OGH 5Ob86/95

OGH5Ob86/9526.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag.Gerd R*****, 2. Elisabeth R*****, 3. Michaela Luise D*****, 4. Dietmar W*****, 5. Michaela W*****, 6. Reinhold F*****, 7. Marlies F*****, 8. Rudolf D*****, 9. Barbara Elisabeth S*****, 10. Gustav A*****, 11. Lisa A***** und 12. Roland B*****, alle wohnhaft *****, alle vertreten durch Dr.Johannes Grund, Dr.Wolf D.Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt in Wels, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 17.August 1994, GZ R 520/94-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 15. März 1994, GZ 6 C 1433/93-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen nach Rechtskraft den in der äußerst südwestlichen Ecke des Kellers im Hause ***** in ***** im Ausmaß von 11,88 m2 gelegenen Wasch- und Trockenraum, dessen genaue Lage sich aus dem Plan der Bauunternehmung M***** vom 26.1.1990, geprüft am 5.4.1990 vom Baumeister Ing.Friedrich K*****, ergibt, zu räumen und der *****genossenschaft für die klagenden Parteien von sämtlichen Fahrnissen geräumt zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 30.004,80 (darin S 4.600,80 Umsatzsteuer und S 2.400 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Wohnungseigentumsbewerber hinsichtlich des Objektes EZ ***** Grundbuch *****, Häuser ***** und *****. Die (nur im Haus *****) für die Kläger vorgesehenen Eigentumswohnungen sind ihnen zur Nutzung bereits übergeben worden, die Verbücherung ihrer Rechte ist jedoch noch nicht erfolgt. In der den Klägern bei Abschluß der Anwartschaftsverträge vorgelegten Bau- und Ausstattungsbeschreibung ist ua vorgesehen, daß in jedem der beiden Häuser je ein Trockenraum errichtet wird. Die Anwartschaftsverträge enthalten ua auch folgenden Passus: "Der Plan und die Ausstattung der Wohnung sind den Wohnungseigentumsbewerbern bekannt. Abweichungen, die aus technischen oder baupolizeilichen Gründen notwendig waren, anerkennen die Wohnungseigentumsbewerber, wenn sich die Größe und die Beschaffenheit nicht wesentlich ändern."

Nach Abschluß der Anwartschaftsverträge widmete der Wohnungseigentumsorganisator *****genossenschaft den als Trockenraum vorgesehenen Raum im Haus ***** in eine Lagerfläche um. Sodann schloß er am 18.2.1991 mit der damaligen Betreiberin des Gastlokales M***** Birgit H***** einen Anwartschaftsvertrag hinsichtlich des im Erdgeschoß des Hauses ***** gelegenen Geschäftslokales b im Ausmaß von 50,26 m2 samt Zubehör; am 3.11.1993 wurde hinsichtlich desselben Lokals ein Anwartschaftsvertrag mit der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Birgit H***** geschlossen. Auch diese Anwartschaftsverträge enthalten die Klausel, daß der Plan und die Ausstattung der Wohnung dem Wohnungseigentumsbewerber bekannt sind. Zugleich wies der Wohnungseigentumsorganisator den ursprünglich als Trockenraum gewidmeten Kellerraum der Betreiberin des Gastlokals (Beklagten) zur alleinigen Nutzung zu und errichtete anstelle des vorgesehenen Trockenraumes in jedem der beiden Häuser nur einen einzigen im Haus *****, welcher vom Haus ***** über einen überdachten, aber im Freien gelegenen Arkadengang des Innenhofes erreichbar ist. Mit einer am 29.8.1991 gerichtsanhängig gewordenen Klage begehrten die Kläger des vorliegenden Verfahrens im Verfahren 3 Cg 274/91 des Kreisgerichtes Wels vom Wohnungseigentumsorganisator die Übergabe des im Kellergeschoß des Hauses ***** ursprünglich vorgesehenen Trockenraumes. Diesem Klagebegehren wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18.Mai 1992 und des Oberlandesgerichtes Linz vom 26.Jänner 1993 stattgegeben.

Nunmehr begehren die Kläger von der Beklagten, die als Wohnungseigentumsbewerberin hinsichtlich des Geschäftslokales b im Erdgeschoß des Hauses ***** den ihr zugewiesenen Trockenraum alleine nutzt, die Räumung dieses im Allgemeineigentum stehenden Raumes. Die Beklagte benütze diesen Raum titellos und könne sich auch nicht auf eine Vereinbarung mit dem Wohnungseigentumsorganisator berufen, weil sie in dem von ihr abgeschlossenen Anwartschaftsvertrag auf die bestehenden Pläne und die Bau- und Ausstattungsbeschreibung hingewiesen worden sei und somit Kenntnis gehabt habe, daß dieser Raum als der Gesamtheit der Wohnungseigentümer dienender Wasch- und Trockenraum vorgesehen sei.

Die Beklagte wendete ein, sie benütze den Raum aufgrund einer Vereinbarung mit dem Wohnungseigentumsorganisator, der ihr diesen Raum zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen habe, nachdem es nicht zur Überlassung der ihr ursprünglich zugesagten, an den Trockenraum anschließenden Kellerräume gekommen sei, weil diese versehentlich zwei anderen Anwärtern zugewiesen worden seien. Bei Abschluß des Anwartschaftsvertrages sei ihr ein Plan, aus dem die Kelleraufteilung ersichtlich gewesen sei, nicht vorgelegt worden. Sie habe daher nicht erkennen können, daß durch die Zuweisung des strittigen Raumes allenfalls in fremde Rechte eingegriffen werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf zusätzlich zu den eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:

Hinsichtlich des Kellergeschoßes des Hauses ***** war Vertragsgrundlage für die Anwartschaftsverträge der am 26.1.1990 von der Bauunternehmung M***** verfaßte und am 5.4.1990 von Ing.Friedrich K***** geprüfte Plan. Der den Klägern zugesagte Trockenraum im Haus Traungasse 7 ist in der äußerst südwestlichen Ecke des Gebäudes gelegen und weist eine Größe von 11,88 m2 auf.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die zwischen dem Wohnungseigentumsorganisator und der Beklagten geschlossene Vereinbarung über die Zuweisung des als Trockenraum vorgesehenen Raumes in die alleinige Nutzung der Beklagten als rechtsunwirksam im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 WEG. Die Beklagte benütze diesen Raum daher titellos und sei zur Räumung zu verpflichten. Ein Gutglaubenserwerb an einem Recht zur Nutzung dieses Raumes sei nicht anzunehmen; Wohnungseigentum könne nur schriftlich eingeräumt werden, in den Anwartschaftsverträgen sei nur das Geschäftslokal als Vertragsgegenstand genannt, in den Plänen scheine der Raum als Trockenraum auf. Im übrigen wäre die Beklagte zur Einsichtnahme in die Pläne verpflichtet gewesen. Daß sie dies unterlassen habe, stehe der Annahme ihrer Gutgläubigkeit entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sprach (in seinem Berichtigungsbeschluß vom 3.Mai 1995) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes je Kläger bzw je klagendem Ehepaar S 50.000 übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Es vertrat ebenfalls die Auffassung, daß die Vereinbarung zwischen dem Wohnungseigentumsorganisator und der Beklagten betreffend die Zuweisung des Trockenraumes nichtig im Sinne des § 24 Abs 1 WEG sei, wobei auch bei Anwendung nur der Generalklausel die Beschränkungseignung dieser Vereinbarung hinsichtlich der Rechte der übrigen Wohnungseigentumsbewerber zu bejahen sei; die Kläger hätten die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung - wenn auch nicht unter ausdrücklicher Berufung auf § 24 Abs 1 WEG - in der Klage geltend gemacht. Die Beklagte habe den sie allenfalls entlastenden Nachweis, daß ihr ein Eingriff in die Rechte der übrigen Wohnungseigentumsbewerber weder bekannt war noch bekannt sein mußte, nicht erbracht. Sie könne sich daher nicht auf einen gültigen Rechtstitel zur Nutzung des Trockenraumes stützen.

Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage, ob § 24 Abs 1 WEG auch im Falle der Doppelzuweisung von Räumen an verschiedene Wohnungseigentumsbewerber zur Anwendung komme, keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes vorliege; ebenso fehle eine solche zur Anwendbarkeit des § 24 Abs 3 WEG in diesen Fällen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Aktivlegitimation der Kläger die Rechtslage verkannt hat, und im Ergebnis auch berechtigt.

Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen und die diesbezüglichen Ausführungen in Revision und Revisionsbeantwortung kommt es aus folgenden Erwägungen nicht an:

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger begehren von der Beklagten die Räumung eines Liegenschaftsteils wegen titelloser Benützung. Die Eigentumsklage (rei vindicatio) des § 366 ABGB steht ihnen hiefür mangels bücherliche Liegenschaftseigentums (Wohnungseigentums) nicht zur Verfügung. Dem Wohnungseigentumsbewerber, dem das zugesagte Objekt übergeben wurde, wird von der Rechtsprechung allerdings vor der grundbücherlichen Eintragung die Klage nach § 372 ABGB (actio Publiciana) gewährt (MietSlg 34.558, 38.663; 6 Ob 1548/95; Würth in Rummel2 vor § 13 WEG Rz 2, § 23 WEG Rz 1). Zur Nutzung übergeben wurden den Klägern ihre Wohnungen, zur Mitnutzung wohl auch (einige) allgemeine Teile des Hauses. Bisher nicht übergeben wurde ihnen ihrem eigenen Vorbringen nach der streitgegenständliche Trockenraum. Da sie diesen Raum somit nie (mit-)besessen haben, die publicianische Klage aber an den - wenn auch verlorenen - Besitz anknüpft (vgl nur Koziol/Welser II9 38 f mwN), können sie ihre Klagslegitimation auch hierauf nicht stützen.

Der Revision der Beklagten war daher im Sinne einer Abweisung der Räumungsklage mangels Aktivlegitimation Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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