Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil wie folgt zu lauten hat:
„A. Die Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig,
1. das von ihr auf der Terrasse der Wohnung *****, errichtete Sonnensegel zu beseitigen, und
2. es in Hinkunft zu unterlassen, das Sonnensegel, gleichartige oder ähnliche Beschattungsgeräte auf der Terrasse der Wohnung *****, anzubringen und zu benützen,
werden abgewiesen.
B. Die Kläger sind schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 2.936,98 EUR (darin 489,49 EUR an Umsatzsteuer und 696,64 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“
Die Kläger sind weiters schuldig, der Beklagten jeweils binnen 14 Tagen die mit 2.332,98 EUR (darin 198,80 EUR an Umsatzsteuer und 1.141,40 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.244,26 EUR (darin 136,44 EUR an Umsatzsteuer und 1.427,40 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Ob der Liegenschaft EZ 4 GB ***** ist sub B‑LNR 1 das Alleineigentum für die „P*****“ *****gesellschaft m.b.H. einverleibt. Sub B‑LNR 1s ist die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 24a WEG 1975 an Top 8 und PKW‑Stellplatz 17 für die Kläger und sub B‑LNR 1ao die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 an Top 4 und Abstellplatz für KFZ Nr 21 für die Beklagte angemerkt. Die beiden ‑ den Parteien bereits übergebenen ‑ Wohnungen, insbesondere deren Terrassen, sind unmittelbar benachbart.
Die Terrassen liegen nördlich vor den Wohnräumen der Streitteile; jene der Kläger ist die östliche. Die Terrassen werden durch eine Mauer getrennt, auf der auf Seiten der Beklagten über die gesamte Länge eine Glaswand mit einer Metallkonstruktion befestigt ist. An beiden Enden dieser Glaswand ist jeweils eine Metallstütze befestigt. Jene im Bereich der Außenwand der Wohnung der Beklagten ist ca 3,5 m hoch und reicht bis zur Oberkante der Hausmauer. Sie ist auf Höhe des oberen und unteren Endes der Metallkonstruktion mit zwei Metallklemmen befestigt, die am Metall und an der Hausmauer angeschraubt sind. Die zweite, ca 1,5 m höhere Stütze ruht auf der die gesamte Terrasse umfassenden Mauer und ist zweifach an der Metallkonstruktion der Glaswand befestigt.
An den beiden anderen Ecken der Terrasse befinden sich zwei weitere Stützen, die jeweils auf einer der Umfassungsmauer mit vier Schrauben angebrachten Metallplatte befestigt sind. Diese gleich hohen Stützen kragen in einem Winkel von 15° von der Terrasse aus.
Diagonal über die Terrasse von der zwischen den Terrassentüren befindlichen Stütze zur vis a vis gelegenen Stütze verläuft eine Metallstange, an der ein Sonnensegel angebracht ist, das nach beiden Seiten in Richtung der anderen Stützen ausgefahren werden kann. Im komplett ausgefahrenen Zustand überspannt das Segel die gesamte, ca 5 x 5,5 m große Terrasse. Das geöffnete Segel wirft je nach Sonnenstand und Ausfahrweite Schatten auf die Terrasse der Kläger. Bei offenem Segel bewirkt schon ein leichter Wind Geräusche, die mit der Windstärke zunehmen.
Eine Zustimmung anderer Wohnungseigentumsbewerber zur Montage des Sonnensegels hat die Beklagte ebenso wenig eingeholt wie eine Genehmigung des Außerstreitrichters.
Die Kläger erhoben das im Spruch wiedergegebene Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehren. Die Beklagte habe das Sonnensegel eigenmächtig an einer Trennwand montiert, die allgemeiner Teil der Liegenschaft sei und damit gegen den auch für Wohnungseigentumsbewerber geltenden § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG 2002 verstoßen. Die Maßnahme beeinträchtige die äußere Erscheinung des Hauses, entspreche nicht der Übung des Verkehrs und diene auch keinem wichtigen Interesse der Beklagten. Durch das Flattern des Sonnensegels und den Schattenwurf würden die Interessen der Kläger massiv beeinträchtigt. Auch nach den Regeln über das schlichte Miteigentum wäre für die Anbringung des Sonnensegels die Zustimmung sämtlicher übrigen Miteigentümer erforderlich und eine Benützungsvereinbarung existiere ebenfalls nicht. Die vom Sonnensegel ausgehenden Licht‑ und Lärmbeeinträchtigungen seien indirekte Immissionen, deren Abwehr die Kläger auch nach § 364 ABGB begehren könnten.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren. Das Sonnensegel führe zu keinen Beeinträchtigungen des Hauses und der (Terrasse der) Kläger. Die Stützen des Sonnensegels seien nicht auf der Mauer zwischen den Wohnungseigentumsobjekten, sondern auf der an der gänzlich innerhalb des Objekts der Beklagten gelegenen Trennwand montiert. Die Regeln über das Miteigentum fänden nicht Anwendung und selbst gegebenenfalls bedürfte dann die Anbringung des Sonnensegels keiner Zustimmung anderer Miteigentümer. § 364 ABGB diene nicht der Abwehr negativer ideeller Immissionen und nach dieser Bestimmung könne auch nur gegen allfällige Beeinträchtigungen, nicht aber gegen die verursachende Anlage vorgegangen werden. Schließlich habe die Beklagte ein wesentliches Interesse an der Erhaltung des Sonnensegels, weil damit ein angenehmes Raumklima im Inneren der Wohnung geschaffen und deren starke Erwärmung in den Sommermonaten vermieden werde.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die Beklagte habe mit dem Anbringen der Stützen an der Außenwand der Wohnung und der Umfassungsmauer der Terrasse allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen. Die Verbesserung des Raumklimas in der Wohnung der Beklagten könne auch durch die Verwendung eines Klimageräts erreicht werden, während die Kläger die Beschattung ihrer Terrasse und die Geräuschbildung bei ausgefahrenem Sonnensegel nicht beeinflussen könnten. Ein überwiegendes Interesse der Beklagten sei nicht gegeben. Eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft im Sinn der Genehmigung der Errichtung und Verwendung des Sonnensegels liege nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge. Es war rechtlich der Ansicht, dass nach § 364 ABGB nur die Beseitigung der Immission, nicht jedoch das Entfernen der Störungsquelle begehrt werden könne. Die Kläger könnten daher ihr Begehren nicht erfolgreich auf § 364 ABGB stützen.
Das Anbringen des Sonnensegels sei infolge Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft eine Maßnahme, die zwar grundsätzlich nach § 16 WEG 2002 zu beurteilen sei, doch sei das WEG 2002 im Stadium vor Begründung des Wohnungseigentums nicht zur Gänze, sondern nur in den in § 37 Abs 5 WEG 2002 genannten Bereichen anzuwenden. Im vorliegenden Fall sei dabei zu beachten, dass noch keiner der künftigen Wohnungseigentümer Miteigentum an der Liegenschaft erworben habe. Allerdings sei davon auszugehen, dass den Wohnungseigentumsbewerbern neben ihren Objekten auch die allgemeinen Teile der Liegenschaft zur gemeinsamen Nutzung übergeben worden seien, weshalb die Kläger an diesen ebenfalls Mitbesitz erworben hätten. Sie könnten daher die Klage nach § 372 ABGB gegen andere Wohnungseigentumsbewerber erheben, die in ihre Nutzungsrechte betreffend allgemeine Teile eingriffen. Da hier § 16 WEG 2002 noch nicht anwendbar sei, seien die Regeln der §§ 828 ff ABGB heranzuziehen; demnach finde der Gebrauch eines Miteigentümers nur im tatsächlichen Mitgebrauch des anderen seine Schränke. Gemäß § 828 ABGB dürfe aber kein Miteigentümer gegen den Willen der Übrigen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen, wodurch über den Anteil der anderen verfügt würde. Dies habe selbst für Veränderungen zu gelten, die Miteigentümer an den ihnen zur ausschließlichen Benützung überlassenen Teilen des gemeinsamen Gutes vornehmen würden, wenn dadurch in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer eingegriffen werde und wichtige Interessen berührt würden. Vorliegend werde in die Rechtssphäre der Kläger eingegriffen, weil es durch das Sonnensegel zu Schattenwurf und Geräuschimmissionen auf deren Terrasse komme. Das Aufstellen des Sonnensegels sei daher auch nach den Regeln der §§ 828 ff ABGB genehmigungsbedürftig und die eigenmächtige Maßnahme der Beklagten daher nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach der Entscheidung 5 Ob 173/08i sei offen geblieben, was zu gelten habe, wenn ein Wohnungseigentumsbewerber, für den § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 gelte, eine Änderung an allgemeinen Teilen vornehme, ob nämlich in einem solchen Fall ein anderer Wohnungseigentumsbewerber zur Erhebung der publizianischen Negatorienklage aktivlegitimiert sei oder nicht. Weiters erscheine angesichts der in der Lehre vorgetragenen Argumente eine Klarstellung des Begriffs des allgemeinen Teils der Liegenschaft im Sinn des § 16 WEG 2002 zweckmäßig.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und aus den nachfolgenden Erwägungen auch berechtigt:
1. Dass die Kläger ihr Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren nicht erfolgreich auf § 364 ABGB stützen können, hat das Berufungsgericht begründet verneint (vgl dazu RIS‑Justiz RS0004649; Eccher in KBB³ § 364 ABGB Rz 13; Illedits in Schwimann , ABGB-TaKom² § 364 Rz 21; zum Begriff der Immission nach § 364 ABGB s auch RIS‑Justiz RS0010627; RS0010576). Diese selbstständige Anspruchsgrundlage wird im Revisionsverfahren nicht mehr releviert und ist daher auch hier nicht mehr zu erörtern.
2.1. Sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten gemäß § 37 Abs 5 Satz 1 WEG 2002 für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002. Nach § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 hat ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer, zu dessen Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt ist, ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 sowie den Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG 2002. Weiters hat ein solcher Wohnungseigentumsbewerber nach § 37 Abs 5 Satz 3 WEG 2002 ab dem Zeitpunkt, zu dem sein späterer Miteigentumsanteil ‑ insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten ‑ bekannt ist, die Rechte eines Miteigentümers, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat.
2.2. Die Voraussetzungen des § 37 Abs 5 Satz 1 WEG 2002 liegen hier nicht vor, weil noch kein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat.
2.3. Zu § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der darin enthaltene Verweis auf § 16 WEG 2002 die Gewährung der Rechte eines Miteigentümers nur nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 sowie das Recht auf Rechnungslegung nach § 34 WEG 2002 vermittelt. Der Wohnungseigentumsbewerber kann sämtliche Ansprüche, die aus den §§ 16 und 34 WEG 2002 resultieren, im dafür generell vorgesehenen wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 WEG 2002 durchsetzen. Ein Wohnungseigentumsbewerber ist daher berechtigt, sein Änderungsrecht (§ 16 Abs 2 WEG 2002) mangels Zustimmung der übrigen Wohnungseigentumsbewerber im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen. Dem Wohnungseigentumsbewerber steht jedoch vor der Verbücherung seines Eigentums die Eigentumsfreiheitsklage zur Abwehr eigenmächtiger Änderungen eines anderen Wohnungseigentumsbewerbers (oder Wohnungseigentümers) nicht zu (5 Ob 173/08i SZ 2008/117 = wobl 2009/55, 159). Auf § 16 WEG 2002 können daher die Kläger ihre Begehren ebenfalls nicht erfolgreich stützen und auch die vom Berufungsgericht gewünschten Ausführungen zum Begriff des allgemeinen Teils der Liegenschaft nach dieser Bestimmung erübrigen sich damit.
2.4. Die Rechte eines Miteigentümers kommen hier den Klägern nach § 37 Abs 5 Satz 3 WEG 2002 ebenfalls nicht zu; dies würde nämlich voraussetzen, dass zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, was hier nicht zutrifft.
3. Höchstgerichtliche Judikatur billigt dem Wohnungseigentumsbewerber, dem die zugesagte Wohnung übergeben wurde, die Klage nach § 372 ABGB analog zu (RIS‑Justiz RS0010989). Dieser Schutz bezieht sich zunächst auf jene Wohnung, welche der Wohnungseigentumsbewerber übergeben erhalten hat (5 Ob 173/08i SZ 2008/117 = wobl 2009/55, 159). Es mag nun sein, dass einem Wohnungseigentumsbewerber auch einige allgemeine Teile des Hauses zur Mitnutzung übergeben werden, schlechthin für alle (möglicherweise) allgemeinen Teile des Hauses gilt dies allerdings nicht (vgl 5 Ob 86/95 MietSlg 47.532). Das Sonnensegel ist auf der Terrasse der Beklagten, und zwar an Stehern angebracht, die teilweise an der Außenwand der Wohnung und teilweise an einer offenbar den Sichtschutz bildenden Metall‑Glas‑Wand befestigt sind, die ihrerseits innerhalb der die Abgrenzung der Objekte bildenden Trennmauer montiert ist. Dass den Klägern an diesen Bereichen auf der Terrasse der Beklagten (Mit‑)Besitz zukäme, ist nicht zu erkennen; dies wäre aber Voraussetzung für die an den verlorenen Besitz anknüpfende Klage nach § 372 ABGB (vgl Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek 4 § 372 ABGB Rz 1).
4.1. Zusammengefasst folgt, dass keine der von den Klägern in Anspruch genommenen und vom Berufungsgericht erwogenen Grundlagen deren Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren trägt; dies muss in Stattgebung der Revision zur Abweisung der Klagebegehren führen.
4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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