OGH 9Ob29/15b

OGH9Ob29/15b28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei S***** A*****, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** A*****, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2015, GZ 43 R 60/15i‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00029.15B.0528.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann ‑ abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz ‑ in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS‑Justiz RS0119414, RS0057325 [T5]). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen, wann die unheilbare Zerrüttung der Ehe eintrat und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, sind irreversible Fragen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0119414 [T2]). Eine krasse Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die hier das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe beim Beklagten sahen, liegt nicht vor.

2. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die Verweigerung, weitere Kinder bekommen zu wollen, unter den Voraussetzungen des § 49 EheG eine scheidungsrelevante Eheverfehlung bilden könnte (Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 49 EheG Rz 10/1 mwN auch gegenteiliger Ansichten), ist für den Beklagten nichts gewonnen, weil triftige Gründe wie etwa gesundheitliche Risiken für das Kind den Scheidungsgrund ausschließen können (Hopf/Kathrein, aaO; vgl auch RIS‑Justiz RS0056572).

Nach den Feststellungen wollte die Klägerin nicht riskieren, dass sie ein weiteres schwer krankes Kind zur Welt bringt (wobei die Wahrscheinlichkeit, dass auch ein weiteres Kind an derselben Erkrankung leidet, bei 50 % liegt). Wenn die Vorinstanzen ihre Weigerung, ein zweites Kind bekommen zu wollen, schon deshalb nicht als schwere Eheverfehlung ansahen, so ist dies nicht weiter korrekturbedürftig. Auf den Umstand, dass die Klägerin entgegen dem Willen des Beklagten eine Ausbildung zur Pflegehelferin machen wollte, kommt es in diesem Zusammenhang danach nicht weiter an.

3. Das Verlassen der Ehewohnung kann trotz der grundsätzlich bestehenden Pflicht zum gemeinsamen Wohnen (7 Ob 81/13g) dann gerechtfertigt sein, wenn es eine entschuldbare Reaktionshandlung auf schwerwiegende Eheverfehlungen des Partners darstellt (s RIS‑Justiz RS0109128 [T2]). Es ist Sache des die gemeinsame Ehewohnung verlassenden Teils, jene Tatschen zu behaupten und zu beweisen, aus denen er die Unzumutbarkeit eines Verbleibs in der gemeinsamen Wohnung oder die Rückkehr darin ableiten will (7 Ob 81/13g mwN).

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen, wenn sie die auf mehreren Themen beruhenden Streitigkeiten der Parteien (Nachwuchs, Ausbildung, Beschimpfungen, Unter‑Druck‑Setzen der Klägerin durch den Beklagten und seine Verwandten) als ausreichende Rechtfertigung dafür ansahen, dass die Klägerin unter Zuhilfenahme der Polizei mit dem Kind das Frauenhaus aufsuchte. Eine Veranlassung des Polizeieinsatzes durch falsche Behauptungen der Klägerin geht aus dem Sachverhalt nicht hervor.

4. Ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel ‑ den der Beklagte hier in der Nichtbeiziehung des Obsorgesakts sieht ‑ ist der Revision entzogen (RIS‑Justiz RS0042963). Auf das Revisionsvorbringen des Beklagten zur Obsorgeentscheidung ist daher nicht einzugehen.

5. Da die außerordentliche Revision des Beklagten damit insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

Stichworte