OGH 9ObA67/14i

OGH9ObA67/14i29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** L*****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen 53.214,12 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. April 2014, GZ 11 Ra 21/14h‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00067.14I.1029.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger seit 17. 11. 2008 bestandene Dienstverhältnis mit Schreiben vom 14. 5. 2012 zum 15. 11. 2012 auf.

Im schriftlichen Dienstvertrag (Beil ./B) hatten die Parteien unter dem Punkt „ 10. Konkurrenzklausel und Konkurrenzverbot “ Folgendes vereinbart:

1. Der [Dienstnehmer] wird sich während der Dauer seiner Beschäftigung bei [der Dienstgeberin] weder direkt noch indirekt an einem Unternehmen beteiligen, welches mit [der Dienstgeberin] im Wettbewerb steht oder Geschäftsbeziehungen [zur Dienstgeberin] unterhält.

2. [Der Dienstnehmer] wird für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit [der Dienstgeberin] für kein Unternehmen aus der Baubeschlagsbranche sei es als Angestellter oder als Berater tätig werden, welches mit [der Dienstgeberin] im Wettbewerb steht.

3. Während des Wettbewerbsverbots erhält [der Dienstnehmer] eine Entschädigung in der Höhe der Hälfte des zuletzt bei [der Dienstgeberin] bezogenen Entgelts.

4. Der Dienstnehmer unterliegt während der Dauer des Dienstverhältnisses den in Geltung stehenden gesetzlichen Bestimmungen zum Konkurrenzverbot. Darauf werden eventuelle Einkünfte aus anderen, während der Dauer des Wettbewerbsverbots ausgeführten Tätigkeiten bzw Beschäftigungen angerechnet.

Mit Schreiben vom 3. 8. 2012, dem ein Gespräch zwischen den Parteien über das Thema Konkurrenzklausel vorangegangen war, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie auf die Geltendmachung der im Dienstvertrag vereinbarten Konkurrenzklausel verzichte. Dies habe zur Folge, dass der Kläger keinem Wettbewerbsverbot und somit keinen Einschränkungen hinsichtlich einer neuen Tätigkeit bei einem Unternehmen aus der Baubeschlagsbranche unterliege. Infolge des Wegfalls des Wettbewerbsverbots habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Entschädigung in Höhe der Hälfte des zuletzt von der Beklagten bezogenen Entgelts. Der Kläger erklärte am 12. 11. 2012, dass er die im Dienstvertrag vereinbarten Bestimmungen über die Konkurrenzklausel und das Wettbewerbsverbot anerkenne und sich auch daran halten werde. Er ersuche daher um Auszahlung der bereits fälligen sowie in Hinkunft monatlich fällig werdenden Beträge „aus dem Konkurrenzverbot und der Konkurrenzklausel“. Die Beklagte verweigerte die Auszahlung.

Der Kläger bezog nach Ende des Dienstverhältnisses bei der Beklagten vorerst Arbeitslosenunterstützung. Seit 1. 4. 2013 bezieht er ein Einkommen von 2.000 EUR brutto monatlich. Er ist für kein Unternehmen tätig, das mit der Beklagten im Wettbewerb steht.

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage ‑ neben anderen, schon im Berufungsverfahren nicht mehr relevanten Ansprüchen ‑ die Zahlung von 53.214,12 EUR sA an Karenzabgeltung. Dieser Betrag setze sich aus der Hälfte des von ihm bei der Beklagten zuletzt bezogenen Entgelts für 12 Monate zusammen.

Die Beklagte hielt der Berechtigung des Klagebegehrens ‑ soweit für das Revisionsverfahren relevant ‑ die Unwirksamkeit der gegenständlichen Vereinbarung entgegen. Jedenfalls müsse sich der Kläger seine während der Dauer des Konkurrenzverbots erzielten Einkünfte anrechnen lassen.

Das Berufungsgericht gab in Abänderung der klageabweisenden (mit Ausnahme eines nicht mehr verfahrensgegenständlichen Zinsenzuspruchs) Entscheidung des Erstgerichts dem Klagebegehren statt. Die in Frage stehende Vereinbarung der Parteien sei relativ teilnichtig, weil zum einen eine Konkurrenzklausel den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigen dürfe (§ 36 Abs 1 Z 2 AngG) und zum anderen die Höhe der Karenzabgeltung während der Dauer der Beschränkung nicht unter dem dem Angestellten zuletzt zukommenden Entgelt liegen dürfe (§ 37 Abs 2 AngG). Da diese Bestimmungen im Wesentlichen dem Schutz des Angestellten dienten, könne sich nur der Dienstnehmer, nicht aber auch der Dienstgeber auf diese Nichtigkeit berufen. Die von der Beklagten zulässigerweise bereits im Dienstvertrag abgegebene rechtsgestaltende Erklärung im Sinne des § 37 Abs 2 AngG könne, außer es liege ein wichtiger Grund vor, von keiner der Parteien mehr einseitig widerrufen werden. Da der Kläger die Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der vereinbarten Konkurrenzklausel nicht geltend gemacht, sondern vielmehr das Konkurrenzverbot eingehalten habe, habe er Anspruch auf die nur für die Dauer eines Jahres und auch nur in der vereinbarten Höhe der Hälfte des zuletzt bezogenen Entgelts begehrte Karenzabgeltung. Das vom Kläger seit 1. 4. 2013 bezogene Entgelt könne seinen Anspruch nicht mindern, weil das monatliche Einkommen von 2.000 EUR die Hälfte des zuletzt bei der Beklagten ins Verdienen gebrachte Entgelt nicht erreiche. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

In der dagegen von der Beklagten erhobenen außerordentlichen Revision wird keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

Rechtliche Beurteilung

1. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der absoluten oder relativen Nichtigkeit einer den Anforderungen nicht entsprechenden Erklärung bei der Dienstgeberkündigung im Sinne des § 37 Abs 2 AngG ist entgegen der Annahme der Revisionswerberin nicht uneinheitlich.

Bereits in der Entscheidung 14 Ob 187/86 sprach der Oberste Gerichtshof bei vergleichbarem Sachverhalt dem klagenden Dienstnehmer, der an der rechtswidrigen Vereinbarung festhielt, die vereinbarte niedrigere Karenzabgeltung (auch nur für vier Monate) zu. Damit verneinte der Oberste Gerichtshof zumindest inhaltlich das Vorliegen einer absoluten Nichtigkeit und anerkannte ein Wahlrecht des Dienstnehmers, entweder die Klausel gegen sich gelten zu lassen und eine geringere als die gesetzlich gemäß § 37 Abs 2 AngG vorgesehene Karenzabgeltung zu erhalten oder die Nichtigkeit geltend zu machen und den Anspruch auf Karenzabgeltung zu verlieren.

Auch der Entscheidung 9 ObA 38/93 lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Das Berufungsgericht hatte dem Dienstnehmer ebenfalls einen Anspruch auf die zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte geringere Karenzabgeltung zuerkannt. In ausführlicher Auseinandersetzung mit der Frage, ob relative oder absolute Nichtigkeit vorliege, hielt es mit Verweis auf die Vorentscheidung 14 Ob 187/86 fest, dass die Vereinbarung einer zu geringen Karenzabgeltung nicht absolut nichtig sei. Es liege nur eine relative Nichtigkeit vor, die vom geschützten Dienstnehmer geltend gemacht werden könne. Die Annahme einer absoluten Nichtigkeit würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutzwirkung in ihr Gegenteil verkehren. Denn der Dienstgeber, der im Regelfall die gesetzwidrige Formulierung der Konkurrenzklausel gewählt habe, würde Nichtigkeit geltend machen und wäre auf diese Weise von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Dienstnehmer befreit. Dieser könne in der Folge nur einen bereicherungsrechtlichen Anspruch geltend machen. Die Annahme einer bloß relativen Nichtigkeit gebe hingegen dem Dienstnehmer die Möglichkeit, die Konkurrenzklausel in der vereinbarten Form gelten zu lassen. Der Oberste Gerichtshof teilte die zutreffende, am Zweck der Regelung orientierte rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts und untermauerte diese zusätzlich durch einen Vergleich mit der deutschen Rechtslage.

Dass der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 9 ObA 155/87, deren Gegenstand nicht das vereinbarte Teilentgelt, sondern die vom Dienstnehmer begehrte Differenz auf das volle Entgelt war, nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist, wurde ebenfalls bereits in 9 ObA 38/93 ausgesprochen.

In der bereits am 1. 9. 1987 ergangenen Entscheidung 5 Ob 333/87 (von der Revisionswerberin offensichtlich irrtümlich mit 5 ObA 333/87 bezeichnet) wies der Oberste Gerichtshof den vom selben Kläger wie in 14 Ob 187/86 für die restlichen 20 Monate geltend gemachten Anspruch auf Karenzabgeltung hingegen ab. Da der Dienstgeber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Dienstnehmer gegenüber die Erklärung abgegeben habe, für die Dauer des Konkurrenzverbots das dem Dienstnehmer zustehende Entgelt fortzuzahlen, seien alle wechselseitigen Pflichten der Arbeitsvertragsparteien erloschen. Da diese Entscheidung zur Entscheidung 14 Ob 187/86 gar nicht Stellung genommen hat, die Klagsabweisung erkennbar deswegen erfolgte, weil durch die bereits im Arbeitsvertrag vorweggenommene Vereinbarung keine Erklärung des Dienstgebers im Sinne des § 37 Abs 2 AngG liege und der Oberste Gerichtshof in seiner späteren Entscheidung 9 ObA 38/93 ausdrücklich und begründet von einer relativen Nichtigkeit einer in einer zu geringen Höhe vereinbarten Karenzabgeltung ausging, begründet die Entscheidung 5 Ob 333/87 noch keine uneinheitliche Rechtsprechung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl 9 Ob 53/11a und RIS‑Justiz RS0042690). Auch eine gegenteilige Entscheidung eines Oberlandesgerichts vermag die Erheblichkeit der Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen.

Soweit die Revisionswerberin argumentiert, dass der Schutzzweck der §§ 36 und 37 AngG darauf abziele, die Erwerbsfreiheit des Dienstnehmers zu schützen, nicht aber Entgeltansprüche des Dienstnehmers zu begründen oder zu sichern, so mag dies durchaus zutreffen. Die Wahrung des finanziellen Interesses des Dienstnehmers im vorliegenden Fall ist aber die Folge davon, dass den Dienstgeber kein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Nichtigkeit trifft. Dies wird von der Revisionswerberin, die auf eine von vornherein unwirksame und damit keine Rechtswirkungen auslösende Erklärung des Dienstgebers abstellt, auch nicht vertreten. Ein Wahlrecht des Dienstnehmers, dessen Interesse an einer angemessenen nachvertraglichen Bindung geschützt werden soll, entspricht aber dem Wesen der relativen Nichtigkeit. Die dadurch beeinträchtigten finanziellen Interessen des Dienstgebers werden durch § 37 Abs 2 AngG nicht geschützt.

Absolute Nichtigkeit, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre (RIS‑Justiz RS0116900), wird nach herrschender Rechtsprechung und Lehre dann angenommen, wenn der Zweck einer Verbotsnorm, die im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde, die absolute Nichtigkeit eines gegen das Verbot geschlossenen Geschäfts erfordert (RIS‑Justiz RS0016843; RS0016840; RS0016837). Absolute Nichtigkeit liegt bei Verstößen gegen Gesetze vor, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen (SZ 63/72; 4 Ob 24/03p; 9 ObA 76/11h; 9 ObA 133/12t ua; Rebhahn/Kietaibl in ZellKomm2 § 879 ABGB Rz 69; Krejci in Rummel, ABGB³ § 879 Rz 248 mwN; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 879 Rz 46 mwN). Dabei dienen jedenfalls alle jene zwingenden arbeitsrechtlichen Normen (auch) Allgemeininteressen oder der öffentlichen Ordnung, die bei Verstößen die amtswegige Verhängung von Verwaltungsstrafen durch Verwaltungsbehörden über den Arbeitgeber vorsehen (zB ASchG, AZG, ARG, MSchG) (Rebhahn/Kietaibl in ZellKomm2 § 879 ABGB Rz 70). Da aber im Anlassfall die übertretene Norm im Wesentlichen dem Schutz des Dienstnehmers dient, liegt im Verstoß gegen die in § 37 Abs 2 AngG zwingend (§ 40 AngG) vorgesehene Höhe der Karenzabgeltung nur eine relative Nichtigkeit, die nur vom Dienstnehmer geltend gemacht werden kann.

2. Es ist auch herrschende Rechtsprechung, dass ein Vertragspartner ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, auch dann anfechten kann, wenn er dies bei Vertragsabschluss gewusst und dennoch keinen Vorbehalt gemacht hat. Anders wäre der Zweck solcher Verbotsnormen überhaupt nicht zu erreichen (SZ 52/52; 7 Ob 135/03h; 9 ObA 133/12t mwN; RIS‑Justiz RS0016442). Umso mehr kann der Dienstnehmer eine zu niedrig vereinbarte Karenzabgeltung gegen sich gelten lassen, auch wenn er von der Rechtswidrigkeit einer derartigen Vereinbarung wusste oder wissen musste (§ 2 ABGB).

Insgesamt zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten somit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf und ist daher zurückzuweisen.

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