OGH 1Ob93/15f

OGH1Ob93/15f18.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** R*****, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen die beklagte Partei R***** R*****, vertreten durch Dr. Klaus‑Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines gerichtlichen Räumungsvergleichs, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 11. März 2015, GZ 22 R 72/15t‑24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 19. Jänner 2015, GZ 6 C 118/14z‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00093.15F.0618.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für den von ihr erklärten Verzicht auf eine Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Die Streitteile sind geschiedene Ehegatten. Im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG wurde eine Liegenschaft mit der ehemals gemeinsamen Ehewohnung alleine dem Beklagten zugewiesen. Der Aufteilungsbeschluss enthielt jedoch keine in Exekution zu ziehende Räumungsverpflichtung der Klägerin. Diese zog aus der ehemals gemeinsamen Ehewohnung auch nicht aus. Im daraufhin vom Beklagten vor dem Bezirksgericht Grieskirchen angestrengten Räumungsverfahren schlossen die Streitteile am 4. September 2013 einen Räumungsvergleich, der die Klägerin zur Räumung bis längstens 31. Jänner 2014 verpflichtete.

Im nunmehrigen Verfahren begehrt die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit dieses Vergleichs. Sie brachte dazu vor, wenn sie gewusst hätte, dass sie durch ihre Unterschrift einem Räumungsvergleich zustimme, hätte sie diesen nicht abgeschlossen. Sie fechte daher den Vergleich wegen Irrtums an, welcher vom Beklagten bzw dem Gericht veranlasst worden sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging dabei davon aus, dass der Vergleich frei von Willensmängeln und insbesondere ohne Irrtum über die Vergleichsgrundlagen zustandegekommen sei. Die Klägerin habe gewusst, dass die Liegenschaft ihrem geschiedenen Ehemann zugewiesen worden war, und habe einer vergleichsweisen Regelung, die ihr mutmaßlich einen etwas längeren Verbleib, nämlich bis Ende Jänner 2014 auf der Liegenschaft ermöglichen würde, was sie auch damals eingesehen habe, ausdrücklich zugestimmt. Die Klägerin habe ihre Zustimmung zum Vergleich mit einem deutlichen „Ja“ ausgedrückt und den vollschriftlichen Teil des Verhandlungsprotokolls [Anm: der aber den auf Schallträger aufgenommenen Text des Vergleichs nicht enthielt] unterfertigt. Dass die Klägerin im Zeitpunkt dieses Vergleichsabschlusses an einer psychischen Krankheit, geistigen Behinderung oder einer solchen Persönlichkeitsstörung gelitten hätte, die ihre diesbezügliche Geschäftsfähigkeit eingeschränkt hätte, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige und die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Die Klägerin geht in ihrer außerordentlichen Revision zwar zutreffend davon aus, dass der Ausspruch im Berufungsurteil über den Wert des Entscheidungsgegenstands unbeachtlich ist, vermag aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung oder eine im Einzelfall aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung aufzuzeigen:

Gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten dessen Abs 2 und 3 nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird.

Unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen auch Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit eines gerichtlichen Räumungsvergleichs (2 Ob 171/09z; 5 Ob 184/10k = immolex 2011/32, 113, [Prader] = RIS‑Justiz RS0120190 [T3]). Es liegt somit ein Fall des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vor, bei dem sich eine Bewertung erübrigt (3 Ob 269/00f; G. Kodek in Rechberger 4 § 500 ZPO Rz 8 aE). Der dennoch vorgenommene Ausspruch des Berufungsgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands ist unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0042294).

Auch ein Fall einer nachträglichen Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 iVm § 502 Abs 3 ZPO kann nach all dem nicht vorliegen. Das Berufungsgericht hätte aussprechen müssen, ob die Revision wegen Vorliegens einer Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Eine Zurückstellung des Akts an das Berufungsgericht zur Nachholung dieses Ausspruchs kann aber unterbleiben, da der Oberste Gerichtshof an diesen Ausspruch nicht gebunden wäre (RIS‑Justiz RS0042438 [T11]) und die Revision ohnehin als außerordentliche Revision ausgeführt ist (2 Ob 2346/96f; 1 Ob 150/05y ua, RIS‑Justiz RS0042424 [T2]; RS0042438 [T5], zuletzt 2 Ob 171/09z).

Die Revisionswerberin behauptet lediglich pauschal und ohne konkrete Darstellung, das Berufungsgericht sei von einer „ständigen Rechtsprechung hinsichtlich eines Tatsachenirrtums bzw der behaupteten fehlenden Geschäftsfähigkeit abgegangen“.

Eine Zulassungsbeschwerde ‑ nunmehr iSd § 506 Abs 1 Z 5 ZPO ‑ ist aber dann nicht gesetzmäßig ausgeführt, wenn der Revisionswerber nicht einmal die seiner Ansicht nach erhebliche Rechtsfrage bestimmt bezeichnet hat (RIS‑Justiz RS0043654 [T1]). Wenn er ‑ wie im vorliegenden Fall die Klägerin ‑ behauptet, das Berufungsgericht sei von höchstgerichtlicher Judikatur abgewichen, hat er zumindest die seines Erachtens für seinen Rechtsstandpunkt sprechenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs anzuführen und darzulegen, inwieweit sich das Berufungsgericht damit in Widerspruch gesetzt hat (RIS‑Justiz RS0043654 [T5]; vgl auch [T12] aaO).

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, ist die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wenn schon eine ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Revisionsbeantwortung im Fall der Verwerfung der Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gilt (§ 508a Abs 2 ZPO; RIS‑Justiz RS0043690 [T6, T7]), kann auch für den hier vom Kläger bekanntgegebenen Verzicht auf eine Revisionsbeantwortung kein Honorar zustehen.

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