtshof schließlich im Vorverfahren eine andere Rechtsansicht als die Beklagte vertreten habe, könne noch zu keiner Haftung der Beklagten führen. Vor Einbringung der Klage seien von der Beklagten umfangreiche Informationsaufnahmen durchgeführt worden, aufgrund deren die Beklagte davon ausgehen konnte, dass Besitz der Kläger an der Trennwand, an welcher das Sonnensegel befestigt gewesen sei, bestanden habe.

Die Beklagte wandte im Übrigen ihre Honorarforderung für die Vertretung der Kläger im Vorverfahren in Höhe von 5.705,55 EUR als Gegenforderung aufrechnungsweise ein. Die Kläger bestritten diese Gegenforderung mit dem Argument, dass die Vertretungsleistungen der Beklagten für sie keinen Wert gehabt hätten. Der Beklagten stehe daher kein Honorar zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine unzureichende Beschaffung von Tatsacheninformationen könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden. Die Beklagte habe das Klagebegehren im Vorverfahren neben der verfehlten immissionsrechtlichen Anspruchsgrundlage auch auf wohnungseigentumsrechtliche und schlichte miteigentumsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt. Dass die Beklagte (Mit‑)Besitz der Kläger an der Trennwand im Vorverfahren angenommen habe, stelle keine haftungsbegründende rechtliche Fehlbeurteilung dar, zumal sich auch die Kläger ihrem Rechtsempfinden nach als „Mitbesitzer“ der fraglichen Trennwand fühlten.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Der Rechtsanwalt schulde eine fachgerechte Geschäftsbesorgung, nicht aber einen Erfolg. Er hafte nicht dafür, dass ein von ihm angenommener, an sich vertretbarer Standpunkt in der Folge von den Gerichten nicht geteilt werde. Der Vorwurf, die Beklagte habe im Vorverfahren nicht sämtliche notwendige Tatsachenvorbringen erstattet, weshalb vom Erstgericht auch keine entsprechenden Feststellungen getroffen worden seien, treffe nicht zu. Die Abweisung der Klage im Vorverfahren sei deshalb erfolgt, weil der Oberste Gerichtshof verneinte, dass den Klägern an diesen Bereichen auf der Terrasse (Mit‑)Besitz zukomme. Dies sei „Resultat eines jedem Gerichtsverfahren immanenten Prozessrisikos“.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Frage des Umfangs der Aufklärungspflichten eines Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Vertretung eines Wohnungseigentumsbewerbers gegen einen anderen Wohnungseigentumsbewerber über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Kläger, die auf eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Sie ist auch überwiegend berechtigt.

1.  Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, ist zwar regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0026584 [T21]). Zur Wahrung der Rechtssicherheit muss der vorliegende Einzelfall aber aufgegriffen werden, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hält. Es ist selbstverständlich richtig, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts nicht überspannt werden und von ihm nur der Fleiß und die Kenntnis verlangt werden dürfen, die seine Fachkollegen gewöhnlich haben (RIS‑Justiz RS0026584 ua). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt jedoch verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten und das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft umsichtig zu besorgen. Den Rechtsanwalt treffen unter anderem Warn‑, Aufklärungs‑, Informationspflichten sowie die Verpflichtung zur Wahrung der Interessen seines Mandanten und zur Rechtsbetreuung (RIS‑Justiz RS0112203 mwN). Sinn und Zweck des Vertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten liegt darin, dem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung zu verhelfen, darüber hinaus aber auch darin, den Mandanten vor Nachteilen zu bewahren. Dieser Schutzzweck erschöpft sich aber im Zusammenhang mit der Einleitung und der Führung eines Rechtsstreits nicht nur im Rechtsstreit selbst, sondern umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust des Prozesses verbunden sein können (8 Ob 17/15f). Derjenige, der einen Rechtsanwalt betraut, darf davon ausgehen, dass dieser alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks unternimmt (RIS‑Justiz RS0038724 mwN). Der Rechtsanwalt muss nicht für eine irrige, jedoch vertretbare Gesetzesauslegung einstehen, er haftet nach der Rechtsprechung jedoch für Unkenntnis der Gesetze sowie der einhelligen Lehre und Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0038663; Harrer in Schwimann³ § 1300 Rz 15). Er muss, soll die Haftung ausgeschlossen werden, seine Partei aufklären, wenn eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Dies ist hier nicht geschehen.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte das Scheitern der Klage im Vorverfahren zu vertreten:

Wie bereits vorstehend im Detail dargelegt, gelangte der Oberste Gerichtshof im Vorverfahren nach Auseinandersetzung mit den einzelnen Anspruchsgrundlagen zu dem Ergebnis, dass keine das Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehren der Kläger trägt (5 Ob 143/12h). Die Auffassung des Berufungsgerichts, dies sei „Resultat eines jedem Gerichtsverfahren immanenten Prozessrisikos“ verharmlost das Scheitern im Vorverfahren und missversteht offenbar die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorverfahren. Die rechtliche Beurteilung der Beklagten im Vorverfahren, ein Prozessverlust sei (bei den von der Beklagten gewählten Klagebegehren und Anspruchsgrundlagen) „unwahrscheinlich“, war nicht gerechtfertigt und lief den die Beklagte gegenüber den Klägern treffenden Warn‑, Aufklärungs‑ und Informationspflichten zuwider.

3. Die Einbringung der Klage im Vorverfahren war daher von Anfang an zum Scheitern verurteilt, sodass die Haftung der Beklagten nach den dargestellten Grundsätzen zu bejahen ist. Der Revision der Kläger war allerdings nur teilweise Folge zu geben:

3.1 Das Klagebegehren besteht nur im Umfang der ‑ in diesem Ausmaß der Höhe nach unstrittigen ‑ Forderung von 8.219,32 EUR sA (7.514,22 EUR an Vertretungskosten der Gegnerin der Kläger und 705,10 EUR an Pauschalgebühr) zu Recht. Die weiteren geltend gemachten Vertretungskosten von 360 EUR (resultierend aus zwei Akontozahlungen in Höhe von 300 EUR und 60 EUR) bezahlten die Kläger nach den Feststellungen für die Vertretung durch die Beklagte im Verfahren AZ 3 Nc *****/10g des Bezirksgerichts M*****, in dem ein prätorischer Vergleichsversuch unternommen wurde. Eine fehlerhafte Beratung oder Vertretung durch die Beklagte in diesem Verfahren haben die Kläger nicht behauptet, sodass das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war.

4. Die Gegenforderung der Beklagten besteht hingegen nicht zu Recht, weil die Tätigkeit der Beklagten im Vorverfahren wertlos war, weshalb die Beklagte dafür auch ihren Honoraranspruch verliert (RIS‑Justiz RS0038663).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 43 Abs 2 Fall 1 und 50 ZPO. Die Kläger sind lediglich mit einem geringfügigen Teil ihres Klagebegehrens unterlegen. Da eine Berufungsverhandlung nicht durchgeführt wurde, gebührt für die Berufung gemäß § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz.

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