OGH 11Os32/15p

OGH11Os32/15p28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Paul M***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. November 2014, GZ 35 Hv 71/14m‑56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00032.15P.0428.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul M***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB eingewiesen.

Danach hat er im Zeitraum von 19. Oktober 2012 bis 29. Oktober 2013 in Wien außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an dem am 17. April 2005 geborenen Pascal P*****, vorgenommen, indem er diesen am entblößten Gesäß anfasste sowie Auf- und Abbewegungen am Penis des Genannten durchführte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Das Schöffengericht stützte seine den Schuldspruch tragenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen - frei von Verstößen gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte (Z 5 vierter Fall) ‑ (unter Verwerfung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten) auf die Aussage des Zeugen Pascal P*****. Deren Glaubhaftigkeit bejahte es - unter Berücksichtigung darauf bezogener Bekundungen der Zeugin Claudia P*****, ihrem Sohn „zuerst auch nicht geglaubt“ zu haben (US 7 f) ‑ aufgrund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen aus dem Fach der Psychologie und legte dar, weshalb es trotz der ‑ vom Experten allerdings attestierten ‑ Einschränkungen der Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit des tatbetroffenen Zeugen von der Verlässlichkeit dessen Schilderung in ihrem Kernbereich ausging (US 7 bis 9).

Dem ‑ gegen die Überzeugungskraft der Angaben des Pascal P***** gerichteten, teils nominell verfehlt aus Z 5a erhobenen ‑ Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider ist eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit allen Einzelheiten dieser Aussagen unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (dazu im gegebenen Zusammenhang Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 432; RIS‑Justiz RS0119422 [T4]) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (RIS‑Justiz RS0119422, RS0098377 [T1, T7 bis T9, T12, T13, T15, T17, T20, T22 und T24]).

Mit dem Einwand, aus den genannten Verfahrensergebnissen seien auch für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitbar als die vom Erstgericht gezogenen, wird Nichtigkeit aus Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO ebensowenig dargetan (RIS‑Justiz RS0099455) wie durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (RIS‑Justiz RS0098534, RS0098483, RS0117445, RS0117561, RS0102162).

Indem er ‑ anhand isoliert hervorgehobener Details der Aussagen des Sachverständigen sowie der Zeugen Pascal P***** und Claudia P***** ‑ eigenständige Spekulationen über die Möglichkeit und die (eventuellen) Gründe einer Falschbezichtigung durch das Opfer entwickelt („spricht […] nicht dafür“; „nicht auszuschließen“), bekämpft der Nichtigkeitswerber vielmehr ‑ diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit (Z 5a; siehe dazu RIS‑Justiz RS0118780, RS0119583) ‑ nur in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung.

Nominell aus Z 5, 5a und 11 behauptet der Beschwerdeführer ferner Begründungsmängel des erstgerichtlichen Ausspruchs über den Grad der Wahrscheinlichkeit neuerlicher Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen (US 6) und erhebliche Bedenken gegen dessen Richtigkeit. Damit zielt er ‑ ohne eine Überschreitung von Strafbefugnisgrenzen (Z 11 erster Fall iVm Z 5, 5a) oder eine Verkennung der gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose (Z 11 zweiter Fall) aufzuzeigen ‑ bloß auf den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 2 StGB, der jedoch ausschließlich mit Berufung angegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0118581; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 21‑25 Rz 8 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 717).

Die weitere Beschwerdekritik (nominell Z 5 und 11), Feststellungen für die Entscheidung über die bedingte Nachsicht des Maßnahmenvollzugs bedeutsamer Umstände seien teils unbegründet geblieben, teils trotz darauf hinweisender Verfahrensergebnisse nicht getroffen worden, verliert sich abermals in bloßer Berufungsargumentation. Die Versagung bedingter Nachsicht (auch des Maßnahmenvollzugs) kann nämlich mit Nichtigkeitsbeschwerde nur aus Z 11 dritter Fall bekämpft werden (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 77 f), was die Nichtigkeitsrelevanz behaupteter Fehler in der Sachverhaltsermittlung der dafür maßgeblichen Tatsachen ausschließt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 680). Ein unvertretbarer Verstoß gegen Strafbemessungsvorschriften (Z 11 dritter Fall) ist aber vorliegend schon deshalb nicht auszumachen, weil § 45 Abs 1 zweiter Satz StGB eine bedingte Nachsicht der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB nur zugleich mit einer (hier ohnedies nicht gewährten) bedingten Nachsicht auch der Strafe zulässt (RIS‑Justiz RS0119998).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung erfolgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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