OGH 11Os38/15w

OGH11Os38/15w2.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Davit Mo***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2, Z 3, 130 vierter Fall, 15 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ruzvelt M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 22. Jänner 2015, GZ 18 Hv 55/14t‑74, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00038.15W.0602.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aller Angeklagter aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten M***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Strafaussprüche der Angeklagten Davit Mo***** und Sasha G***** enthält, wurde Ruzvelt M***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2, Z 3, 130 vierter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 6. Juli und 8. August 2014 in L***** und andernorts ‑ zusammengefasst ‑ in acht im Urteilsspruch wiedergegebenen Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig dazu beigetragen, dass Davit Mo***** und Sasha G***** mit ebensolcher Intention Gewahrsamsträgern der Ö***** mehr als 3.000 Euro Bargeld durch Einbruch in Fahrscheinautomaten weggenommen und wegzunehmen versucht haben, indem er sie mit seinem PKW zu und von den Tatorten chauffierte und dort jeweils Aufpasserdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Mängelrüge unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0116504, RS0119370) ebenso wie die Bezugnahme nur auf entscheidende Tatsachen, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS‑Justiz RS0106268).

Das Erstgericht hat sich ‑ den Beschwerdeausführungen zuwider ‑ mit den Aussagen der Angeklagten Mo***** und G***** ebenso auseinandergesetzt wie mit der Verantwortung des Nichtigkeitswerbers und ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen es deren Behauptungen, M***** hätte erst zu den (von der Polizei bereits observierten) Taten am 7. und 8. August 2014 beigetragen, nicht folgte. Auf die Behauptung, dass aus den vorliegenden Umständen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten und jene des angefochtenen Urteils nicht zwingend wären, kann eine Mängelrüge erfolgversprechend nicht gestützt werden (RIS‑Justiz RS0099455).

Insgesamt stellen die Argumente, der Angeklagte hätte die Beitragshandlungen zwischen 6. Juli und 2. August 2014 stets „vehement bestritten“, es sei fraglich, wann und wo die Angeklagten einander kennengelernt hätten, wobei diesbezüglich ein „krasser Widerspruch zur Anklageschrift“ bestünde, sowie die Kritik an den Überlegungen des Erstgerichts, aus welchen Gründen die von den Mitangeklagten behaupteten Fahrten zu den Tatorten mit einem Taxi der Lebenserfahrung widerstreite, bloß den Versuch dar, die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu bekämpfen.

Der Zweifelsgrundsatz kann niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).

Der gleichermaßen formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt ‑ wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583). Der mit der „vehement“ bestreitenden Verantwortung des Beschwerdeführers, den Aussagen der Mitangeklagten und Überlegungen zu den Zu‑ und Abfahrtsmöglichkeiten zu den Tatorten argumentierenden Tatsachenrüge gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im obigen Sinn zu erwecken.

Aus Anlass der bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisenden (§ 285d Abs 1 StPO) Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch der zum Nachteil dieses Angeklagten sowie der Angeklagten Mo***** und G*****, die selbst kein Rechtsmittel erhoben haben, wirkende Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0114232, RS0114318) wahrzunehmen.

Das Erstgericht hat bei der Ablehnung gänzlicher oder teilweiser bedingter Strafnachsicht allein das „Nichtvorliegen von umfassenden und reumütigen Geständnissen“ in Anschlag gebracht (US 9). Dies stellt eine unrichtige Gesetzesanwendung dar (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO; RIS‑Justiz RS0090897).

Daher wird das Landesgericht (vgl § 43 Abs 2 StPO; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 23) die Strafen neu zu bemessen haben (14 Os 49, 50/01, 12 Os 96/14f, 12 Os 38/14a; Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 4). Demgemäß war das angefochtene Urteil aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***** in den Strafaussprüchen aller Angeklagter aufzuheben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt zu verweisen.

Mit seiner Berufung war M***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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