OGH 2Ob2346/96f

OGH2Ob2346/96f31.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Augustine N*****, vertreten durch Dr.Alfons Hauer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei Hubert K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Helmut Klement, Dr.Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 62.400 sA und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9.Juli 1996, GZ 5 R 384/95-40, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 18.August 1995, GZ 2 C 1331/94t-28, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 8.November 1995, GZ 2 C 1331/94t-35, in der Sache bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei unterhielt in S***** Nr. 8 eine Baustelle. Die Arbeitnehmer der beklagten Partei lagerten an der Außenseite des Bauzaunes, der den Baustellenbereich zum K*****weg hin abgrenzte, mehrere Bewehrungseisen mit einem Durchmesser von rund 12 mm und einer Länge von 14 m. Diese waren an den Enden jeweils mit weiteren Bewehrungseisen zusammengebunden. Am 13.8.1993 stieß die auf dem K*****weg gehende Klägerin während eines Ausweichmanövers wegen eines entgegenkommenden PKWs mit dem rechten Fuß gegen ein vorstehendes Bewehrungseisen. Sie zog sich dabei erhebliche Verletzungen am Fuß zu.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 62.400 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Schäden aus dem Vorfall vom 13.8.1993. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe die beklagte Partei, die ein außergewöhnliches Maß an Sorglosigkeit an den Tag gelegt habe. Entgegen der sie treffenden Verkehrssicherungspflicht habe sie eine Absicherung der von ihr geschaffenen Gefahrenstelle nicht vorgenommen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, ein allfälliger Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht trete gegenüber dem Eigenverschulden der Klägerin völlig in den Hintergrund.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten der beklagten Partei durch Zuspruch des Betrages von S 41.600 und die Feststellung, die beklagte Partei hafte der klagenden Partei bis zum Ausmaß von 2/3 aller zukünftigen Schäden, die aus dem Vorfall vom 13.8.1993 resultierten, teilweise statt. Die beklagte Partei hätte nach dem Ingerenzprinzip die Pflicht gehabt, beispielsweise Fußgänger vor den mit wegragenden Eisenstücken verbundenen Gefahren durch geeignete zumutbare Maßnahmen zu warnen. Andererseits sei es aber auch der Klägerin möglich gewesen, diesen Gefahren bei gehöriger Aufmerksamkeit unfallsverhütend auszuweichen.

Beide Parteien erhoben gegen dieses Urteil Berufung mit dem Antrag, es im Sinne der gänzlichen Stattgebung (Klägerin) bzw Abweisung (beklagte Partei) des Klagebegehrens abzuändern.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das erstgerichtliche Urteil in der Sache und sprach ua aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei, weil hinsichtlich beider Berufungen der Entscheidungsgegenstand S 50.000 nicht übersteige.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene, als außerordentliche bezeichnete und ausgeführte Revision der beklagten Partei ist zwar entgegen der Auffassung und dem weder die Gerichte noch die Parteien bindenden belehrenden Ausspruch (1 Ob 596/93 ua) der Vorinstanz nicht gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil infolge Anfechtung beider Parteien das gesamte Klagebegehren (S 62.400 und Feststellung) den Entscheidungsgegenstand des Berufungsurteils bildete. Sie ist aber mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Gericht zweiter Instanz hat die Rechtsprechungsgrundsätze für die Haftung der beklagten Partei wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten zutreffend dargestellt und auf den vorliegenden Sachverhalt in jedenfalls vertretbarer Weise mit dem Ergebnis angewandt, daß die beklagte Partei eine Verletzung dieser Pflichten durch erkennbar gefährliche Lagerung der die Verletzungen der Klägerin bewirkenden Eisenstäbe außerhalb der Baustellenabsperrung neben dem K*****weg zu vertreten hat. Es hat auch mit dem zutreffenden Hinweis auf den Grundsatz, daß Fußgänger sichtbaren Hindernissen oder Gefahrenquellen auszuweichen haben (ZVR 1984/122; EvBl 1994/8 ua), ein Mitverschulden der Klägerin an ihrem Schaden angenommen und dieses dem konkreten Einzelfall entsprechend ohne ersichtliche Fehlbeurteilung mit einem Drittel ausgemessen. Die Verschuldensteilung im Einzelfall stellt nach ständiger Rechtsprechung keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar.

Die unzulässige Revision der beklagten Partei ist daher zurückzuweisen, ohne daß es noch einer Berichtigung des Berufungsurteils durch den Nachtrag eines Zulässigkeitsausspruches im Sinn des § 500 Abs 2 Z 3 ZPO bedürfte, weil die Revision ohnedies als außerordentliche Revision ausgeführt wurde.

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