OGH 15Os13/15y

OGH15Os13/15y18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nadine G***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Lucian O***** sowie die Berufungen der Angeklagten Nadine G***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 30. September 2014, GZ 20 Hv 34/14d‑88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00013.15Y.0218.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallsausspruch betreffend Nadine G***** und Lucian O***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Lucian O***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch der Angeklagten Nadine G***** enthält, wurde Lucian O***** - ebenso wie Erstere ‑ des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A./) und der Angeklagte O***** überdies der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (B./1./) sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (B./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in B*****

A./ am 30. Mai 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit Nadine G***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe Gewahrsamsträgern der dortigen Filiale des Unternehmens M***** 44.985,35 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem sie den Angestellten Michael S***** unter Vorhalt einer Schreckschusspistole zum Tresor drängten und zur Herausgabe des darin befindlichen Bargelds aufforderten;

B./ am 24. Juni 2014

1./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er zwei Polizisten, die im Begriff waren ihn festzunehmen, mehrere Fußtritte und Faustschläge versetzte;

2./ durch die zu B./1./ geschilderte Tat zwei Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch einer eine leichte Zerrung am linken Daumen und der andere eine Prellung der rechten Hand erlitt.

Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde betreffend Nadine G***** und Lucian O***** „gemäß § 20 Abs 1 und 2 StGB“ ein Geldbetrag von 29.539,86 Euro „zur ungeteilten Hand“ für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Lucian O***** verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall) zeigt zu B./1./ und 2./ mit der Behauptung, die Verantwortung des Angeklagten könne „nicht ohne Erklärung einfach als unglaubwürdig abgetan werden“, kein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf (

RIS‑Justiz RS0116732) und übersieht unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), dass das Erstgericht - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht verhalten war, die als „in keiner Weise glaubhafte“ Schutzbehauptung (US 12) verworfene Verantwortung des Angeklagten in den Entscheidungsgründen detailliert zu erörtern (RIS‑Justiz RS0106642; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 428).

Soweit die Beschwerde die Angaben des Angeklagten als lebensnah sowie im Einklang stehend mit den Aussagen des als Zeugen vernommenen Polizisten mit der Dienstnummer 3***** erachtet und aus eigenen Beweiserwägungen andere als die getroffenen Feststellungen ableitet, bekämpft sie die tatrichterliche

Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 450 f).

Indem die weitere Rüge die Aussagen zweier als Zeugen vernommener Polizeibeamten einander gegenüberstellt und Abweichungen in deren Wahrnehmungen thematisiert, zeigt sie keinen Widerspruch im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO auf (RIS‑Justiz RS

0119089; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 437), sondern versucht, die Glaubwürdigkeit des als Zeugen vernommenen Polizisten mit der Dienstnummer 4***** zu erschüttern, womit sie sich in einer (in dieser Form unzulässigen) Beweiswürdigungskritik erschöpft.

Keine

erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu B./1./ und 2./ weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) mit dem Hinweis auf die Aussage des als Zeugen vernommenen Polizisten mit der Dienstnummer 3***** (RIS‑Justiz RS0118780).

Ob der Angeklagte zu A./ dem Opfer ‑ nachdem es unter Vorhalt der Schreckschusspistole zur Herausgabe des Bargelds aufgefordert worden war und dieses dem Angeklagten übergeben hatte (US 5) ‑ mit der Waffe einen Schlag gegen die Schläfe und einen Faustschlag gegen den Mundbereich versetzt hat (vgl US 6), ist für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage ohne Relevanz und daher nicht Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS‑Justiz RS0117499, RS0118780).

Die gegen B./1./ und 2./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Vorliegen eines Tatbildirrtums sowie einer Putativnotwehrsituation und fordert (unter Verweis auf die Mängelrüge) die Feststellung, der Angeklagte habe nicht erkennen können, dass er von Polizeibeamten angegriffen wird. Damit übergeht sie die (gegenteiligen) Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (US 7 f) und verfehlt die verfahrenskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, den Angeklagten Nadine G***** und Lucian O***** zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) in Ansehung des Verfallsausspruchs (richtig: nach § 20 Abs 3 StGB, zumal die diesem zugrunde liegenden Vermögenswerte [Abs 1] oder deren Nutzungen und Ersatzwerte [Abs 2] vorliegend nicht sichergestellt oder beschlagnahmt wurden [vgl US 7 und 15]), weil das Schöffengericht rechtlich verfehlt eine Solidarhaftung der beiden Angeklagten angenommen hat. Eine solche ist jedoch im Hinblick darauf, dass die dem Verfall unterliegenden Vermögens‑ und Ersatzwerte (Abs 1 und 2) sowie der Wertersatz (Abs 3) nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden dürfen, nicht vorgesehen. Sind daher Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (vgl 12 Os 25/13p, 42/13p; Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 20 Rz 34).

Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§ 

290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall und § 285e erster Satz StPO), weil sich die Berufungen der Angeklagten jeweils nur gegen den Ausspruch über die Strafe richten und dem Berufungsgericht diesfalls die amtswegige Wahrnehmung der das Verfallserkenntnis betreffenden Nichtigkeit zugunsten der Angeklagten ‑ zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (§ 295 Abs 1 erster Satz StPO) ‑ verwehrt ist (RIS‑Justiz RS0119220 [T9, T10]; Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf die

amtswegige Maßnahme (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12).

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