OGH 12Os38/14a

OGH12Os38/14a8.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 idF BGBl I 2009/40, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 11. Februar 2014, GZ 37 Hv 132/13p‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 idF BGBl I 2009/40 schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. April 2013 in E***** eine wehrlose Person, nämlich die tief schlafende und mittelschwer alkoholisierte Sandra S*****, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, nämlich den Beischlaf vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Dieser kommt - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt - teilweise Berechtigung zu.

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 4), der Angeklagte sei bei der am 11. Juli 2013 erfolgten kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Sandra S***** (ON 11) noch nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe ‑ mangels hinreichender Belehrung durch das Gericht (vgl ON 1 S 3) ‑ weder um den Wert eines Rechtsbeistands noch über sein Recht, die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen, gewusst, versagt bereits mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung (ON 25 S 43 f), den Ersatz der unmittelbaren Beweisaufnahme durch Vorführung der bei der kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben hintanzuhalten oder die Zeugin zu den nunmehr vorgebrachten Umständen ergänzend zu befragen (RIS‑Justiz RS0125706 [T3]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 233). Dass der in der Hauptverhandlung anwaltlich vertretene Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung zur ergänzenden Befragung der Zeugin im nunmehr dargelegten Sinne gehindert war (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 480), wird nicht behauptet.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) legt nicht dar, weshalb die Angaben des Zeugen Daniel St*****, (auch) er selbst und seine Ehefrau hätten im Wohnzimmer (tief) geschlafen (ON 25 S 32 f und 38), in erörterungspflichtigem Widerspruch zu den übrigen Beweisen stünden, zumal der Beschwerdeführer die ‑ trotz Aufenthalts Dritter im selben Zimmer erfolgte ‑ Vornahme geschlechtlicher Handlungen nicht bestritten hat (ON 25 S 7 bis 10). Soweit der Angeklagte unter Hinweis auf die Anwesenheit weiterer Personen und gestützt auf die „allgemeine Lebenserfahrung“ (insoweit unter Berufung auf Z 5 vierter Fall) eigenständige Beweiserwägungen anstellt und diese den von den Tatrichtern aus den Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen abgeleiteten Schlussfolgerungen (US 4 bis 10) gegenüberstellt, bekämpft er bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Zutreffend zeigt hingegen die Sanktionsrüge auf, dass die Wertung der bis zuletzt mangelnden Schuldeinsicht des Angeklagten als eine für die Strafzumessung (mit‑)entscheidende Tatsache (US 11 vorletzter Absatz) eine unrichtige Gesetzesanwendung (Z 11 zweiter Fall) darstellt (RIS‑Justiz RS0090897), die zur Aufhebung des Strafausspruchs zwingt.

Das Landesgericht Wiener Neustadt (Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 23; Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 4, 5) wird die Strafe daher neu zu bemessen haben (12 Os 165/10x mwN).

Der weiters zutreffend aufgezeigte unvertretbare Gesetzesverstoß (Z 11 dritter Fall) durch Ablehnung der Gewährung bedingter Nachsicht eines Teils der Strafe allein wegen der gänzlichen Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers, ein Fehlverhalten gesetzt zu haben (US 11 f), kann somit dahingestellt bleiben.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückzuweisen (§ 285d StPO) und dieser mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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