OGH 1Ob119/15d

OGH1Ob119/15d8.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des G***** L*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch Dr. Manfred Ton, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Dr. Günther Harrich, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Februar 2015, GZ 48 R 20/15v‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 27. November 2014, GZ 21 P 122/14b‑41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00119.15D.0708.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestellung eines Sachwalters, gegen die sich der Betroffene mit seinem außerordentlichen Rechtsmittel wendet, darf nur dann erfolgen, wenn die betroffene Person nicht anders in die Lage versetzt werden kann, ihre Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen (RIS‑Justiz RS0049088). Sie setzt nicht nur eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung, sondern auch die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen voraus (RIS‑Justiz RS0049085). Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0106166; RS0087091 [T2; T3; T4]). Gleiches gilt für die Frage, in welchem Umfang aufgrund einer psychischen Krankheit oder Behinderung ein Sachwalter zu bestellen ist (RIS‑Justiz RS0106744).

2. Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen für den Obersten Gerichtshof bindend (vgl RIS‑Justiz RS0007236) zugrunde gelegt, dass beim Betroffenen eine Alkoholabhängigkeit mäßigen Grades, eine reaktive depressive Symptomatik, Verwahrlosungstendenzen sowie eine beginnende vaskuläre Demenz mit dadurch bedingter objektiv verminderter Überblicksgewinnung und Kritikfähigkeit und Anzeichen eines Frontalhirnsyndroms bestehen. Diese Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des nervenärztlichen Gutachtens, sodass entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers keine Rede davon sein kann, es bestünden nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung. Soweit er in diesem Zusammenhang auf das am 6. 10. 2011 aus Anlass seines eigenen Antrags auf Bestellung eines Sachwalters eingeholte Gutachten verweist und meint, daraus ergäben sich keine Anhaltspunkte für die nunmehr vorliegenden Diagnosen, verkennt er, dass zwischen diesen beiden Gutachten ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt und dem nunmehrigen Gutachter die damalige Expertise als Befundgrundlage zur Verfügung stand. Es begründet daher auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangten, dass der Revisionsrekurswerber nicht in der Lage ist, sich vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern ohne Gefahr eines Nachteils selbst zu vertreten oder seine Einkünfte, sein Vermögen und seine Verbindlichkeiten selbst zu verwalten, ohne dass dies die Gefahr eines Nachteils für ihn mit sich brächte.

3. Richtig ist zwar, dass die Bestellung eines Sachwalters auch dann unzulässig ist, wenn der Betroffene sich der Hilfe anderer in rechtlich einwandfreier Weise bedienen kann, wie etwa durch Vollmachtserteilung oder durch Genehmigung einer Geschäftsführung (RIS-Justiz RS0048997). Das ist aber nur dann möglich, wenn die behinderte Person noch zu eigenem Handeln fähig ist, also noch über ein bestimmtes Maß an Einsichtsfähigkeit und Urteilsfähigkeit verfügt (RIS-Justiz RS0049004). Allein der Hinweis, dass sich eine betroffene Person einer anwaltlichen Vertretung bedienen kann, macht eine Sachwalterschafts-bestellung aber nicht entbehrlich (1 Ob 146/08i; 3 Ob 230/14s). Umso weniger kann aus dem Umstand, dass der Revisionsrekurswerber sowohl im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters als auch im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse die Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe beantragte, abgeleitet werden, es fehle an seiner besonderen Schutzbedürftigkeit oder es lägen keine Angelegenheiten vor, die zu seinen Gunsten in rechtlich einwandfreier Weise zu besorgen wären. Sein Hinweis, seine einstweilige Sachwalterin habe in der Tagsatzung vom 26. 11. 2014 lediglich allgemein auf erhebliche Schulden verwiesen, ohne dazu nähere Angaben zu machen, weswegen es an einer wesentlichen Entscheidungsgrundlage fehle, lassen den Umstand außer Acht, dass diese bereits in ihrem Übernahmebericht vom 12. 11. 2014 seine Vermögenslage und damit auch seine beträchtlichen Schulden im Detail dargelegt hatte.

4. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Vorinstanzen aufgrund der Umstände des Einzelfalls jedenfalls vertretbar davon ausgegangen sind, dass der Revisionsrekurswerber an einer psychischen Krankheit leidet, aufgrund der er nicht in der Lage ist, die vom Bestellungsbeschluss umfassten Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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