OGH 6Ob78/15m

OGH6Ob78/15m27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** P*****, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günter Egger und Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, sowie 2. A***** AG, *****, vertreten durch Tramposch & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 16.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2014, GZ 1 R 288/14f‑48, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 25. Juni 2014, GZ 4 C 120/13d‑36, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00078.15M.0527.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.308,17 EUR (darin 218,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

1. Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0113643). Dasselbe gilt für die Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0043163). Ob das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten ‑ wie von der Beklagten in erster Instanz beantragt ‑ zu ergänzen gewesen wäre, ist daher ebenso eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0043163 [T8]).

2.1. Welche Sicherungsmaßnahmen zumutbar und erforderlich sind, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab; derartige Einzelfallentscheidungen sind vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Begriffs der Unzumutbarkeit, korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0078150 [T1]). Von einer erheblichen Fehlbeurteilung abgesehen liegt daher keine Frage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Berufungsgericht die Rechtsprechung zu Inhalt und Umfang von Verkehrssicherungspflichten, insbesondere zu deren Beschränkung bei Erkennbarkeit der Gefahr beachtet hat (RIS‑Justiz RS0111380 [T1], RS0110202 [T28]).

2.2. Von einer derartigen Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Im konkreten Fall war dem Kläger zwar erkennbar, dass der Boden des WC feucht war bzw, dass dort vereinzelt Wassertropfen vorhanden waren. Dies allein führt jedoch für sich genommen nicht zwingend zur Erkennbarkeit des Umstands, dass mit dem Betreten des Bodens eine besondere Rutschgefahr verbunden ist. Der Unfall ereignete sich nach den Feststellungen ja deshalb, weil die verlegten Fliesen keine entsprechende Rutschfestigkeit aufwiesen. Damit liegt in der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger im konkreten Fall nicht mit der Gefahr eines Sturzes zu rechnen brauchte, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

2.3. Krankheitserscheinungen, die durch einen Unfall nur deshalb ausgelöst wurden, weil die Anlage zur Krankheit bei dem Verletzten bereits vorhanden war, sind im Sinne der Adäquanz in vollem Umfang Unfallsfolge, sofern die krankhafte Anlage nicht auch ohne die Verletzung in absehbarer Zeit den gleichen gesundheitlichen Schaden herbeigeführt hätte (1 Ob 81/00v = RIS‑Justiz RS0022746 [T7]). Das Risiko einer für den Schaden mitursächlichen Anlage des Geschädigten hat ‑ mit der Grenze der Adäquanz ‑ der schuldhaft und kausal handelnde Schädiger zu tragen (RIS‑Justiz RS0022746 [T9] = 4 Ob 204/13y). Aus diesem Grund bleibt der Schädiger grundsätzlich für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich, wenn zwei Umstände nur zusammen, beispielsweise eine unmittelbar durch den Unfall herbeigeführte Verletzung zusammen mit einer besonderen Veranlagung des Verletzten, die schwere des Verletzungserfolgs bedingen (RIS‑Justiz RS0022684).

2.4. Die gegenteilige Entscheidung 4 Ob 75/08w ist demgegenüber vereinzelt geblieben und zudem durch die nachfolgende Rechtsprechung (4 Ob 204/13y; 2 Ob 48/14v) überholt. Aus einer einzelnen Entscheidung, der neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegensteht, kann aber eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0042668 [T5]).

3. Zusammenfassend bringt die Beklagte daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

Stichworte