European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00075.15P.0428.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 919,54 EUR (darin enthalten 114,26 EUR USt und 234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft in Wien. Der Geschäftsführer der Antragstellerin wurde im April 2010 auf ein Geschäftslokal, in dem zuvor ein Teppichverkauf betrieben worden war, aufmerksam und bat um einen Termin beim Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Antragsgegnervertreter). Zwecks Besichtigung erhielt er Schlüssel zum Objekt, die er in weiterer Folge nicht mehr zurückgeben musste. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Geschäftslokal im April 2010 für den Betrieb eines Geschäfts unbrauchbar war. Die Parteien führten zu mehreren Terminen Vertragsverhandlungen. Es war der Wunsch der Vermieterin, das Bestandobjekt in einem guten Zustand zu übergeben und dafür einen entsprechenden angemessenen Mietzins zu erhalten. Die Parteien einigten sich darüber, dass bestimmte Arbeiten von der Vermieterin durchgeführt werden sollten, andere hingegen von der Antragstellerin. Diese beauftragte einen Baumeister mit der Schätzung der Kosten.
Am 20. 5. 2010 schlossen die Antragstellerin als Mieterin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin als Vermieterin einen Mietvertrag über Geschäfts‑ und Büroräumlichkeiten (top IX und XII). Vereinbart wurde ein monatlicher Gesamthauptmietzins von 13.900 EUR zuzüglich USt.
Nach Punkt 4.1. des Mietvertrags sollte das unbefristete Mietverhältnis am Ersten jenes Monats beginnen, der dem Monat der Fertigstellung der von der Vermieterin durchzuführenden Umbau‑ und Sanierungsarbeiten gemäß dem Sideletter vom 20. 5. 2010 und der Übergabe des Bestandgegenstands an die Mieterin folgte. Nach Punkt 7.1. befand sich der Mietgegenstand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in brauchbarem und ordnungsgemäßem Zustand. Die Vermieterin verpflichtete sich, den Mietgegenstand gemäß dem Sideletter auf eigene Kosten zu adaptieren, dies unter Berücksichtigung etwaiger spezifischer Wünsche der Mieterin.
Die von der Antragsgegnerin durchzuführenden Arbeiten bestanden in dem Abbruch der bestehenden Portal‑, Zwischendecken‑, Fußboden‑ und Stiegenkonstruktion, dem Einbau eines neuen Betonestrichbelags, der Lieferung und Montage von Türblättern, dem Abscheren der Wandfarben und Beläge, der Herstellung einer neuen Stiegenkonstruktion zwischen Erdgeschoss und Hochparterre, der Herstellung neuer Elektroinstallationen, dem Abbruch der bestehenden Heizanlage, dem Einbau einer neuen Heizung, dem Tausch der Sanitäranlagen und dem Einbau einer Klimaanlage. Die Antragstellerin beauftragte einen Architekten mit der Planung, aufgrund derer die Arbeiten durchgeführt wurden. Die Antragstellerin hatte ihrerseits Arbeiten im Zusammenhang mit der Geschäftsausstattung durchzuführen. Bestimmte Arbeiten konnten nur Zug/um/Zug oder gleichzeitig mit den von der Vermieterin vorzunehmenden Arbeiten durchgeführt werden.
Der Geschäftsführer der Antragstellerin erhielt am 15. 6. 2010 die restlichen Schlüssel. Die Hausverwaltung behielt sich mit seinem Einverständnis einen Schlüssel zum Geschäftslokal zurück, um diesen an die von der Vermieterin beauftragten oder zu beauftragenden Handwerker weiterzugeben. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hinterlegte einen Schlüssel im Sicherungskasten des Lokals, damit die von der Mieterin beauftragten Unternehmen Zutritt zum Lokal hatten.
Aufgrund verschiedener von der Mieterin gewünschten Planänderungen verzögerten sich die durchzuführenden Arbeiten. Da die Aufnahme der Mietzinszahlungen insbesondere von der Fertigstellung der von der Vermieterin zu erbringenden Arbeiten abhängig war und sich aufgrund der Planänderungen die Fertigstellung entsprechend verzögerte, verlor der Geschäftsführer der Vermieterin die Geduld und veranlasste, dass gegen die Antragstellerin eine Mietzins‑ und Räumungsklage eingebracht wurde, um Druck auf sie auszuüben. Aufgrund dieses Mietzins‑ und Räumungsverfahrens schlossen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin am 31. 3. 2011 einen außergerichtlichen Vergleich, in dem sich die Mieterin verpflichtete, für Februar bis April 2011 jeweils die Hälfte des Hauptmietzinses zuzüglich USt und die vollen Betriebskosten sowie ab Mai 2011 unabhängig vom Zeitpunkt der Geschäftseröffnung den vollen Mietzins zu zahlen. Als Übergabetag für das Bestandobjekt wurde der 29. 4. 2011 vereinbart.
Die Antragstellerin beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe des angemessenen Mietzinses. Der Sachverständige führte am 5. 3., 9. 3. und 28. 4. 2011 ohne Wissen der Vermieterin Befundaufnahmen im Bestandobjekt durch.
Tatsächlich fand der „Übergabetag“ am 2. 5. 2011 statt. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hatte den Baumeister beauftragt, den Text und das Formular des „Übergabeprotokolls“ vorzubereiten. Dieser nahm in das Protokoll die Arbeiten auf, welche die Antragsgegnerin nach der Vereinbarung im Mietvertrag zu erbringen hatte, sowie jene, die anders als vereinbart ausgeführt worden waren. Die Informationen zur Erstellung des Übernahmeprotokolls hatte er bei Besichtigungen eine Woche zuvor und am Vormittag des vereinbarten Übergabetermins erhalten.
Beim Übergabetermin wurden alle Räumlichkeiten besichtigt. Anhand des vorbereiteten Übergabeprotokolls wurden die einzelnen Positionen durchgegangen und danach überprüft, ob alle als erledigt angeführten Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden waren. Die zuständige Mitarbeiterin der Hausverwaltung übergab dem Geschäftsführer der Antragstellerin fünf das Haustor und die Sozial‑ und Büroräumlichkeiten im ersten Stock (top XII) sperrende Schlüssel, die er am 20. 4. 2011 schriftlich bei der Hausverwaltung bestellt hatte. Nach Begutachtung sämtlicher Arbeiten unterschrieben der Vertreter der Vermieterin und der Geschäftsführer der Mieterin das Übergabeprotokoll. Als dieses kopiert werden sollte, trat ein Anwalt als Vertreter der Antragstellerin vor und trug eine schriftlich vorbereitete Mietzinsrüge vor, in der er erklärte, dass der Mietzins im Sinne des § 16 Abs 1 MRG unangemessen überhöht sei und nicht dem nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs‑ und Erhaltungszustand angemessenen Betrag entspreche. Das Geschäftslokal sei kleiner als im Mietvertrag vereinbart. Die Antragstellerin werde von der Möglichkeit einer gerichtlichen Mietzinsreduzierung unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags Gebrauch machen, wenn die Vermieterin auf der Einhebung des rechtsunwirksam vereinbarten, unangemessen hohen Mietzinses beharre. Es sei maximal ein Betrag von 7.100 EUR netto gerechtfertigt. Der Vertreter der Vermieterin nahm die schriftliche Ausfertigung der Mietzinsrüge nicht entgegen und verließ aufgebracht das Lokal.
Thema dieses Außerstreitverfahrens, in dem die Antragstellerin die Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses begehrt, ist ausschließlich die Rechtzeitigkeit der Rüge des Mieters (§ 16 Abs 1 Z 1 MRG).
Das Erstgericht erachtete die Rüge als verspätet. Deren Zweck sei es, dem Vermieter zu signalisieren, dass von der Möglichkeit einer gerichtlichen Mietzinsreduzierung unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags Gebrauch gemacht werde, falls er auf der Einhebung des rechtsunwirksam vereinbarten Mietzinses beharre. Die Rüge müsse zwischen dem rechtswirksamen Abschluss des Vertrags und der Übergabe des Bestandobjekts erfolgen. Bei der Beurteilung, ob eine Übergabe vorliege, sei nicht primär auf die Rechtsprechung zur sachenrechtlichen Inbesitznahme, sondern auf jene zu § 1096 ABGB abzustellen. Es komme auf die Verschaffung der vereinbarten Gebrauchsmöglichkeit an. Da der Geschäftsführer der Antragstellerin bereits vor Mietvertragsabschluss Schlüssel zum Objekt erhalten habe, der Antragstellerin bekannt gewesen sei, wie sich das Bestandobjekt nach Abschluss der Arbeiten darstellen werde, und das Beweisverfahren nicht ergeben habe, dass die Brauchbarkeit des Bestandobjekts erst nach Abschluss der von der Vermieterin vorzunehmenden Arbeiten hergestellt worden sei, sei die faktische Inbesitznahme des Bestandobjekts durch die Antragstellerin bereits mit der am 15. 6. 2010 erfolgten Übergabe sämtlicher Schlüssel erfolgt. Gleichzeitig habe auch die Vermieterin durch Übergabe sämtlicher Schlüssel bei Einbehalten nur eines Schlüssels für die Handwerker ihren Besitz am Bestandobjekt aufgegeben. Es sei nicht ersichtlich, welcher weitere Akt zur „Übergabe“ des Bestandobjekts noch erforderlich gewesen wäre. Bei der „Übergabe“ am 2. 5. 2011 seien lediglich die von der Vermieterin zu erbringenden Leistungen abgenommen worden. Vereinbarungsgemäß habe dieser Akt den Stichtag für den Beginn der Mietzinszahlungen und des Mietverhältnisses bilden sollen. Die im Übrigen auch erst nach Unterfertigung des Übergabeprotokolls und somit nach Abschluss der Übergabe vorgetragene Mietzinsrüge sei daher verspätet, weshalb eine Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Mietzinses nicht mehr möglich sei.
Das Rekursgericht teilte diese Rechtsauffassung nicht und hob den angefochtenen Sachbeschluss zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Antragstellerin habe nicht bereits mit Ausfolgung der Schlüssel am 15. 6. 2010 die Sachherrschaft über das Objekt erlangt. Zunächst seien nur ein Schlüssel zum Lokal zwecks Besichtigung und erst am 2. 5. 2011 fünf Schlüssel für die Teil des Bestandobjekts bildende top XII ausgefolgt worden. Daraus lasse sich nicht ableiten, dass am 15. 6. 2010 überhaupt schon Schlüssel für das zuletzt genannte Objekt übergeben worden seien. Zudem habe die Hauseigentümerin, vertreten durch die Hausverwaltung und ihre Professionisten durch die Zurückbehaltung zumindest eines Schlüssels bis zuletzt ungehinderten Zugang zum Bestandobjekt gehabt und damit ihre Gewahrsame nicht aufgegeben. Die Übergabe des Bestandobjekts setze die Verschaffung von Alleinbesitz voraus, eine Mitgewahrsame, wie sie durch Ausfolgung von Schlüssel zu einer Baustelle, bei welcher sich die Professionisten die Klinke in die Hand gäben, eingeräumt werde, stelle keine Übergabe im Rechtssinn dar.
Im Fall vereinbarungsgemäß vom Vermieter zu leistender Umbauarbeiten sei es nicht gerechtfertigt, bereits vor Fertigstellung der Arbeiten und formeller Übergabe des Bestandobjekts, die laut Mietvertrag ausdrücklich vorgesehen gewesen sei und erst den Beginn des Mietverhältnisses hätte auslösen sollen, eine Rüge im Sinn des § 16 Abs 1 Z 1 MRG zu fordern. Eine Übergabe des Bestandobjekts sei anzunehmen, wenn der Mieter in die Lage versetzt werde, die Räumlichkeiten in Gebrauch zu nehmen. Ein Rücktrittsrecht gemäß den §§ 918 ff ABGB mit Wirkung ex tunc stehe auch bei Dauerschuldverhältnissen zu, wenn noch keine „Übergabe“ stattgefunden habe. So könne ein Mieter, der die Wohnung vor Schlüsselübergabe noch nicht besichtigen hätte können, jedoch sofort nach der erstmaligen Besichtigung erklärt habe, die Wohnung im vorgefundenen Zustand nicht zu übernehmen, zu Recht die Übernahme verweigern und damit das Übergabeangebot des Vermieters ablehnen. Habe der Vermieter vereinbarungsgemäß Umbauarbeiten durchzuführen, so müsse dem Mieter ebenfalls das Recht zugebilligt werden, die Übernahme zu verweigern, wenn das Bestandobjekt tatsächlich nicht in den vertragsgemäßen Zustand versetzt werde. Dementsprechend könne der Übernahmezeitpunkt nicht auf einen vor Fertigstellung der Arbeiten liegenden Zeitpunkt vorverlegt werden. Der Mieter müsse in die Lage versetzt werden, das Bestandobjekt in Augenschein zu nehmen und es auf die Übereinstimmung des geschuldeten mit dem tatsächlichen Zustand zu überprüfen. Solange die bedungenen Umbauarbeiten nicht durchgeführt worden seien, sei er in der Regel nicht in der Lage, die Räumlichkeiten in Gebrauch zu nehmen.
Im vorliegenden Fall sei ausdrücklich die Übergabe nach Fertigstellung der von der Vermieterin durchzuführenden Umbau‑ und Sanierungsmaßnahmen vereinbart worden, weshalb es auch dem Willen der vertragschließenden Teile entsprochen habe, die Übergabe erst nach Fertigstellung der Arbeiten als erfolgt anzusehen. Jedenfalls in einem solchen Fall müsse die anlässlich der vereinbarten Übergabe geltend gemachte Rüge der Überschreitung des zulässigen Mietzinses als rechtzeitig angesehen werden. Dafür, dass die Rüge nicht bereits vor Durchführung der von der Vermieterin zu erbringenden Umbaumaßnahmen zu erfolgen habe, spreche auch der Umstand, dass erst mit Übergabe und Übernahme des Bestandobjekts der Mieter eine rechtlich gesicherte Position erlange und jegliche Drucksituation weggefallen sei. Erst dann müsse der Mieter allfällige Retorsionsmaßnahmen des Vermieters aus Anlass der Berufung auf die Gesetzwidrigkeit der Mietzinsvereinbarung (Verweigerung der Übergabe des Mietobjekts, Drohung des Vermieters mit dem Rücktritt vom Vertrag) nicht mehr fürchten.
Die Rüge sei auch nicht deshalb als verspätet anzusehen, weil sie nach Unterfertigung des Übergabeprotokolls erfolgt sei. Abgesehen davon, dass das Übergabeprotokoll noch nicht übergeben worden und damit die Übergabe nicht abgeschlossen gewesen seien, könne § 16 Abs 1 Z 1 MRG nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes, nämlich der Verhinderung einer auf späterer Erkenntnis des Mieters beruhenden Überprüfungsmöglichkeit nur dahin verstanden werden, dass diese im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Übergabe zu erfolgen habe. Befänden sich die vertragschließenden Personen noch an Ort und Stelle im übergebenen Bestandobjekt, so müsse die Rüge, auch wenn das Übergabeprotokoll bereits unterschrieben worden sei, noch als rechtzeitig angesehen werden.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, wann die Rüge nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG bei vom Vermieter durchzuführenden Umbauarbeiten im Bestandobjekt und vereinbartem Übergabetermin nach deren Abschluss zu erfolgen habe.
Der ‑ beantwortete ‑ Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Mietzinsvereinbarungen sind insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet (§ 16 Abs 8 Satz 1 MRG). Ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, kann sich nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG auf diese Überschreitung nur berufen, wenn er sie unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstands, gerügt hat.
2. Die Rüge muss zwischen rechtswirksamem Abschluss des Vertrags und Übergabe des Bestandobjekts erfolgen (5 Ob 510/97d; 5 Ob 257/99a; 5 Ob 33/09b, 5 Ob 31/10k; T . Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 16 MRG Rz 26). Die Übergabe stellt somit den letzten möglichen Zeitpunkt einer rechtzeitigen Rüge dar (RIS‑Justiz RS0109327 [T3]; Pfiel , Die Rügeobliegenheit nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG [Teil II], immolex 1997, 303 f).
3. Der Zweck der Rügepflicht liegt darin, den Vermieter in Kenntnis zu setzen, dass der Mieter ein Mietzinsüberprüfungsverfahren unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags in Erwägung zieht (RIS‑Justiz RS0109327; Schinnagl in Illedits/Reich/Rohrwig , Wohnrecht 2 § 16 MRG Rz 9).
4. Zu 5 Ob 33/09b = immolex 2009, 341/124 [ Pfiel ] sah der Oberste Gerichtshof als letzten möglichen Zeitpunkt einer rechtzeitigen Rüge den Beginn der ‑ vereinbarungsgemäß in Auftrag, Verantwortung und Planung des Mieters erfolgten ‑ Umbauarbeiten an.
5. In der Entscheidung 5 Ob 228/06z = RIS‑Justiz RS0121464 = SZ 2006/165 führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die bedingungslos aufrechterhaltene Zustimmung zum geforderten Hauptmietzins auch noch bei der Übergabe des Mietobjekts der Rügeobliegenheit zuwiderlaufe. Bei einer Mietzinsvereinbarung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Nettoumsatzes der Mieterin seien die Parameter, an denen sich die Angemessenheit des Mietzinses orientiere, ohne jeden Zweifel schon im Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung erkennbar gewesen. Eine rechtzeitige Rüge (die erst nach Übergabe und Feststellung der tatsächlichen Umsatzentwicklung erfolgte) sei daher keinesfalls unmöglich gewesen. Der vorliegende Fall ist ähnlich gestaltet, was den Zeitpunkt der Kenntnis der antragstellenden Mieterin von den für die Hauptmietzinsbildung relevanten Faktoren betrifft.
6. Nach den Vereinbarungen im Mietvertrag hatte zwar die Vermieterin die Arbeiten zur Umgestaltung der Geschäftsräumlichkeiten vor dem festgelegten Beginn des Mietverhältnisses auf ihre Kosten durchzuführen. Umfang und Art dieser Arbeiten wurden jedoch durch die Wünsche und Vorstellungen der Mieterin bestimmt, die einen Architekten mit der Planung beauftragt hatte. Zudem hatte sie sich selbst zur Durchführung von Arbeiten verpflichtet, die mit den Umbaumaßnahmen der Vermieterin zu koordinieren waren. Diese wechselseitigen Umbaumaßnahmen waren Ausfluss der Vertragsverhandlungen und sollten dem Wunsch des Vermieters Rechnung tragen, durch seine aufwendigen Umbauarbeiten nach den Plänen und Vorstellungen des Mieters als Gegenleistung einen seiner Ansicht nach angemessenen Hauptmietzins zu erhalten. Noch vor Beendigung der Umbauarbeiten des Vermieters beauftragte die Antragstellerin einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe des angemessenen Mietzinses. Befundaufnahmen fanden am 5. 3., 9. 3. 2011 und zuletzt vier Tage vor dem offiziellen Übergabetermin am 2. 5. 2011 statt. Die Antragstellerin hatte daher zumindest bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen Zweifel an der Angemessenheit des vereinbarten Mietzinses. Der Ausstattungszustand des Bestandobjekts nach Beendigung der Arbeiten durch den Vermieter musste ihr schon zuvor aufgrund der eigenen Planung klar sein. Ungeachtet dessen verpflichtete sie sich am 31. 3. 2011 in einem außergerichtlichen Vergleich, für die Monate Februar bis April 2011 den jeweils halben Hauptmietzins zuzüglich USt und voller Betriebskosten sowie ab Mai 2011 unabhängig vom Zeitpunkt der Geschäftseröffnung den vollen vereinbarten Mietzins zu bezahlen.
7. Ob dieser Vergleich nach der für seine Auslegung maßgeblichen Parteienabsicht ein Anerkenntnis des vereinbarten Hauptmietzinses mit konstitutiver Wirkung beinhaltet, kann für die hier allein zu beurteilende Rechtzeitigkeit der Rüge dahingestellt bleiben. Ein Unternehmer, der Geschäftsräumlichkeiten mietet, ist ‑ anders als ein Konsument ‑ aufgrund der typischerweise unterstellten Gleichgewichtslage nicht schutzwürdiger als sein Vermieter (vgl Pfiel , immolex 1997, 303 ff). Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, einem Unternehmer das Risiko, dass sein Vermieter als Reaktion auf eine zuvor erfolgte Rüge die Übergabe des Bestandobjekts verweigert und die geplante Aufnahme der Geschäftstätigkeit sich daher nicht fristgerecht realisieren lässt, gänzlich zu nehmen, hätte er die Übergabe des Bestandobjekts nicht als spätest, sondern als frühest möglichen Zeitpunkt des Entstehens der Rügeobliegenheit festgesetzt. Die gewählte Zeitspanne zwischen Abschluss der Mietzinsvereinbarung und Übergabe des Bestandobjekts spricht gegen das Ergebnis, die Rügeobliegenheit in jedem Fall erst mit Einräumung der alleinigen Sachherrschaft des Mieters über das Bestandobjekt und Inkrafttreten des Dauerschuldverhältnisses durch Erfüllung der Verpflichtung des Vermieters zur Übergabe des Bestandobjekts im vereinbarten Zustand und Annahme durch den Mieter (vgl RIS‑Justiz RS0045803); Iro in KBB 4 § 1096 ABGB Rz 1 f; vgl Schinnagl aaO Rz 10; Würth in Rummel 3 § 1096 ABGB Rz 3) entstehen zu lassen. Entscheidend für die Auslösung der Rügeobliegenheit ist die Kenntnis des Mieters von den mietzinsbildenden Umständen, was sich auch darin zeigt, dass er nicht verpflichtet ist, einen durch eigene Nachforschungen wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelten angemessenen Hauptmietzins in seiner Rüge zu beziffern. Es reicht aus, wenn er auf die Diskrepanz zwischen vereinbartem und angemessenem Hauptmietzins hinweist und klarstellt, dass er sich die Überprüfung vorbehält (5 Ob 228/06z; 5 Ob 112/11v).
8. Kennt ein Mieter von Geschäftsräumlichkeiten noch vor Übergabe des Bestandobjekts und Beginn des Dauerschuldverhältnisses die für die Festlegung des Hauptmietzinses wesentlichen Faktoren und verpflichtet er sich trotz dieses Wissens in einem Vergleich zur Zahlung zunächst eines Teils, sodann nach Übergabe des vollen Hauptmietzinses, muss er die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs rügen.
9. Die verspätete Rüge der Antragstellerin schließt nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG die Geltendmachung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses aus, weshalb die den Überprüfungsantrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Entgegen dem von der Antragsgegnerin gewähtlen Ansatz nach § 10 Z 3 lit a sublit aa 2. Fall RATG (6.000 EUR) ist der Gegenstand nach § 10 Z 3 lit a sublit aa 1. Fall RATG mit 2.000 EUR zu bewerten, weil es sich bei Mietzinsüberprüfungsanträgen wie dem hier vorliegenden immer um Feststellungs‑ und nicht um primäre Geldleistungsbegehren handelt. Es gilt daher der Tarifansatz für nicht in einem Geldbetrag bestehende Begehren ( Lovrek , Kostenersatz im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren in Zak 2005/77; Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 813). Es ist ein billiges Ergebnis, der zur Gänze erfolgreichen Antragsgegnerin sämtliche Verfahrenskosten zuzusprechen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)