OGH 9ObA62/15f

OGH9ObA62/15f29.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Robert Brunner als weitere Richter und Richterinnen in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. R***** J*****, vertreten durch Mairhofer & Gradl Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wegen 21.401,09 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 16.957,31 EUR brutto) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. März 2015, GZ 12 Ra 11/15x‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00062.15F.0729.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG erfasst Handlungen oder Unterlassungen eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RIS‑Justiz RS0029547).

Bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit kommt es darauf an, ob für einen Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftigem kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen ist (RIS‑Justiz RS0029833).

1.2. Der Angestellte, der zum Träger fremder, betrieblicher und geschäftlicher Interessen geworden ist, ist verpflichtet, diese Interessen seines Arbeitgebers wahrzunehmen und alles zu unterlassen, was diese Interessen zu gefährden geeignet ist (RIS‑Justiz RS0029511). Da dem leitenden Angestellten im Allgemeinen ein umfassenderer Einblick in die Betriebs‑ und Geschäftsstruktur gewährt und ihm damit vom Arbeitgeber mehr anvertraut wird als einem Angestellten in untergeordneter Position, sind an das Verhalten des Angestellten in leitender Stellung insoweit strengere Anforderungen zu stellen (RIS‑Justiz RS0029726, RS0029341).

Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauenswürdigkeit ist weder ein Schadenseintritt noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, sondern es genügt schon die Fahrlässigkeit des Angestellten (vgl RIS‑Justiz RS0029531).

1.3. Gerade die Verletzung der Geheimhaltungspflicht ‑ selbst wenn davon nicht unmittelbar Geschäftsgeheimnisse betroffen sind ‑ muss bei objektiver und vernünftiger kaufmännischer Erwägung beim Dienstgeber die gerechtfertigte Befürchtung auslösen, dass auch künftig Informationen nicht mit der gebotenen Vertraulichkeit behandelt würden (RIS‑Justiz RS0029511). Betriebsgeheimnisse oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht (RIS‑Justiz RS0079599).

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen. Dies ist hier nicht der Fall.

2.2. Der Kläger hat als Bauleiter den für die Beklagte tätigen Subunternehmer nicht nur aufgefordert, das Unternehmen seiner Lebensgefährtin zur Anbotslegung einzuladen, sondern dieser in weiterer Folge das Anbot des Konkurrenzunternehmens zukommen lassen. Damit hat er ihr, auch wenn ihr eigenes Anbot zu diesem Zeitpunkt schon vorlag, den Vorteil verschafft, bei Nachverhandlungen gezielt auf das Anbot der Konkurrenz reagieren zu können. Dass es sich um ein Anbot handelte, das die Konkurrenzfirma an das Subunternehmen gelegt hatte, ändert nichts daran, dass es sich dabei um eine dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte bekanntgewordene vertrauliche Information handelte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Weitergabe solcher Informationen geeignet ist, die Befürchtung auszulösen, dass auch andere firmeninterne Daten nicht mit der gebotenen Vertraulichkeit behandelt werden, der Kläger das Unternehmen seiner Lebensgefährtin auch in Zukunft ungerechtfertigt bevorzugt und dass ein solches Verhalten geeignet ist, die Verlässlichkeit der Beklagten als Marktteilnehmerin gegenüber ihren Geschäftspartnern zu untergraben, stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Die Entlassung des Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit wurde vom Berufungsgericht vertretbar bejaht.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte