OGH 12Os113/14f

OGH12Os113/14f27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Mag. Michel, Dr. Oshidari und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Merten M***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. März 2014, GZ 73 Hv 110/13z‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00113.14F.1127.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./ im Umfang der untitulierten Entnahmen im Betrag von 83.149,51 Euro sowie in der zu I./ gebildeten Subsumtionseinheit nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, im Schuldspruch II./A./ zur Gänze (soweit also die dem Schuldspruch I./ zugrundeliegenden Taten auch dem Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB unterstellt wurden), sowie in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zu II./B./ zugrundeliegenden Taten auch unter § 159 Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 5) StGB, demzufolge auch im Strafausspruch und im Zuspruch an den Privatbeteiligten Jürgen Z***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner darauf bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unangefochten gebliebenen Freispruch des Angeklagten von weiteren Vorwürfen enthält, wurde Merten M***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I./), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (zu ergänzen iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (II./A./) und „des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 2 iVm Abs 5 Z 3 und 5 StGB“ (zu ergänzen: iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB; II./B./) schuldig erkannt.

Danach hat er

„als im Firmenbuch eingetragener, selbständig vertretungsbefugter, geschäftsführender (Mit‑)Gesellschafter der Mo***** GmbH zu nachgenannten Zeitpunkten in W*****

I./ im Zeitraum 2010 bis 16. Juli 2011 die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Mo***** GmbH zu verfügen und diese zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht und dem genannten Unternehmen einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil von 123.149,51 Euro zugefügt, indem er ein Darlehen in Höhe von 40.000 Euro, das am 15. April 2010 der Gesellschaft der Ma***** GmbH gewährt wurde, am 31. Dezember 2010 auf das Buchhaltungskonto „sonstige Schadensfälle“ für die Gesellschaft aufwandswirksam umbuchte und Beträge in Höhe von gesamt 83.149,51 Euro aus dem Unternehmen untituliert entnahm und zu unternehmensfremden Zwecken verwendete;

II./ im Zeitraum 2007 bis 2011 als leitender Angestellter eines Schuldners mehrerer Gläubiger (§ 161 Abs 1 iVm § 74 Abs 3 StGB), nämlich der Mo***** GmbH

A./ durch die zu Punkt I./ beschriebenen Straftaten sowie dadurch, dass er nach dem 16. Juli 2011 weitere Beträge in Höhe von 4.365,26 Euro, gesamt somit 127.514,77 Euro untituliert aus der Gesellschaft entnahm und zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendete, Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft und wirklich verringert und dadurch die Befriedigung von zumindest drei seiner Gläubiger, nämlich Nachgenannte mit nachgenannten Beträgen, vereitelt:

1) Finanzamt W***** 12/13/14 18.239,80 Euro;

2) Jürgen Z***** 33.596,22 Euro;

3) W***** GmbH 38.824,02 Euro;

wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden, nämlich in Höhe von 90.660,04 Euro herbeigeführt hat;

B./ grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Mo***** GmbH herbeigeführt und in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung jedenfalls der zu Punkt II./A./ genannten Gläubiger vereitelt, indem er

1) übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der Leistungsfähigkeit der Mo***** GmbH in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, indem er von 2009 bis 2012 zwei bzw drei Leasingfahrzeuge mit einem Aufwand in Höhe von 32.700 Euro anmietete, obschon die Gesellschaft außer ihm nur drei weitere Angestellte hatte;

2) es unterließ, den Jahresabschluss 2011 zu erstellen, und die Jahresabschlüsse 2007, 2008 und 2009, zu deren Erstellung er allesamt verpflichtet war, so spät erstellte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert war, indem er die normierte Frist für die Einreichung des Jahresabschlusses um 22 Monate, des Jahresabschlusses 2008 um 12 Monate und des Jahresabschlusses 2009 um zwei Monate überschritt,

somit kridaträchtig gehandelt hat.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 3, 5 und „9a“ des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Schon vor dem Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nichtigkeitsbegründende Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) ‑ wie auch von der Generalprokuratur im Ergebnis zutreffend aufgezeigt ‑ zum Nachteil des Beschwerdeführers anhaften, die von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Zum Schuldspruch I./:

Zunächst ist klarzustellen, dass die amtswegige Maßnahme nicht die Gewährung eines unbesicherten Darlehens im Betrag von 40.000 Euro, sondern lediglich die darüber hinaus angelasteten Entnahmen betrifft. Die Tathandlung der

Untreue muss in einem Rechtsgeschäft oder in einer sonstigen Rechtshandlung bestehen (RIS‑Justiz RS0095943). Die weder das eine noch das andere zum Ausdruck bringende Feststellung, wonach der Angeklagte bis zum 16. Juli 2011 sukzessive untitulierte Entnahmen in Gesamthöhe von 123.149,51 Euro tätigte und das Geld zu unternehmensfremden Zwecken verwendete (US 7), genügt den Tatbestandserfordernissen nicht. Rein faktisches Handeln kann den Tatbestand der Veruntreuung, eine allfällige Schädigung durch Belastung eines Kontos als Rechtshandlung den Untreuetatbestand erfüllen (vgl zur Abgrenzung Veruntreuung und Untreue auch RIS‑Justiz RS0094545 [T8]; Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 48 f; Bertel in WK² StGB § 133 Rz 48 ff). Die infolge der Teilaufhebung zerschlagene Subsumtionseinheit wird im zweiten Rechtsgang gegebenenfalls neu zu bilden sein (RIS‑Justiz RS0116734; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 10).

Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die im Referat der entscheidenden Tatsachen angeführten Entnahmen von 83.149,51 Euro in den Entscheidungsgründen keine Deckung finden. Auf US 7 gehen die Tatrichter von Entnahmen im Gesamtbetrag von 123.149,51 Euro aus. Bereits aufgrund des Spruchs wird dabei klar, dass bei der Bildung der Gesamtsumme (offenbar irrtümlich) auch der aus dem Titel der Darlehensgewährung resultierende Betrag von 40.000 Euro (ein weiteres Mal) hinzugerechnet wurde. Auf US 16 gehen die erkennenden Richter ‑ im Widerspruch dazu ‑ von Entnahmen im Gesamtbetrag von 108.514,77 Euro aus, diese Summe lässt sich auch bei einer Gesamtbetrachtung des Urteils nicht nachvollziehen. Aufgrund der am Vermögen des Mitgesellschafters anknüpfenden Überlegungen auf US 15 ist festzuhalten, dass gegenständlich nicht der allfällige Schaden des weiteren Gesellschafters, sondern jener der Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt maßgebend ist (RIS‑Justiz RS0094723 [T3]).

Zum Schuldspruch II./A./:

Bereits ein Blick auf das die entscheidungswesentlichen Tatsachen hervorhebende Referat, welches im genauen Wortlaut bereits dargestellt wurde, zeigt, dass das Erstgericht zwischen dem Vermögen der Mo***** GmbH und dem des Angeklagten nicht unterscheidet. Darauf, dass nicht der einzelne Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst Trägerin des Vermögensrechts ist, wurde bereits hingewiesen. Demnach kommt es beim Verbrechen der betrügerischen Krida zum Nachteil von Gläubigern der Gesellschaft nicht auf das Vorhandensein von Gläubigern des geschäftsführenden, hier als Täter agierenden Gesellschafters, sondern auf Gläubiger der Gesellschaft selbst an. Dazu trifft das Urteil aber keine eindeutigen Konstatierungen. Darüber hinaus setzt eine Verurteilung voraus, dass die dem Angeklagten angelastete vorsätzliche Verringerung des Gesellschaftsvermögens für die Verletzung von Befriedigungsrechten der Gläubiger der Mo***** GmbH kausal war (RIS-Justiz RS0094747). Die dazu erforderlichen Feststellungen sind dem Urteil ebenso wenig zu entnehmen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass der im Spruch genannte Tatzeitraum „ab 2007“ in den Entscheidungsgründen keine Deckung findet.

Zum Schuldspruch II./B./:

§ 159 StGB fasst drei verschiedene Vergehen zusammen (Kirchbacher in WK² StGB § 159 Rz 5). Innerhalb dieses Tatbestands sind die Begehungsformen gleichwertig. Dies verkennt das Erstgericht, indem es den Angeklagten „des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 iVm Abs 5 Z 3 und 5 StGB“ (im Übrigen erneut ohne Hinweis auf § 161 Abs 1 erster Satz StGB) schuldig erkennt.

§ 159 Abs 1 StGB erfasst grob fahrlässiges Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit durch kridaträchtiges Handeln. § 159 Abs 2 StGB betrifft die grob fahrlässige Gläubigerschädigung durch kridaträchtiges Handeln nach erkennbarem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Zur Subsumtion unter den Tatbestand § 159 Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 5) StGB iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB finden sich im Urteil keine Feststellungen. Der Urteilsspruch kann zwar zur Verdeutlichung des Urteilssachverhalts herangezogen werden, vermag aber fehlende Feststellungen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116587 [T10]).

Weil bereits die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen die Aufhebung des Urteils in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang und insoweit die Verweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e iVm § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO) erfordern, erübrigt sich eine Erörterung des Beschwerdevorbringens betreffend die von der Kassation erfassten Schuldspruchteile.

Im Übrigen verfehlt die gegen den Schuldspruch I./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel.

Ob der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage basiert, ist allein unter dem Blickwinkel der Rechts‑ und Subsumtionsrüge von Belang, die wiederum bloß die in den Entscheidungsgründen als erwiesen angenommenen Tatsachen zum Vergleich heranziehen kann (RIS‑Justiz RS0115552; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 274). Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert wiederum den Nachweis, dass das Gericht durch seinen Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet hat. Ein solcher Nachweis kann demnach nur unter striktem Festhalten an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt durch dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) geführt werden. Da Spruch und Gründe ein untrennbares Ganzes bilden, kommt einer verfehlten Fassung des Spruchs keine Bedeutung zu, wenn in den Gründen deutlich dargetan wird, welches Verhalten zur Unterstellung der Tat laut Spruch Anlass gab (RIS‑Justiz RS0098734).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 3) vorbringt, dass weder die Darlehensgewährung an sich noch die Ausbuchung eines uneinbringlich gewordenen Darlehens unter Strafe stehe, dabei aber die weiteren Urteilsannahmen übergeht, wonach der Angeklagte als Geschäftsführer der Mo***** GmbH (US 15) der Ma***** GmbH ein völlig ungesichertes Darlehen gewährte, obwohl er als deren Geschäftsführer wusste, dass sich diese in existenzbedrohenden Zahlungsschwierigkeiten befand und dass sich diese nicht mehr über eine Bank fremdfinanzieren konnte (US 5, 6), wird sie den Anfechtungskriterien nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0099810; vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 41).

Dazu ist überdies klar zu stellen, dass dem Angeklagten nicht die rechtlich sogar gebotene Ausbuchung der uneinbringlichen Schuld, sondern die konstatierte Zuzählung eines ungesicherten Darlehens an eine sich in existenzbedrohenden Zahlungsschwierigkeiten befindliche Gesellschaft als Befugnismissbrauch anzulasten ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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