OGH 3Ob522/78

OGH3Ob522/7828.3.1979

SZ 52/52

Normen

ABGB §879
Elektrizitätswirtschaftsgesetz §6
Tiroler Elektrizitätslandesgesetz §5
ABGB §879
Elektrizitätswirtschaftsgesetz §6
Tiroler Elektrizitätslandesgesetz §5

 

Spruch:

Ein Vertragspartner kann ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, auch dann anfechten, wenn er dies bei Vertragsabschluß gewußt und dennoch keinen Vorbehalt gemacht hat

Für eine Gebietskörperschaft mit Monopolstellung auf dem Gebiet der Elektrizitätsversorgung besteht Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen; die Belastung des ersten neu hinzugekommenen Stromabnehmers mit den gesamten Kosten der Änderung einer Anlage, die den Anschluß einer größeren Anzahl weiterer Abnehmer ermöglicht, stellt in der Regel einen sittenwidrigen Mißbrauch der Monopolstellung dar

OGH 28. März 1979, 3 Ob 522/78 (OLG Innsbruck 1 R 224/77; LG Innsbruck 7 Cg 381/74)

Text

Am 31. Oktober 1972 beantragte die Beklagte durch ihren bevollmächtigten Architekten Ekkehard H bei den von der klagenden Partei der Stadtgemeinde K unmittelbar betriebenen Stadtwerken K (Elektrizitäts- und Wasserversorgungsbetrieb) die Genehmigung zum Anschluß des Mehrfamilienhauses (mit zehn Wohnungen), dessen Errichtung sie am A-Weg auf dem Grundstück 1779/8 KG K beabsichtigte, an das Strom- und Wasserversorgungsnetz. Die Stadtwerke K sicherten die Genehmigung mit Schreiben vom 4. April 1973 u. a. unter folgenden Bedingungen zu:

Die Beklagte hat einen verlorenen und nicht rückzahlbaren Baukostenbeitrag für die eigenen elektrischen Versorgungsanlagen der klagenden Partei in der Höhe von 7 500 S je Wohneinheit (für die zehn Wohneinheiten daher 75 000 S) zu bezahlen, für die gemeinsam genutzten Stromverbrauchsgegenstände (wie Waschmaschine, Heizungspumpe, Ölheizung, Sauna) 500 S je kW installiertem Nennanschlußwert (wobei im Antrag von einem Anschlußwert von 20 kW ausgegangen wurde und sich daher ein Betrag von 10 000 S ergeben hätte) und für Elektroheizgeräte je 1 000 S je kW Anschlußwert. Für die Wohnungen sollte dann, wenn je Wohnung ein Anschlußwert von 15 kW überschritten würden, für jedes weitere Kilowatt Anschlußwert ein Betrag von 500 S, für Elektroheizungen 1000 S zu bezahlen sein. Die Wasseranschlußgebühr wurde auf Grund der bebauten Grundfläche mit 67 070.70 S präliminiert. Dazu verlangte die klagende Partei, daß die Beklagte den gesamten Kostenaufwand an Material und Arbeit für die Errichtung der Anschlußanlagen, und zwar die Verlegung eines 250 m langen Kunststoff-Erdkabels von der Trafo-Station S bis zur Hauptsicherung des Hauses, samt Einrichten einer entsprechenden Kabelabgangsanlage in der Trafo-Station und des Hauptsicherungskastens im Haus sowie einer 210 m langen Wasseranschlußleitung von dem für diesen Anschluß noch zu vergrößernden Schieber- Aufwand wurde mit 201 500 S veranschlagt, wobei sich die klagende Partei Kostenerhöhungen auf Grund von Kostensteigerungen, Lohn- und Gebührenerhöhungen vorbehielt. Die klagende Partei ersuchte um eine Anzahlung von 200 000 S und erklärte, daß die Schlußrechnung nach restloser Fertigstellung aller Arbeiten der klagenden Partei ergehen werde und der sich ergebende Restbetrag binnen 30 Tagen ab Rechnungsdatum zur Zahlung fällig sei. Gleichzeitig ersuchte die klagende Partei um schriftliche Auftragserteilung spätestens drei Monate vor dem Termin, bis zu dem die Anlage fertiggestellt sein sollte, und erbat zum Zeichen der Kenntnisnahme die Gegenzeichnung der Beklagten auf der Gleichschrift des Angebots. Die Beklagte leitete das Angebot gleich an den Arch. H weiter. Der Geschäftsführer der Beklagten besprach das Angebot mit dem Architekten, fand es zwar teuer, erklärte aber, daß ihm in Hinblick auf die Monopolstellung der Stadtwerke wohl nichts anderes übrig bleibe, als das Angebot anzunehmen. Eine Gegenzeichnung des Anbotes erfolgte zwar nicht, jedoch schrieb Arch. H am 16. April 1973 der klagenden Partei, man habe das Anbot bezüglich der Zuleitung von Strom und Wasser erhalten; er bitte, die Leitungen in einen kurz nach Ostern von der Beklagten angelegten Graben einzulegen, und ersuche, mit ihm die Sache an Ort und Stelle zu besprechen. Die Durchführung der Strom- und Wasseranschlußarbeiten wurde zwischen dem Betriebsleiter der Stadtwerke und dem Architekten sodann für Juni 1973 vereinbart. Der Nennanschlußwert überstieg in einzelnen Wohnungen des Hauses 15 kW. Die Rampenheizung und die Dachrinnenheizung weisen einen Anschlußwert von 13 kW auf. Die übrigen gemeinsam benutzten Stromverbraucher (wie Saunaofen, Solarium, Ölheizung, Waschmaschinen, Wäschetrockner, Türöffner usw.) haben einen Anschlußwert von 36.66 kW. Dazu kommt der Anschlußwert von 3580 Watt für Licht in den allgemein benützten Teilen des Hauses.

Die klagende Partei machte mit Rechnung Nr. 826/73 (der Stadtwerke K) vom 3. Oktober 1973 gegenüber der Beklagten die Anschlußkosten mit 340 718 S geltend. Am 10. August 1973 hatte die beklagte Partei eine Akontozahlung von 200 000 S auf diese Kosten geleistet.

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten die Zahlung von 140 718 S samt Anhang an restlichen Kosten für den Anschluß des Hauses der Beklagten an das Strom- und Wasserversorgungsnetz der Stadtwerke

K.

Die beklagte Partei machte geltend, daß der Anschlußwert der elektrischen Versorgungseinrichtungen nicht, wie von der klagenden Partei angenommen, 196 kW, sondern höchstens 146 kW betrage. Die Belastung der beklagten Partei mit der für die Einrichtung einer Niederspannungsabgangszelle und einer damit verbundenen Verstärkung in der Trafostation S in der Höhe von 85 496.20 S widerspräche den Grundsätzen, die ein Monopolunternehmen mit Kontrahierungszwang einzuhalten habe, da für die zur Ermöglichung eines Stromanschlusses erforderlichen allgemeinen Investitionen die Anschlußgebühren (Baukostenbeitrag) entrichtet würden. Diese Sonderleistung sei nicht notwendig gewesen und komme überdies auch anderen Anschlußwerbern zugute. Die Beklagte könne daher, wenn überhaupt, dann nur mit einem geringen Anteil dieser auch der Höhe nach ungerechtfertigten Kosten belastet werden. Soweit überhaupt ein Vertrag über die Erschließung ihres Grundstückes zustande gekommen sei, habe sich die Beklagte dem nur deswegen unterworfen, weil sie bei der Monopolstellung der klagenden Partei keine andere Wahl gehabt habe, um den Strom- und Wasseranschluß zu erreichen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Im Rahmen seiner Rechtsausführungen stellte es fest daß die von der klagenden Partei verlegte Stromleitung ausschließlich für die Versorgung des Hauses der Beklagten ausgerichtet sei und dienen könne, und führte aus, daß die Beklagte das Anbot der klagenden Partei durch die Auftragerteilung angenommen habe, wodurch ein gültiger Vertrag zustande gekommen sei. Ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Unverbindlichkeit des Vertrages sei nicht zu finden. Die Voraussetzungen des § 870 ABGB lägen nicht vor, weil es der Beklagten freigestanden wäre, vom Angebot keinen Gebrauch zu machen oder mit der klagenden Partei über günstigere Bedingungen zu verhandeln. Die Vereinbarung, daß für die Herstellung des Strom- und Wasseranschlusses neben einer pauschalierten Anschlußgebühr (Baukostenzuschuß) zu bereits vorhandenen Versorgungseinrichtungen, die durch den Anschluß gerade dieses Hauses entstandenen Aufwendungen zu ersetzen seien, verstoße weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten. Hingegen verstoße es gegen den Grundsatz der Vertragstreue, daß die beklagte Partei, um den Anschluß zu erreichen, zum Schein auf das Anbot der klagenden Partei eingegangen sei und nun unter Berufung auf die angebliche Ausnützung einer Monopolstellung meine, zur Einhaltung des Vertrages nicht verpflichtet zu sein. Das vereinbarte Entgelt für die Herstellung des Anschlusses an das Stromnetz sei im vollen Umfang zu bezahlen. Da konkrete Einwendungen gegen die Höhe des begehrten Betrages nicht erhoben worden seien, sei die Angemessenheit nicht weiter zu prüfen. Die Alliquotierung der Kosten für die Herstellung der Einleitungen und Anschlußeinrichtungen sei nicht vereinbart worden. Der noch offene Betrag von 140 718 S sei seit 2. November 1973 fällig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, übernahm dessen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und verneinte auch das Vorliegen von Feststellungsmängeln. In rechtlicher Beziehung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß für einen Monopolbetrieb von der Art der Stadtwerke K Kontrahierungszwang bestehe. Die Ausnützung einer wirtschaftlichen Machtstellung verstoße gegen die guten Sitten, wenn ihr Zweck an und für sich ungesetzlich sei, die angewendeten Mittel ihrer Natur nach unerlaubt seien oder nach der Art ihrer Anwendung gegen die sittlichen Anschauungen der beteiligten Kreise verstießen. Der Monopolist müsse insbesondere den Gleichheitsgrundsatz wahren. Beliefere er nicht alle Abnehmer nach den gleichen Grundsätzen, so verstoße er gegen die guten Sitten. Die Leistungen eines Stromlieferungsunternehmens müßten in ihrer Gesamtheit gesehen werden. Bei einem Stromlieferungsunternehmen seien die Errichtung und Erhaltung eines Kraftwerkes zur Erzeugung von Strom, die Errichtung und Erhaltung von Freileitungen oder eines Kabelnetzes zur Weiterlieferung und Verteilung des Stromes erforderlich, wozu Transformatoren, Schalteranlagen u. dgl. gehörten. Erforderlich sei u. a. eine ständige Bereitschaft, um diese Energie jederzeit liefern zu können. Die Gegenleistungen des Abnehmers dieser Energie könnten schon aus diesen Gründen nicht auf den konkreten Aufwand bezogen werden. In dem aus der deutschen Rechtsordnung übernommenen Energiewirtschaftsgesetz, dessen außer Kraft getretener Teil im Bundesland Tirol durch das Elektrizitätslandesgesetz vom 21. Juli 1949, LGBl. 38, rückwirkend mit 21. Oktober 1948 in Kraft gesetzt worden sei, werde die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht festgelegt (§ 6 Abs. 1). Bezüglich der allgemeinen Bedingungen ordne der § 7 E-WG an, daß diese für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend seien. Sie hätten daher Gesetzeskraft und bildeten die Hauptgrundlage für die Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Stromabnehmern und E-Werken und stunden gleichlautend für alle E-Werke Österreichs in Kraft. Bezüglich der Berechnung der Kosten für den Hausanschluß und der Baukostenbeiträge stellte es die Allgemeinen Bedingungen den E-Werken in den Punkten III/5 und IV/4 frei, eine allgemeine Regelung für ihren Bereich in der "Anlage" zu den Allgemeinen Bedingungen festzusetzen. Nach Punkt 2 der "Anlage" habe der Abnehmer die gesamten Kosten des Hausanschlusses zu tragen. Bei der Berechnung der Baukostenbeiträge für die mit dem Anschluß zusammenhängende Erweiterung des Netzes bleibe den E-Werken ein weiter Spielraum. Die Höhe der Baukostenbeiträge für die unmittelbaren Aufwendungen werde von den E-Werken "nach der Wirtschaftlichkeit der erforderlichen Aufwendungen" festgesetzt. Diese Wirtschaftlichkeit könnten nur die E-Werke selbst beurteilen. In der Regel biete die Verstärkung vorhandener oder die Errichtung neuer Anlagen dem E-Werk die Möglichkeit, nicht nur den neu hinzugekommenen gekommenen Abnehmer, sondern auch eine größere Anzahl weiterer Abnehmer an das verstärkte Netz anzuschließen. Es werde daher dem ersten neu hinzugekommenen Abnehmer nur ein Teil der Erweiterungskosten vorgeschrieben und die Höhe des Anteils vom E-Werk "nach der Wirtschaftlichkeit" bemessen. Für jeden Außenstehenden, auch für die Verwaltungsbehörde und das Gericht, sei es naturgemäß außerordentlich schwierig, wenn nicht überhaupt unmöglich, diese Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Die Notwendigkeit dieser Baukostenzuschüsse ergebe sich daraus, daß die E-Werke mit den von der Preisbehörde kontrollierten Tarifen nicht das Auslangen finden könnten, um die Kosten der Erweiterung des Netzes zu finanzieren. Für die Berechnung der Baukostenzuschüsse bestunden bei allen E-Werken gewisse einheitliche interne Grundsätze. Die Beklagte könne dahergrundsätzlich dem Verhalten der klagenden Partei keine Sittenwidrigkeit unterstellen. Der Beklagten sei es auch unbenommen gewesen, mit der Klägerin vor Annahme des Anbotes Verhandlungen zu führen. Da sie aber gegenüber der klagenden Partei keine Vorbehalte gemacht habe, sei sie nach der Vertrauenstheorie an ihre Erklärung gebunden.

Über Revision der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück,

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist festzuhalten, daß die Beklagte das Anbot der klagenden Partei vom 4. April 1973 zumindest durch konkludente Handlungen, nämlich das Schreiben ihres bevollmächtigten Architekten vom 16. April 1973 und dessen Vereinbarung mit dem Betriebsleiter der Stadtwerke K, die Strom- und Wasseranschlußarbeiten im Juni 1973 durchzuführen, angenommen hat.

Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit Lehre (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 214; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 170) und Rechtsprechung (ZBl. 1929/320; ÖBl. 1952, 38; SZ 33/74; SZ 44/138 u. a.) zutreffend davon ausgegangen, daß für die Stadtwerke K als Inhaber einer Monopolstellung auf dem Gebiete der Stromversorgung in ihrem Versorgungsgebiet Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen besteht. Bei der Stromversorgung ist der Kontrahierungszwang überdies im § 5 Abs. 1 des einstweiligen Tiroler Elektrizitäts-Landesgesetzes vom 26. September 1957, LGBl. 45/1957, ausdrücklich festgelegt (das vom Berufungsgericht zitierte Gesetz vom 21. Juli 1949, LGBl. 38, über die einstweilige Regelung des Elektrizitätsrechtes im Lande Tirol ist am 1. Oktober 1957 außer Kraft getreten; siehe § 31 Abs. 2 LGBl. 45/1957). Nach dieser Bestimmung ist ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das ein bestimmtes Gebiet versorgt, verpflichtet, allgemeine Bedingungen und allgemeine Tarifpreise öffentlich bekannt zu machen und zu diesen Bedingungen und Tarifpreisen jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen. Die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht besteht u. a. nicht, wenn der Anschluß oder die Versorgung dem Versorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen, die auch in der Person des Abnehmers liegen können, nicht zugemutet werden kann (§ 5 Abs. 1 Z. 1). Die allgemeinen Bedingungen bedürfen der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung kann zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Gestaltung unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden (§ 6). Nach den vom Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 26. August 1960 genehmigten Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz der Tiroler Wasserkraftwerke-Aktiengesellschaft (Abschnitt III und IV) und der "Anlage" zu diesen Allgemeinen Bedingungen (Z. 3 und 4) hat der Abnehmer die vollen Kosten des Hausanschlusses zu tragen und Baukostenzuschüsse zu leisten (siehe Bandhauer - Fremuth - Orgelmeister, Österr. Elektrizitätsrecht, 295 ff.). Die Festsetzung der Baukostenbeiträge für die mit dem Neuanschluß verbundenen unmittelbaren Aufwendungen nach der Wirtschaftlichkeit der erforderlichen Aufwendungen entspricht daher den angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Der Revision ist zuzugeben, daß die Wirtschaftlichkeit der Aufwendungen und die Angemessenheit der Baukostenzuschüsse vom Gericht zu prüfen ist, wenn zwischen dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen und den Abnehmern über die Höhe der Baukostenzuschüsse nachträglich Streit entsteht (Eggelen, Elektrizitäts-Privatrecht, ÖJZ 1954, 1 ff., 2). Das Berufungsgericht wollte mit den von der Revision bekämpften Ausführungen zeigen, daß nur die Elektrizitätswerke selbst diese Wirtschaftlichkeit beurteilen könnt,wie vor allem seine späteren Ausführungen zeigen, offensichtlich nicht zum Ausdruck bringen, daß dem Gericht die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit verwehrt sei. Es meinte vielmehr, daß die Überprüfung schwierig sei, was zweifellos richtig ist, das Gericht aber seiner Prüfungspflicht nicht enthebt.

Für den Inhaber einer Monopolstellung besteht, wie schon erwähnt, Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen. Von diesen Erwägungen geht im übrigen auch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz vom 11. April 1975, BGBl. 260/1975, mit dem für die Erlassung der Ausführungsgesetze in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens Grundsätze aufgestellt wurden, aus, wenn es im § 6 Abs. 3 dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen das Recht einräumt, bei Neuanschlüssen und bei Erhöhung des Versorgungsumfanges den Abnehmern angemessene Baukostenzuschüsse in Rechnung zu stellen.

Die Revision wendet sich mit Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beklagte deshalb, weil sie keine Vorbehalte gemacht habe, nach der Vertrauenstheorie an ihre Erklärungen gebunden sei. Die vom Berufungsgericht für diese Auffassung herangezogenen Entscheidungen besagen lediglich, daß bei Verkehrsgeschäften Willenserklärungen nicht nach der Willenstheorie, sondern - nach der Vertrauenstheorie auszulegen sind. Zur Frage der Anfechtbarkeit eines sittenwidrigen Rechtsgeschäftes wird in diesen Erkenntnissen überhaupt nicht Stellung genommen. Ein Vertragspartner kann ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, auch dann anfechten, wenn er dies bei Vertragsabschluß gewußt und dennoch keinen Vorbehalt gemacht hat. Anders wäre der Zweck solcher Verbotsnormen überhaupt nicht zu erreichen. Die Beklagte ist daher grundsätzlich zur Anfechtung des Vertrages berechtigt. Liegt Sittenwidrigkeit vor, tritt Nichtigkeit des Vertrages ein, allerdings nur in dem Umfang, als es der Zweck der Verbotsnorm erfordert (SZ 39/190; SZ 34/14 u. a.).

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die klagende Partei zum Nachteil der Beklagten wurde nicht behauptet. Die Angemessenheit der für die erbrachten Leistungen in Rechnung gestellten Beträge ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Hingegen hält die Beklagte auch in der Revision an dem in erster Instanz erhobenen Einwand fest, daß sie nicht mit den Kosten jener Leistungen belastet werden könne, die für sie nicht notwendig seien oder auch anderen Abnehmern zugute käme. Es handelt sich dabei um die Errichtung einer Niederspannungsabgangszelle und die damit verbundene Verstärkung in der Trafo-Station S sowie die Erweiterung des Wasserleitungsnetzes.

Der Revision ist beizupflichten, daß die Kosten der für einen Neuanschluß erforderlichen Änderungen in den Anlagen des Elektrizitätsversorgungsunternehmens dem Bewerber um den Neuanschluß regelmäßig nicht zur Gänze auferlegt werden dürfen, wenn diese Änderungen der Anlagen den Anschluß einer größeren Anzahl weiterer Abnehmer an das verstärkte Netz ermöglichen. In einem solchen Fall würde die Belastung des ersten neu hinzugekommenen Abnehmers mit den gesamten Kosten der Änderung in den Anlagen des Elektrizitätsversorgungsunternehmens in der Regel einen sittenwidrigen Mißbrauch der Monopolstellung darstellen. Für die Beurteilung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Monopolmißbrauch vorliegen, reichen jedoch die Feststellungen der Vorinstanzen vor allem deshalb nicht aus, weil die Kosten des Hausanschlusses und der Anlagenänderungen in der Trafo-Station S mit einem Gesamtbetrag in Rechnung gestellt wurden. Die (in die rechtliche Beurteilung aufgenommene) Feststellung des Erstgerichtes, daß die von der klagenden Partei verlegte Stromleitung ausschließlich für die Versorgung des Hauses der Beklagten ausgerichtet sei und dienen könne, betrifft lediglich die Stromleitung nicht aber die anderen Leistungen. Nach dieser Feststellung ist davon auszugehen, daß das Haus der Beklagten in der Trafo-Station S an das Leitungsnetz der klagenden Partei angeschlossen wurde, also das verlegte Stromkabel in seiner gesamten Länge zum "Hausanschluß" gehört, dessen Kosten die Beklagte ohnehin zur Gänze zu bezahlen hat. Ungeklärt ist jedoch die wesentliche Frage, ob die Niederspannungsabgangzelle und die "Verstärkung" der Trafo-Station nur für den Neuanschluß der Beklagten erforderlich war oder der klagenden Partei die Möglichkeit eröffnete, nunmehr auch andere Abnehmer an ihr Versorgungsnetz anzuschließen. In letzterem Fall wäre es im Sinn der vorstehenden Erwägungen "unangemessen", die Kosten allein auf die Beklagte abzuwälzen. Sie sind vielmehr aufzuteilen, wobei es nicht nur auf die Zahl der potentiellen Abnehmer, sondern auch auf die Anschlußwerte ankommen wird, ferner von einem sittenwidrigen Mißbrauch einer Machtstellung nur bei einer willkürlichen Aufteilung der Kosten wird gesprochen werden können.

Die Urteile der Vorinstanzen leiden somit an Feststellungsmängeln, die eine Aufhebung der Urteile der Untergerichte erfordern und zu deren Behebung es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf.

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