European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00009.15X.0312.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1.1. Ein konstitutives Anerkenntnis liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (RIS‑Justiz RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt somit die ‑ nach der Vertrauenstheorie zu beurteilende (RIS‑Justiz RS0032496 [T5]) ‑ Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RIS‑Justiz RS0032496 [T1], RS0032779 [T4], RS0032541 [T2]). Das konstitutive Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen (RIS‑Justiz RS0032779). Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben sollte, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RIS‑Justiz RS0032496 [T6, T7]). Demgegenüber ist ein deklaratives Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung (RIS‑Justiz RS0032784 [T10]). Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt; es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig oder unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich eine Bereinigungswirkung (RIS‑Justiz RS0110121). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteienwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RIS‑Justiz RS0017965, RS0032666). Ein konstitutives Anerkenntnis kann sich auch nur auf den Teil einer Forderung oder deren Höhe (RIS‑Justiz RS0122872) oder allein auf den Anspruchsgrund (vgl RIS‑Justiz RS0032959, RS0040880, RS0032319 [T10]) beziehen. Im Zweifel gilt ein Regulierungsanbot nicht als eigenes Anerkenntnis des Versicherers dem Grunde nach (RIS‑Justiz RS0032959).
1.2. Zwischen den Parteien bestand ein Unfallversicherungsvertrag. Nachdem die Beklagte den Kläger zunächst aufgefordert hatte, sich einer Operation zu unterziehen (nach der Heilbehandlung werde eine Neubewertung vorgenommen werden), erklärte sie in der Folge die vertragliche Eintrittspflicht gemäß den zugrundeliegenden Unfallversicherungsbedingungen und den gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen. Sie stellte fest, dass auf Grund der überdurchschnittlichen Schadenbelastung des Vertrags die vereinbarte Prämie zur Abdeckung des versicherten Risikos nicht mehr ausreiche, und kündigte den Vertrag. Wenn das Berufungsgericht das Schreiben der Beklagten als konstitutives Anerkenntnis des Anspruchs dem Grunde nach wertet, bewegt es sich im Rahmen der vorzitierten Judikatur. Die Beklagte wollte vom Vertrag zurücktreten, wozu ihrer Meinung nach ein Anerkenntnis der Leistungspflicht nach dem Schadenfall Voraussetzung war. Dementsprechend verweist sie auch auf die „überdurchschnittliche Schadenbelastung“ als Grund für den Rücktritt, was ebenfalls eine (neuerliche) Zahlungspflicht der Beklagten voraussetzt. Die Rechtsansicht, dass die Beklagte ein strittiges Recht anerkannte und damit einen selbständigen Verpflichtungsgrund schaffen wollte, ist nicht zu beanstanden. Damit kann auf Einwendungen der Beklagten, die sich auf Ereignisse vor diesem Zeitpunkt beziehen, nicht mehr Bedacht genommen werden.
2. Es ist Sache des Versicherers, den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen (RIS‑Justiz RS0043728). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass im Verhalten des Klägers keine relevante Verweigerung der Untersuchung durch einen Arzt und damit keine Obliegenheitsverletzung zu erkennen sei, ist ebenso wenig zu beanstanden. Zu bedenken ist, dass die Beklagte den Anspruch des Klägers bereits dem Grunde nach anerkannt hatte und dass die ihm zugekommene „Terminerinnerung“ der Arztpraxis keinen Bezug zur Beklagten enthielt. Er war auch nur mehr zur Untersuchung zur Abklärung der Höhe des Anspruchs verpflichtet. Dass sich die Untersuchung darauf bezogen hätte, war ihm nicht erkennbar. Außerdem war eine Terminänderungsmöglichkeit vorgesehen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird nicht aufgezeigt.
3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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