OGH 15Os163/14f

OGH15Os163/14f29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt N***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3; § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Kurt N***** und Elena N***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 23. September 2014, GZ 603 Hv 10/14g‑91, sowie über die Beschwerden dieser Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 27. November 2014, GZ 603 Hv 10/14g‑101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00163.14F.0429.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Kurt N***** und Elena N***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Kurt N***** und Elena N***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 „Abs 2 und 3“ (richtig: Abs 3; vgl Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 1 und 61); § 15 StGB (III./) sowie der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach „§ 289 Abs 1 StGB“ (richtig: § 298 Abs 1 StGB; I./1. und I./2./), der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (II./1./ und II./2./) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach haben

I./ zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht, und zwar

1./ Kurt N***** am 3. August 2012 in *****, indem er bei der Polizeiinspektion G***** im Zuge seiner Vernehmung wegen eines tatsächlich nicht stattgefundenen Einbruchsdiebstahls in den Gastronomiebetrieb seiner Gattin in W***** angab, es sei von unbekannten Tätern dort eingebrochen worden;

2./ Elena N***** am 11. Juni 2013 in W*****, indem sie vor den einschreitenden und vor Ort erhebenden Polizeibeamten sowie im Zuge ihrer Vernehmung wahrheitswidrig angab, von zwei unbekannten Tätern überfallen und ausgeraubt worden zu sein;

II./ bei ihren förmlichen Vernehmungen zur Sache als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt und zwar

1./ Kurt N***** am 3. August 2012 in *****, indem er wahrheitswidrig angab, unbekannte Täter hätten in der Nacht zum 30. Juli 2012 in das Gasthaus R***** eingebrochen;

2./ Elena N***** am 11. Juni 2013 in G*****, indem sie wahrheitswidrig angab, an diesem Tag von zwei mit Vollvisierhelmen maskierten Tätern beraubt worden zu sein;

III./ Kurt N***** und Elena N***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in W***** und Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Mitarbeiter der A***** AG durch Täuschung über Tatsachen zu nachstehenden Handlungen, die diese (die Versicherung) am Vermögen schädigten und schädigen sollten, und zwar

1./ im Sommer 2012 zur Auszahlung von 34.330 Euro verleitet, indem sie in einer Schadensmeldung in Übereinstimmung mit den falschen Aussagen des Kurt N***** vor der Polizei wahrheitswidrig angaben, es hätte vom 29. auf den 30. Juli 2012 in das von ihnen unter der D***** KG betriebene Gasthaus in W***** ein Einbruchsdiebstahl stattgefunden, wobei Gegenstände im Wert von rund 69.000 Euro gestohlen worden wären, woraufhin die Versicherung 34.330 Euro ausbezahlte;

2./ am 12. Juni 2013 zur Auszahlung von „zumindest ca 55.000 Euro“ zu verleiten versucht, indem sie in der Schadensmeldung vom wahrheitswidrig angaben, Elena N***** sei am 11. Juni 2013 im Gasthaus in W***** beraubt worden, wobei die Täter unter anderem 35.121,11 Euro Bargeld und Zigaretten im Wert von rund 20.000 Euro von der D***** KG als Versicherungsnehmerin erbeutet hätten;

IV./ Kurt N***** als faktischer Geschäftsführer und Elena N***** als Komplementärin und Verantwortliche der D***** KG in der Zeit von Juni 2013 bis August 2014 in ***** Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in Höhe von 11.338,14 Euro vorenthalten, indem sie die von den Bezügen einbehaltenen Dienstnehmeranteile für andere Zahlungen verwendeten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich inhaltsgleiche, auf Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Kurt N***** und Elena N*****.

Mit Beschluss des Vorsitzenden vom 27. November 2014 (ON 101) wurden das Hauptverhandlungsprotokoll vom 23. September 2014 (ON 90) und die Urteilsausfertigung (ON 91) dahin „berichtigt“, dass die (zu I./1./ und I./2./ jeweils) als begründet angeführte Straftat (Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung) richtig „nach § 298 Abs 1 StGB“ (anstatt „nach § 289 Abs 1 StGB“) zu lauten habe. Gegen diesen Beschluss richten sich (rechtzeitige) Beschwerden der beiden Nichtigkeitswerber.

In der Hauptverhandlung vom 23. September 2014 wurde ausschließlich vom Verteidiger des Angeklagten Kurt N***** unter Verweis auf einen ‑ auch in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht näher bezeichneten ‑ Schriftsatz der Antrag auf Vernehmung von Katja H*****, Patrick E*****, Charlotte S*****, Gertraud G*****, Jamila Z***** und Adela Sc***** als Zeugen gestellt. Den Verfahrensrügen (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung dieses Begehrens Verteidigungsrechte der beiden Nichtigkeitswerber nicht verletzt.

Elena N***** hat die gegenständlichen Beweisanträge nämlich weder selbst gestellt, noch ist sie den Anträgen ihres Ehemanns in der Hauptverhandlung durch Erklärung beigetreten, weshalb ihre Rüge von vornherein ins Leere geht (vgl RIS‑Justiz RS0099244).

Die Vernehmung von Katja H***** und Patrick E***** wurde zum Beweis dafür beantragt, dass Kurt N***** zum „fraglichen Zeitpunkt, nämlich 2013, entgegen den geäußerten Wahrnehmungen hier im Prozess mit seinem Sohn häufig alleine am Nachmittag unterwegs war“. Weshalb dieser Umstand mit Blick auf entscheidende Tatsachen und die ohnehin als erwiesen angenommene Abwesenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des nach dem Anklagevorwurf bloß vorgetäuschten „Raubüberfalls“ am 11. Juni 2013 (US 15 ff, 27, 37 ff) erheblich sein sollte, wird nicht klar, zumal selbst die Üblichkeit von nachmittäglichen Freizeitaktivitäten mit dem Sohn keinen Aufschluss über den konkreten inneren Anlass zur Abwesenheit gerade an jenem Tag geben könnte (RIS‑Justiz RS0099135, RS0124908; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 f, 342).

Das durch die Vernehmung von Charlotte S***** und Gertraud G***** verfolgte Beweisthema, dass „regelmäßig größere Geldbeträge ohne Vorankündigung im Postpartnershop“ behoben werden konnten, sah der Schöffensenat ebenso als erwiesen an wie die von Jamila Z***** zu bezeugende Tatsache, dass Kunden des Postpartners Gehälter von „Postkonten“ abheben konnten (US 37 f). Weshalb diese Umstände Relevanz für das konkrete Tatgeschehen zu einzelnen Schuldspruchfakten haben sollten, ließ der Antrag nicht erkennen. Im Übrigen gingen die Tatrichter unter Hinweis auf ein konkretes Beispiel nur davon aus, dass der Beschwerdeführer fallweise Mühe hatte, dem Postpartnerbetrieb der Ehegatten N***** angewiesene Pensionsauszahlungen zu leisten, weil er seine privat herandrängenden Gläubiger befriedigen musste (US 14, 21).

Die ‑ zum Beweis der Glaubwürdigkeit von Angaben der Elena N***** ‑ hinsichtlich Adele Sc***** angesprochenen Beweisthemen, die Erstgenannte hätte nach dem „Überfall“ ihre Wohnung selbst ausgemalt und den Gastgarten geputzt (wovon die Tatrichter ohnehin ausgingen; US 32), „psychische Hilfe“ der beantragten Zeugin in Anspruch genommen und begonnen, Geld zu verstecken, lassen nicht erkennen, inwiefern die unter Beweis zu stellenden Umstände mit Blick auf die dem Schöffengericht im Antragszeitpunkt vorliegenden Beweisergebnisse (vgl US 20‑35) geeignet gewesen wären, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen zum Tatgeschehen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (vgl US 38 f; RIS‑Justiz RS0116987, RS0107445). Der Beschwerdeführer legte bei der Antragstellung auch nicht dar, weshalb die Zeugin in der Lage gewesen wäre, eine bloß vorgetäuschte von einer (als Folge eines stattgehabten Raubüberfalls) tatsächlichen seelischen Beeinträchtigung zu unterscheiden. In Ansehung der Ursache von menschlichem Verhalten gebildete subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen oder ähnliche intellektuelle Vorgänge sind jedenfalls nicht Gegenstand eines gerichtlichen Zeugnisses (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097573, RS0097545).

Das in der Nichtigkeitsbeschwerde als Versuch weiterer Antragsfundierung nachgetragene Vorbringen ist prozessual verspätet (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325).

Entgegen dem Einwand der Mängelrügen (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter (zu I./1./, II./1./ und III./1./) die Angaben der in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Christian Hi*****, Karin Ni***** und Bernd P*****, wonach sie bei ihren Erhebungen anlässlich der im Jahr 2012 eingegangenen Anzeige wegen Einbruchsdiebstahls zusammengefasst keinen Verdacht in Richtung eines allfälligen Versicherungsbetrugs geschöpft hatten, nicht mit Stillschweigen übergangen, maßen diesem Umstand jedoch im Hinblick auf eine Gesamtschau sämtlicher (nach der Anzeige eines Raubüberfalls im Jahr 2013 erhobener) Indizien keinen die Beschwerdeführer entlastenden Beweiswert bei (US 28).

Der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen ist nur dann mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall), wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen in den Entscheidungsgründen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS‑Justiz RS0119089). Einen solchen (behaupteten) Urteilsmangel sprechen die Mängelrügen gerade nicht an, indem sie kritisieren, (ausschließlich) die Subsumtion sei durch die Anführung einerseits des Vergehens der „Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung“ und andererseits der Bestimmung des „§ 289 Abs 1 StGB“ im verkündeten Erkenntnis widersprüchlich.

Unabhängig von den Fragen, ob schon bei der Beschlussfassung des Schöffengerichts und der Verkündung des Urteils im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 1, 4, 27 ff) neben dem Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung eine ziffernmäßige Fehlbezeichnung durch „§ 289 Abs 1 StGB“ erfolgte (wofür die Aktenlage spricht; vgl den Amtsvermerk ON 89, das Beratungsprotokoll zu ON 90 und den gleichlautenden Zahlensturz schon in der Anklageschrift ON 59 S 3), und ob daher die schriftliche Urteilsausfertigung und das Protokoll über die Hauptverhandlung in diesem Punkt einer „Berichtigung“ (§§ 270 Abs 3, 271 Abs 7 StPO) zugänglich waren - geht im gegenständlichen Fall auch klar hervor, dass die Beschwerdeführer des - dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 1, 6 ff) entsprechenden - Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Sinn des (richtig) § 298 Abs 1 StGB und gerade nicht des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde im Sinn des § 289 StGB schuldig erkannt wurden (vgl US 2, 12 f, 17, 39). Die bloß (infolge eines Zahlensturzes) ziffernmäßig falsche Benennung der als begründet erachteten strafbaren Handlung kann vom Obersten Gerichtshof klargestellt werden, weil zweifelsfrei erkennbar ist, welche strafbare Handlung nach Meinung des Erstgerichts durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet werden sollte (vgl RIS‑Justiz RS0116669; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 32; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 623 ff).

In diesem Sinn gehen auch die Subsumtionsrügen (Z 10) am erstgerichtlichen Schuldspruch vorbei, indem sie unter der (falschen) Prämisse einer Verurteilung wegen des zuletzt genannten Vergehens „nach § 289 Abs 1 StGB“ (der bezeichnete Paragraph enthält im Übrigen keine Untergliederung in Absätze) kritisieren, die in Richtung Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung getroffenen Feststellungen vermögen einen Schuldspruch wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nicht zu tragen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ in Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den dazu erstatteten Äußerungen der Verteidigung ‑ bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Damit sind auch die von beiden Nichtigkeitswerbern erhobenen Beschwerden (ON 105 und 106) gegen den bereits erwähnten Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 27. November 2014 auf „Berichtigung“ des Hauptverhandlungsprotokolls und der Urteilsausfertigung (ON 101) erledigt, ohne dass sie einer inhaltlichen Erwiderung bedürfen (RIS‑Justiz RS0126057).

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