OGH 1Ob150/05y

OGH1Ob150/05y27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine E*****, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, gegen die beklagte Partei Hans Jörg S*****, vertreten durch MMag. Dr. Irmtraud Oraz, Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Jänner 2005, GZ 39 R 16/05z-69, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. November 2004, GZ 44 C 23/98d-55, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die von der Klägerin gegen den Beklagten auf Räumung und Zahlung eines Mietzinsrückstandes gerichtete Klage wurde mit einem zu 44 C 513/01w anhängigen Verfahren, dessen Gegenstand eine weitere von der Klägerin gegen den Beklagten angestrengte Klage auf Zahlung von Mietzinsrückständen (betreffend einen anderen Zeitraum) war, verbunden. In den verbundenen Verfahren erging in der Folge über den gesamten Mietzinsrückstand ein (rechtskräftiges) Teilurteil. Infolge dieser Mietzinsrückstände wurde der Beklagte mit Urteil vom 16. 7. 2004 verurteilt, die verfahrensgegenständliche Wohnung geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben (§ 1118 zweiter Fall ABGB).

Dieses Räumungsurteil berichtigte das Erstgericht mit Beschluss vom 12. 11. 2004 dahin, dass das Aktenzeichen der verbundenen Rechtssache statt „44 C 598/01" richtig „44 C 513/01" lauten solle. Als Begründung wird ausgeführt, dass auf Grund eines Schreibfehlers irrtümlich das Aktenzeichen der bereits rechtskräftig entschiedenen Widerklage angeführt worden sei. Bei Fassung dieses Berichtigungsbeschlusses waren dem Erstgericht jedoch zwei weitere Unrichtigkeiten unterlaufen: Beim Aktenzeichen wurde der Prüfbuchstabe „w" vergessen; der zweite Fehler findet sich in der Begründung, in welcher die Bezeichnung „Widerklage" anstatt „Wiederaufnahmsklage" verwendet wurde.

Gegen diesen Beschluss richtete sich der Rekurs der beklagten Partei. Der Rekursantrag lautete dahin, diese (neuerlichen) Fehler im angefochtenen Beschluss zu berichtigen; in eventu wird begehrt, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass „der Berichtigung des Urteils durch Änderung der Aktenzeichen nicht Folge gegeben wird". Zu diesem und weiters im Einzelnen nicht mehr wiedergegebenen weiteren Eventualanträgen wurde (zusammengefasst) vorgebracht, die falsche Geschäftszahl hätte nicht berichtigt werden dürfen, da der dem Gericht unterlaufene Fehler „Fehler in der Parteibezeichnung mit sich bringe und die angefochtenen Entscheidung auf eine andere Rechtssache gründe", sodass ein „absolut wirkungsloses nichtiges Urteil" vorliege.

Das Rekursgericht wies den Rekurs mangels Beschwer als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 Euro nicht übersteige und der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Trotz der inhaltlichen Richtigkeit des Rekursvorbringens sei der Rekurs mangels Beschwer unzulässig, weil die aufgezeigten (neuerlichen) Unrichtigkeiten für die Rechtsposition der Rekurswerberin ohne Bedeutung wären und sich daraus keinerlei Nachteile ergeben könnten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich das als „(außerordentlicher) Revisionsrekurs" bezeichnete und als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführte Rechtsmittel der beklagten Partei.

Nach dessen Einlangen berichtigte das Erstgericht mit Beschluss vom 22. 3. 2005, „GZ 44 C 23/98, 44 C 513/01-75", seinen Berichtigungsbeschluss vom 12. 11. 2004 („ersten Berichtigungsbeschluss") dahingehend, dass es in der Begründung anstatt „Widerklage" richtig „Wiederaufnahmsklage" lauten solle.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass im Fall der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen einen Beschluss, womit über Antrag einer Partei oder von Amts wegen eine Berichtigung vorgenommen wurde, die Frage der Zulässigkeit eines weiteren Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Rekursgerichts nach § 528 ZPO zu beurteilen ist (SZ 51/73). Auch wenn das Gericht zweiter Instanz - wie hier - den Rekurs zurückgewiesen hat, ist der Revisionsrekurs (nur) unter den Vorraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar (1 Ob 84/00k; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1, § 519 Rz 20).

Davon ausgehend ist - entgegen dem weder den Obersten Gerichtshof noch die Parteien bindenden belehrenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 500 Abs 3 zweiter Satz ZPO; RdW 1994, 208; Pimmer in Fasching/Konecny² aaO, § 500 Rz 19 mwN) - der Revisionsrekurs zwar nicht absolut unzulässig, weil die Rechtssache den im § 528 Abs 2 Z 1 ZPO (§ 502 Abs 5 Z 2 ZPO) genannten streitwertunabhängigen Streitigkeiten zuzurechnen ist, doch ist der Rekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

1) Zur Frage der absoluten Unzulässigkeit:

Zweck der Sonderregelung über die Zulässigkeit der Revision bzw des Revisionsrekurses gem § 502 Abs 5 Z 2 bzw § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist, die in den in Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 5 JN gefällten Entscheidungen in Fällen, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht, unabhängig von Bewertungsfragen revisibel zu machen. Der Ausschussbericht zur WGN 1989 (BGBl 343) stellt zur Lösung von Abgrenzungsfragen darauf ab, ob etwas mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags so eng zusammenhängt, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre (991 BlgNR 17. GP 11). Davon ausgehend ist auch der Beschluss, mit dem über die Berichtigung von bei Erlassung eines Räumungsurteils unterlaufenen Schreib- und sonstigen -Fehlern abgesprochen wird, als mit diesem in untrennbarem Zusammenhang stehend anzusehen, stellt die Berichtigung doch den infolge eines Irrtums des Gerichts ergänzend notwendig gewordenen Verfahrensschritt zwecks Erledigung des eigentlichen Prozessgegenstands (des Räumungsbegehrens) dar. Diese Erwägungen treffen ebenso auf Rekursentscheidungen über eine in erster Instanz beschlossene oder unterlassene Berichtigung zu. Derartige erst- und zweitinstanzliche Beschlüsse sind damit nicht bloß als Entscheidungen anzusehen, die „aus Anlass" eine Streitigkeit über einen in § 528 Abs 2 Z 1 ZPO genannten Ausnahmetatbestand ergehen, sondern als solche, die in derart engem Konnex zu dieser Materie stehen, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit abzulehnen ist. Dass sich im vorliegenden Fall die Berichtigung nur auf die Geschäftszahl der verbundenen Rechtssache bezog, deren Verfahrensgegenstand (Mietzinsrückstand ohne Räumungsbegehren) keine Rechtssache iSd § 502 Abs 5 Z 2 ZPO war, ändert nichts, da - wie dargelegt - Gegenstand der Berichtigung das in den verbundenen Rechtssachen ergangene Räumungsurteil ist, welchem der mit (rechtskräftigem) Teilurteil festgestellte Mietzinsrückstand zu Grunde lag.

Der Revisionsrekurs ist auch nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Vorliegen einer zur Gänze bestätigenden Entscheidung) absolut unzulässig, da das Rekursgericht den gegen den Berichtigungsbeschluss gerichteten Rekurs als unzulässig zurückgewiesen hat, ohne auf die behaupteten Rekursgründe inhaltlich einzugehen (8 Ob 49/02t; 1 Ob 277/02w).

Gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts ist daher ungeachtet des Werts des zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstands der Zugang zum OGH gegeben, sodass es keiner Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht bedurft hätte. Hatte aber mangels Vorliegens der gesetzlichen Vorraussetzungen eine Bewertung gem § 500 Abs 2 ZPO zu unterbleiben, ist ein dennoch vorgenommener Ausspruch unbeachtlich (SZ 63/117; RIS-Justiz RS0042294).

2) Zu prüfen ist weiters, ob die Beurteilung des Zurückweisungsgrunds - hier also die Frage, ob eine Beschwer vorliegt - eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufwirft (Zechner aaO § 528 Rz 13 mwN). Dies ist zu verneinen:

Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Berichtigungsantrags das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses (JBl 1967, 437 [zust. Sprung]; 4 Ob 506/89; 9 Ob 353/98x; RIS-Justiz RS0041630; RS0037976). Das Rekursgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es die aufgezeigten neuerlichen Fehler zwar als gegeben erachtet hat, mangels eines schutzwürdigen Interesses zu einer Berichtigung gem § 419 ZPO jedoch keinen Anlass sah und ausführte, es sei nicht erkennbar, welchen Nachteil der Revisionsrekurswerber durch die als offenkundige Schreibfehler anzusehende Auslassung des Prüfzeichens erleiden sollte; ebensowenig ergeben sich aus der in der Begründung erfolgten irrtümlichen Bezeichnung „Widerklage" statt „Wiederaufnahmsklage" für den Revisionsrekurswerber nachteilige Konsequenzen. Diese offenkundigen Irrtümer bleiben für die Entscheidung somit ohne Relevanz und können weder am Umfang der eingetretenen Rechtskraft noch an der Identität der Rechtssache etwas ändern.

Soweit der Revisionsrekurswerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darin erblickt, dass das Urteil nicht durch das Austauschen der Aktenzahl (von 44 C 598/01 auf 44 C 513/01) berichtigt hätte werden dürfen, weil dadurch "eine Änderung der Rechtssache" bewirkt werde, und den Vorwurf erhebt, das Rekursgericht habe sich nur mit den neuerlichen (im Berichtigungsbeschluss unterlaufenen) Unrichtigkeiten, nicht aber mit dieser Frage sowie den diesbezüglichen Eventualanträgen befasst, wird auch damit keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

Der Rekursentscheidung liegt ganz offensichtlich die Rechtsansicht zu Grunde, die Berichtigung der Aktenzahl von 44 C 598/01 auf 44 C 513/01 sei iSd § 419 ZPO zulässig gewesen, hätte das Rekursgericht doch ansonsten nicht klar zum Ausdruck gebracht, hinsichtlich der in diesem Sinn bereits berichtigten Geschäftszahl wäre (auch) die Ergänzung des Prüfzeichens zwar angebracht, scheitere jedoch an der fehlenden Beschwer. Ist aber mangels Beschwer ein Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen worden, erübrigt sich ein Eingehen auf inhaltliche Aspekte. Die Eventualanträge waren vom Rekursgericht somit nicht zu behandeln.

Der unzulässige Revisionsrekurs des Beklagten ist daher zurückzuweisen, ohne dass es noch einer Berichtigung des zweitinstanzlichen Beschlusses durch den Nachtrag eines Zulässigkeitsausspruchs iSd § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO bedürfte, weil der Revisionsrekurs ohnedies als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführt wurde (2 Ob 2346/96f).

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